Vortrag des ehemaligen UN-Generalsekretärs im Parlament
Wien (pk) – Freie, faire und integre Wahlen sind eine Voraussetzung der Demokratie, reichen aber alleine
noch nicht aus, um demokratische Gesellschaften aufzubauen. Von dieser Überzeugung ging der ehemalige UN-Generalsekretär
Kofi Annan am 28.02. bei einem Vortrag aus, zu dem Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und die Österreichische
Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen ins Parlament geladen hatten. Unter den rund
600 Gästen, die sich im Historischen Sitzungssaal einfanden, konnte der Zweite Nationalratspräsident
Karlheinz Kopf zahlreiche prominente Persönlichkeiten aus der Politik, allen voran Bundespräsident Heinz
Fischer und den Vizepräsidenten des EU-Parlaments Othmar Karas begrüßen. Kofi Annan sei eine Symbolfigur
für den unermüdlichen Kampf um Menschenrechte und Frieden, betonte Kopf und meinte, gerade auch die österreichische
Geschichte zeige, dass Demokratie nichts Selbstverständliches ist, sondern immer wieder aufs Neue erarbeitet
werden müsse.
Wolfgang Schüssel würdigt Annan als "unerschütterlichen Optimisten" im Kampf für
Demokratie
Namens der Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen hieß Bundeskanzler a.D. Wolfgang
Schüssel Kofi Annan als einen Freund und Kenner Österreichs willkommen und würdigte die Verdienste
des ehemaligen UN-Generalsekretärs für Frieden und Sicherheit, die letztlich durch den Friedensnobelpreis
an die UNO im Jahr 2001 gekrönt wurden. Schüssel erinnerte im Einzelnen an das Engagement Annans für
eine Konfliktlösung in Bosnien und im Kongo, sprach aber auch den Beitrag zum Kampf gegen HIV an und bezeichnete
den ehemaligen UN-Generalsekretär als unerschütterlichen Optimisten im Ringen um Demokratie und Menschenrechte.
Kofi Annan: Wahlen brauchen "rule of law"
Mit eindrucksvollen Worten bekannte sich Kofi Annan in seinem Vortrag zu freien und fairen Wahlen als Wurzel der
Demokratie und unterstrich vor allem den Aspekt der Integrität des Wahlprozesses. Der ehemalige UN-Generalsekretär
ging dabei von der Überzeugung aus, dass Wahlen nur dann einen Beitrag zur Entwicklung demokratischer Gesellschaften
liefern können, wenn sie zuallererst auf rechtsstaatlichen Grundlagen, auf der "rule of law", aufbauen
und als Ausdruck eines pluralistischen Systems gleiche Rechte für alle Parteien, KandidatInnen und BürgerInnen
sicherstellen. Daher sei es unerlässlich, Schranken, die Menschen vom Wahlrecht ausschließen, abzubauen.
Frauen, Junge, aber auch benachteiligte Gruppe wie etwa Behinderte müssen Zugang zum Wahlrecht haben, stand
für Kofi Annan fest.
Um die Integrität von Wahlen zu gewährleisten, seien aber auch noch andere Grundsätze und Standards
geboten. Kofi Annan forderte in diesem Sinn eine professionelle, unabhängige Abwicklung und Stimmenauszählung,
die volle Transparenz über die Finanzierung des Wahlkampfs der einzelnen Parteien und KandidatInnen, aber
nicht zuletzt auch Regeln, die die Legitimität des Wahlsiegers ebenso wie den Schutz des Wahlverlierers sicherstellen.
Annan setzte sich darüber hinaus aber auch mit dem Umfeld der Wahlen auseinander und sprach in diesem Zusammenhang
die Rolle der Medien an. Nur eine unabhängige, freie Berichterstattung sei Voraussetzung für einen fairen
Wahlprozess, war er überzeugt.
Keine Demokratie ohne Entwicklung
Wahlen könnten aber immer nur ein Teil des langen demokratischen Prozesses sein und würden für sich
alleine genommen nicht ausreichen, friedliche und harmonische Gesellschaften aufzubauen, gab Kofi Annan allerdings
zu bedenken. Wirtschaftliche Misere, ungerechte soziale Verhältnisse und eine prekäre Sicherheitslage
führten allzu oft zu einer Polarisierung der Gesellschaft und dazu, dass die "Straße" an die
Stelle von Wahlen tritt, beklagte er. Ohne entsprechende soziale und wirtschaftliche Entwicklung, ohne rechtsstaatliche
Regeln und ohne die Achtung der Menschenrechte könne es keine Demokratie geben. Große Bedeutung maß
der ehemalige UN-Generalsekretär schließlich auch dem Zusammenhang zwischen Bildung und Demokratie zu.
Junge Menschen müssten Bildung erhalten, um später einmal eine aktive Rolle in ihrer Gesellschaft übernehmen
zu können, betonte er, denn "niemand wird als guter Demokrat geboren, dazu braucht es Übung und
Training".
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