Physikerinnen und Physiker der TU Berlin entwickeln eine hochempfindliche optische Nachweistechnik,
um die quantenoptische Kopplung von Licht und Materie auch bei Raumtemperatur zu messen – für die Zukunft
der ultraschnellen Datenkommunikation
Berlin (idw) - Einer Arbeitsgruppe um die TU-Physikprofessorin Ulrike Woggon ist es gelungen, die quantenoptische
Kopplung von Licht und Materie an einem Halbleiterbauelement unter realistischen Betriebsbedingungen nachzuweisen.
Das war bisher nur bei Atomen und tiefkalten Systemen möglich. Damit eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten
für die ultraschnelle Datenverarbeitung in der Telekommunikation. Die Ergebnisse des von Ulrike Woggon geführten
Teams wurden als „open access“-Artikel in der Dezemberausgabe von Nature Communications veröffentlicht.
„Das vom Menschen mittels Licht gesteuerte Erzeugen, Besetzen und Auslesen von Quantenzuständen ist ein Wunschtraum
der modernen Quantenphysik“, schwärmt Prof. Dr. Ulrike Woggon, Professorin am Institut für Optik und
Atomare Physik der TU Berlin. „Angefangen hat alles mit der Vision, genau den Moment beobachten zu können,
in dem ein Energiequant von Licht in Materie fließt“, so Prof. Dr. Ulrike Woggon. Sie spricht über die
quantenoptische Kopplung von Licht und Materie und dem Ziel, diese für die ultraschnelle Signalmodulation
anzuwenden. Im Moment sind diese aufgrund der verwendeten Materialien limitiert auf den Bereich von Pikosekunden
(eine Pikosekunde entspricht 10-12 Sekunden). Werden optische Daten noch dichter gepackt, besteht die Gefahr, dass
die darin kodierte Information verfälscht wird oder sogar verloren geht. Signale, die über lange Strecken
durch Glasfaserkabel transportiert werden, müssen zudem verstärkt werden.
„In unserem Experiment wird ein ultrakurzer Laserpuls durch einen Halbleiterverstärker geschickt, um danach
die Änderungen in seiner Phase und Feldamplitude auszuwerten, alles mit einer Zeitauflösung von einer
Zehntausendstel Pikosekunde“, erklärt Doktorand Mirco Kolarczik. Das Halbleiterbauelement besteht aus einer
speziell entwickelten Nanostruktur, in der die Licht-Materie Kopplung über den elektrischen Strom geschaltet
werden kann. Im „Zentrum für NanoPhotonik“ der TU Berlin werden entsprechende nanoskalige Halbleitersysteme
in Form von „künstlichen Atom“-Pendants designed und hergestellt. Sie weisen wesentliche Eigenschaften rein
atomarer Systeme, wie zum Beispiel diskrete Energiezustände und optische Übergänge im nahen infraroten
und sichtbaren Spektralbereich auf. „Wichtig für unseren Versuch sind dabei Halbleiternanostrukturen, deren
Größe in allen drei Raumrichtungen nur wenige Nanometer beträgt und die wir als Quantenpunkte bezeichnen“,
erläutert Dr. Nina Owschimikow. „Wie in Atomen sind in Halbleiterquantenpunkten die Zustände diskret
und gehorchen den fundamentalen Gesetzen der Quantenmechanik.“
Erfolg mit der Nachweistechnik „FROSCH“
Festkörperbasierte Halbleitersysteme zeigen jedoch unter realen Umweltbedingungen innerhalb eines Zeitbereiches
von 10 bis 100 Femtosekunden (1fs = 10-15s) einen schnellen Verlust der Phaseninformation in den Signalen (die
sogenannte Quantendekohärenz) - verursacht durch die Wechselwirkung, zum Beispiel mit den sie umgebenden Ladungen.
Jenseits dieses Zeitfensters bleibt die Quantennatur der elementaren Prozesse dem Beobachter verborgen. Das Phänomen
der schnellen Dekohärenz bei nanostrukturierten Halbeitersystemen ist seit langem bekannt, und man ging bisher
davon aus, dass nur bei sehr niedrigen Temperaturen bei Heliumkühlung und unter Laborbedingungen Quantenkohärenz
messbar wäre – und damit also für den Alltagsgebrauch in der Datenübertragung unbrauchbar. Durch
die Entwicklung einer mit dem Begriff „FROSCH“ abgekürzten ultraschnellen, hochempfindlichen, optischen Nachweistechnik
ist es nun dem Forscherteam der TU Berlin gelungen, sehr präzise einen durch das Bauelement propagierenden
Lichtpuls zu vermessen. „FROSCH“ steht für „Frequency-Resolved-Optical-Shortpulse-Characterization-by-Heterodyning”.
In enger Zusammenarbeit mit theoretischen Physikern aus der Gruppe von PD Dr. Kathy Lüdge und Prof. Dr. Eckehard
Schöll, die die Effekte quantenkohärenter Wechselwirkung auf den Lichtpuls in einem umfangreichen mikroskopischen
Modell berechneten, konnte damit die Robustheit der Quantenkohärenz in Quantenpunktbauelementen auch bei Raumtemperatur
und unter realen Betriebsbedingungen nachgewiesen werden.
Dipl.-Phys. Mirco Kolarczik, Dr. Nina Owschimikow und Dipl.-Phys. Yücel Kaptan analysierten, wie Femtosekunden-Laserpulse
ihre charakteristische Form verändern, wenn diese durch einen quantenpunktbasierten Halbleiter geschickt werden.
Diese halbleiter-basierten Verstärker werden in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Dieter Bimberg am „Zentrum
für NanoPhotonik“ der TU Berlin zurzeit von Dipl.-Phys. Holger Schmeckebier entworfen und erforscht. Simulationen
der Experimente durch M.Sc. Benjamin Lingnau und M.Sc. Julian Korn aus der Arbeitsgruppe von PD Dr. Kathy Lüdge
und Prof. Eckehard Schöll aus dem Institut für Theoretische Physik der TU Berlin untermauerten die experimentellen
Daten und ermöglichten ein tiefes Verständnis der auftretenden physikalischen Effekte.
„Unser System ist in der Lage, die Entwicklung der gesamten Amplituden- und Phaseninformation zu lesen, die der
Quantenzustand innerhalb weniger Femtosekunden unter Raumtemperaturbedingungen in den Puls schreibt, und damit
die quantenkohärente Licht-Materie-Kopplung nachzuweisen“, so Ulrike Woggon. „Basierend auf dieser Grundlagenforschung
sollte es später möglich sein, bei der Datenübertragung wesentlich mehr Informationen in einen Puls
zu kodieren als gegenwärtig in der optischen Kommunikation und Informationsverarbeitung erreichbar ist.“ (Katharina
Jung)
Der Originaltext der Arbeitsgruppe ist hier nachzulesen:
M. Kolarczik, N. Owschimikow, J. Korn, B. Lingnau, Y. Kaptan, D. Bimberg, E. Schöll, K. Lüdge and U.
Woggon: „Quantum coherence induces pulse shape modification in a semiconductor optical amplifier at room temperature”,
Nat. Commun. 4:2953 doi: 10.1038/ncomms3953 (2013).
http://www.nature.com/ncomms/2013/131216/ncomms3953/full/ncomms3953.html
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