Wie sollen Firmen am besten mit Home-Office und flexibler Arbeit umgehen? Die TU Wien untersucht,
wie der Kulturwandel zum selbstverantwortlichen Arbeiten am besten klappt.
Wien (universität) - Warum soll man eigentlich ins Büro fahren und dort vor dem Computer sitzen,
wenn man zu Hause auch einen Computer hat? Flexibles Arbeiten vom eigenen Wohnzimmer aus ist zwar nicht für
jeden Job das Richtige – aber in gewissen Branchen kann es sehr gut funktionieren. Entscheidend für den Erfolg
ist neben einer entsprechenden Organisations- und Führungskultur, das optimale Zusammenspiel aus Kontrolle
und Vertrauen. Ein Forschungsprojekt der TU Wien untersucht nun, wie das am besten klappt.
Mehr Selbstbestimmung, mehr Zeit, mehr Geld
Im optimalen Fall profitieren alle: „Wenn man selbst entscheiden kann, wann und wo man arbeitet, kann die Arbeitszufriedenheit
steigen. Außerdem spart man Zeit und Geld, wenn man nicht mehr pendeln muss“, sagt Martina Hartner-Tiefenthaler
vom Institut für Managementwissenschaften der TU Wien. „Für das Unternehmen wiederum besteht die Chance,
mit weniger Bürofläche auszukommen und Infrastrukturkosten zu sparen.“
Allerdings braucht Flexibilität gute Rahmenbedingungen und ein gewisses Maß an Koordination und Kontrolle
– und dafür gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, die an der TU Wien in Online-Umfragen und in ausführlichen
Interviews untersucht werden.
Flexibilität braucht Kontrolle
In einem Büro ist ständig zu sehen, wer gerade vor dem Bildschirm sitzt und arbeitet – diese Form von
Verhaltenskontrolle ergibt sich ganz automatisch. „In vielen Unternehmen herrscht die Kultur, dass jene, die viel
und lange anwesend sind auch als LeistungsträgerInnen betrachtet werden“,sagt Prof. Sabine Köszegi, Leiterin
des Instituts für Managementwissenschaften. Auch bei flexiblen Arbeitsformen kann eine solche Verhaltenskontrolle
eingesetzt werden, etwa durch das Speichern von Log-In-Daten oder den GPS-Koordinaten des Firmenhandys. „Solche
Maßnahmen haben allerdings einen schwerwiegenden Nebeneffekt: Sie beschädigen das Vertrauen zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, weiß Expertin Martina Hartner-Tiefenthaler aus ihren Untersuchungen. Wenn
sich Angestellte ausspioniert fühlen, können sie kein positives Verhältnis zu ihrer Firma aufbauen.
Eine andere Möglichkeit ist, ausschließlich die Leistung der MitarbeiterInnen zu bewerten: Es zählt
nicht, wie oft man „Gesichtswäsche“ bei der Chefin betreibt, sondern wie zuverlässig und gut man die
übertragenen Aufgaben löst. Das ist ein klares Signal des Vertrauens gegenüber den Angestellten,
klappt aber nur in Berufen, bei denen man Ergebnisse leicht messen, Ziele klar formulieren und die Arbeit sehr
selbstverantwortlich erledigen kann. Obwohl diese Form der Ergebniskontrolle offensichtlich viele Vorteile mit
sich bringt, haben Unternehmen Schwierigkeiten, sie in die Praxis umzusetzen. Es braucht dazu die richtigen Instrumente
und Führungskräfte, die bereit sind, Aufgaben wirklich zu delegieren.
Ganz anders funktioniert die sogenannte „normative Kontrolle“: Wenn Angestellte sich mit ihrem Unternehmen vollauf
identifizieren und die Ziele es Unternehmens internalisieren, braucht es keine Kontrolle von außen: die MitarbeiterInnen
handeln aus eigenem Antrieb heraus richtig, sie kontrollieren sich quasi selbst. „Diese Form von Kontrolle ist
in Professionen, die eine stark verankerte Berufskultur und -ethik haben, Gang und Gäbe. Wer gegen das tief
verankerte Berufsethos verstößt, wird von der Gruppe ausgeschlossen. Ein gutes Beispiel ist hier die
Wissenschaft selbst. Allerdings ist diese Form der Kontrolle auch am schwierigsten umzusetzen“, sagt Professorin
Köszegi. Hier ist eine starke Unternehmenskultur und das größte Maß an Vertrauen gefragt
– und zwar sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite.
Miteinander reden – auch über das Wetter
Ganz wichtig für den Aufbau von Vertrauen ist die Kommunikationskultur im Unternehmen. Persönliches Vertrauen
entsteht auch durch Gespräche abseits der Arbeitsthemen – durch eine freundliche Plauderei neben der Kaffeemaschine,
durch ein kurzes Gespräch im Aufzug. Das fällt beim Arbeiten von zu Hause aus natürlich weg. „Unsere
Untersuchungen zeigen aber, dass auch in flexibleren Arbeitsumgebungen Raum für diese Art von informeller
Kommunikation geschaffen werden kann“, sagt Martina Hartner-Tiefenthaler. Videokonferenzen können dabei helfen,
mit großem Erfolg wurden auch Chat-Tools eingesetzt: Sie eignen sich besonders gut für schnelle, informelle
Kontaktaufnahme.
Für tiefergehende Untersuchungen sucht das Institut für Managementwissenschaften der TU Wien derzeit
weitere Firmen, insbesondere solche, die einen Umstieg auf ein flexibleres Arbeitssystem planen. Mit Hilfe dieser
Ergebnisse soll es in Zukunft möglich sein, recht verlässlich vorherzusagen, welche Spielregeln man in
welcher Branche einhalten muss, damit Arbeitszeitflexibilisierung zur Erfolgsgeschichte wird.
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