Außenminister: Auch wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische
Interessen Österreichs dabei im Vordergrund - Proteste in Bosnien deuten klar auf Notwendigkeit von Reformen
hin
Pristina (Prishtina)/Belgrad (bmeia/apa) - Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat Serbien die
weitere Unterstützung Österreichs auf dem Weg der EU-Annäherung versichert. "Dort wo wir können,
werden wir jederzeit unterstützend tätig sein" sagte Kurz am 26.02. bei seinem Antrittsbesuch in
Belgrad.
Kurz betonte, dass Österreich die EU-Annäherung Serbiens nicht nur befürworte, weil diese gut für
Serbien sei, sondern auch wegen der wirtschaftspolitischen und sicherheitspolitischen Interessen Österreichs.
Der Außenminister verwies vor österreichischen Journalisten in diesem Zusammenhang auf die sogenannte
Balkanroute über die nach wie vor organisierte Kriminalität und illegale Migration ablaufe. In Sachen
Wirtschaft ist Österreich der größte Auslandsinvestor in Serbien. Seit dem Ende des Milosevic-Regimes
in Belgrad haben österreichische Firmen in Serbin 2,9 Mrd. Euro angelegt.
Kurz traf mit Staatspräsident Tomislav Nikolic und dem ersten Vizepremier Alexander Vucic zusammen. Vucic
erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz, er habe um die weitere Unterstützung Österreichs
in Brüssel gebeten: Er wolle aber auch von Österreich auf "Schwierigkeiten, Fehler und Langsamkeiten"
beim Integrationsprozess hingewiesen werden.
Vucic will die im Jänner begonnenen EU-Beitrittsverhandlungen bis Ende 2018 abschließen. Außenminister
Kurz kommentierte dieses Ziel: "Wir können kein fixes Datum nennen". Er schätze aber "den
starken Willen Serbiens" und pochte auf Reformen. "Je schneller Veränderungen in Serbien passieren,
desto besser ist das für österreichische Investoren".
Die konkreten EU-Beitrittsverhandlungen sollen im Sommer starten, dann soll auch das Kosovokapitel eröffnet
werden. Zusätzlich zu den Beitrittskriterien hat sich Serbien nämlich verpflichtet eine Normalisierung
und ein entsprechendes Abkommen mit dem Kosovo zu unterzeichnen. Die frühere serbische Provinz Kosovo hatte
sich nach Krieg und jahrelanger UNO-Verwaltung vor 6 Jahren für unabhängig erklärt. Für die
EU ist die Normalisierung eine Voraussetzung für die weitere Heranführung Serbiens. Laut Beobachtern
könnte Brüssel zu Jahresende auch das ebenso schwierige Justizkapitel mit Serbien eröffnen.
Kurz erklärte vor österreichischen Journalisten, dass bei einem EU-Beitritt Serbiens in Österreich
keine Volksabstimmung vorgesehen sei. Er verwies auf das Regierungsprogramm, wonach dies nur nach einem Beitritt
der Türkei für notwendig erachtet würde. Kurz sagte, er spüre im Fall Serbien "keinen
Anspruch aus der Bevölkerung" abzustimmen. Zudem sei Serbien mit seinen 7 Millionen Einwohnern wesentlich
kleiner als die Türkei mit ihren 74 Mio. Ein Beitritt Serbiens habe daher weniger große Auswirkungen
auf die EU.
Kurz kündigte in Belgrad an, dass Österreich seine finanzielle Unterstützung für den gesamten
West-Balkan im Rahmen der sogenannten Beitrittspartnerschaft von 1,9 Mio. Euro auf 4,0 Mio. Euro fast verdoppeln
wird. Ferner kündigte der auch für Integrationsfragen zuständige Minister an, dass es künftig
an der österreichischen Botschaft in Belgrad nach Vorbild der Botschaft in Ankara einen Integrations-Attaché
geben wird. Dieser soll Serben betreuen die bereits eine fixe Zusage für eine Neuzuwanderung nach Österreich
haben. Unter anderem sollte der Attaché den Kontakt zum österreichischen Integrationsfonds herstellen,
Deutschkurse vermittlen und Werte und Gesetze in Österreich darlegen. "Wir wollen mit der Integration
vom ersten Tag an beginnen" sagte Kurz. Derzeit leben in Österreich insgesamt rund 300.000 eingebürgerte
Serben bzw. serbische Staatsbürger.
