IKG Wien-Präsident Deutsch: Jedes Buch hat seine Geschichte
Wien (pk) - Sie sei zufrieden, sagte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bei der Übergabe
von sechs Büchern an den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, im Lesesaal
der Parlamentsbibliothek. Zufrieden darüber, "dass nun die ersten Bücher nach über sieben Jahrzehnten
endlich wieder in die Hände kommen, denen sie von Rechts wegen zustehen". Die Bücher waren zur Zeit
der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft teils der Kultusgemeinde, teils jüdischen Vereinen entzogen und
in das von der NSDAP zum "Gauhaus" umfunktionierte Parlamentsgebäude verbracht worden. Da das Vorhandensein
von entzogenen Büchern auch in der Parlamentsbibliothek nicht ausgeschlossen werden konnte, beauftragte die
Parlamentsdirektion im Jahr 2009 ein Forscherteam unter der Leitung von Harald Wendelin mit einer Untersuchung
der Herkunft des Buchbestandes der Bibliothek (Erscheinungsdatum vor 1945, Erwerb nach dem 30.1.1933). Aufgrund
der Untersuchung von insgesamt 15.000 Büchern empfahl der Kunstrückgabebeirat unter dem Vorsitz von Clemens
Jabloner am 21. Juni 2013 die Rückgabe von 37 Bänden aus der Parlamentsbibliothek. Sechs dieser Bände
nahmen Präsident Oskar Deutsch und Vizepräsident Dezoni Dawaraschwili im Namen der IKG Wien heute zurück.
Die anderen Bücher bleiben bis zu ihrer Übergabe an die ErbInnen der ursprünglichen EigentümerInnen
in der treuhänderischen Obhut der Parlamentsbibliothek, wo sie in einem Magazin separat sorgfältig aufbewahrt
werden. Mit der Suche nach RechtsnachfolgerInnen hat Präsidentin Prammer den Nationalfonds der Republik Österreich
für Opfer des Nationalsozialismus beauftragt, der bereits Erbinnen und Erben kontaktiert hat. 1.429 Signaturen
aus dem "Gauhaus-Bestand" konnten die ForscherInnen keinen EigentümerInnen zuordnen. Diese "bedenklichen"
Bücher, bei denen NS-Entziehungen weder auszuschließen noch zu beweisen sind, bleiben im Bestand der
Parlamentsbibliothek, werden speziell gekennzeichnet und für den Fall aufbewahrt, dass sie sich in Zukunft
doch als entzogen erweisen sollten und sich berechtigte Erbinnen oder Erben finden.
Auch die Frage, was mit der nationalsozialistischen und NS-affinen Literatur geschehen soll, die im Rahmen der
Provenienzforschung in der Parlamentsbibliothek gefunden und bereits aus den Beständen genommen wurde, nehme
sie sehr ernst, sagte Prammer und kündigte diesbezüglich eine Studie der Universität Wien an.
Oskar Deutsch: Jedes Buch hat seine Geschichte
Er sei froh über diese Rückgabe, weil jedes Buch und jedes Bild seine Geschichte habe und es wichtig
sei, alles zurückzugeben, sagte IKG Wien-Präsident Deutsch und bedankte sich mit persönlichen Worten
bei Präsidentin Barbara Prammer für die Rückgabe der Bücher. "Für uns ist das keine
Selbstverständlichkeit, aber ich spüre, dass es für Sie eine Selbstverständlichkeit ist",
sagte Oskar Deutsch und dankte darüber hinaus all jenen, die mit ihrem Engagement die Voraussetzungen für
diese Restitution geschaffen haben.
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