Thema zwischen Kurz und Vizepremier war auch Bosnien, wo die jahrelang schwebende Staatskrise jüngst in Form
von Sozialprotesten eskaliert ist. Vucic nannte Bosnien "die einzige Frage die mir Angst macht". Bosnien,
wo die Serben die zweitgrößte Volksgruppe stellen, sei "die schwierigste Frage auf dem Balkan".
Serbien sei dem Dayton-Friedensabkommen verpflichtet und sei keine Gefährdung der Stabilität oder Territorialität
Bosnien-Herzegowinas. Kurz erklärte, die Proteste in Bosnien gegen ein "schwer oder gar nicht funktionierendes
System" deuteten klar auf die Notwendigkeit von Reformen hin. "Wenn wir da einen Beitrag leisten können,
werden wir das tun." Er sei bezüglich Bosnien in Kontakt mit anderen EU-Außenministern.
Vucic steht mitten im Wahlkampf, am 16. März finden in Serbien vorgezogene Parlamentswahlen statt. Für
Vucic und seine jetzt schon stimmenstärkste SNS (Serbische Fortschrittliche Partei) ist laut Umfragen eine
absolute Mandatsmehrheit in greifbarer Nähe, sodass der ehemalige Ultranationalist und jetzige Pro-Europäer
wohl das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen wird.
Außenminister Kurz nahm bei der Pressekonferenz mit Vucic auch Bezug auf die Historie: Hundert Jahre nach
Ausbruch des ersten Weltkrieges, nachdem der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand von serbischen Nationalisten
getötet worden war, seien Österreich und Serbien so weit "in einem geeinten Europa zusammen zu finden."
Der serbische Außenminister Ivan Mrkic sprach sich dafür aus im Gedenkjahr 1914/2014 nach vorne zu blicken:
Serbien will ein Mitglied der Europäischen Familie sein. Man solle an die Ereignisse von vor hundert Jahren
erinnern die Gedenkveranstaltungen "sollen aber nicht politisiert werden".
Vucic betonte, dass die Beziehungen zu Österreich besser seien als je zuvor. Rund um die Unterstützung
Österreichs für die Unabhängigkeit des Kosovo hatte es gravierende Irritationen zwischen Wien und
Belgrad gegeben.
Ganz im Sinne des Ausbaus der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wurde im Beisein von Kurz und Vucic am Mittwoch
in Belgrad eine Serbienniederlassung des österreichischen Senats der Wirtschaft gegründet. Der Senat
versteht sich als Plattform erfahrener Führungspersönlichkeiten aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft,
Medien und Kultur die "ohne monolithischen Lobbyismus" im Dialog mit Entscheidungsträgern die Wirtschaftsentwicklung
fördern will. Der Präsident des Senats der Wirtschaft Österreich der Ex-ÖVP Vizekanzler und
Leiter des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IdN) Erhard Busek sieht die neue Niederlassung als
"Businessbridge" zwischen Wirtschaftstreibenden in Österreich und Serbien.
Mit den Beitrittsverhandlungen sind die Wirtschaftsbeziehungen mit Serbien noch attraktiver geworden. "Die
EU-Perspektive ist ein Motivationsschub den es jetzt im Sinne einer europäischen Gemeinwohlorientierten Wirtschaft
zu nutzen gilt", erklärte Hans Harrer aus dem Vorstand des Österreichischen Senats anlässlich
der Neugründung.
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