Wien (belvedere) - Existenzielle Fragen zu Leben und Tod ziehen sich durch das gesamte Schaffen des Malers Albin
Egger-Lienz (1868-1926). Seine Kriegsbilder gelten heute als eindringliche Mahnmale gegen die Gräuel von Kampf
und Gewalt. Zudem haben ihn die Erlebnisse als Kriegsmaler an der Front deutlich geprägt. Vom 7. März
bis 9. Juni 2014 zeigt das Belvedere die Ausstellung Totentanz: Egger-Lienz und der Krieg in der Orangerie und
widmet damit diese Schau einem der bedeutendsten österreichischen Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Ausgehend vom Gemälde Der Totentanz von Anno Neun und anhand zahlreicher weiterer Arbeiten beleuchtet die
Ausstellung die künstlerische Entwicklung Egger-Lienz' und zeigt unterschiedliche Interpretationsstränge
sowie Bezüge auf.
Albin Egger-Lienz erhielt 1906 den Auftrag, für die Moderne Galerie - das heutige Belvedere - eine Episode
aus den Tiroler Befreiungskriegen zu malen. Pünktlich zum 60-jährigen Thronjubiläum Kaiser Franz
Josephs I. präsentierte er 1908 das Gemälde Der Totentanz von Anno Neun. "Noch konnte niemand ahnen,
dass es sich hierbei um eines der wichtigsten Werke dieses Künstlers handeln würde, das nicht nur seinen
künstlerischen Werdegang prägte, sondern sich auch zu einer der Ikonen des Ersten Weltkriegs entwickelte",
erläutert Agnes Husslein-Arco, Direktorin des Belvedere. Der Totentanz von Anno Neun ist nicht nur ein Hauptwerk
der österreichischen Kunstgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern spielt auch im OEuvre von Egger-Lienz
als künstlerischer Wende- und lebenslanger Bezugspunkt eine herausragende Rolle. "Mit diesem Werk entfernte
sich der Künstler von der traditionellen Historienmalerei und schuf ein allgemeines Sinnbild des Krieges",
so Agnes Husslein-Arco weiter. Dabei geht Egger-Lienz vom jahrhundertelang tradierten allegorischen Darstellungstypus
des Totentanzes aus - den er jedoch entscheidend verändert.
Das für das traditionelle Motiv des Totentanzes charakteristische Eingreifen des Todes in das Leben des Menschen,
egal welchen Alters und Standes, setzt Egger-Lienz im Gemälde Der Totentanz von Anno Neun außer Kraft.
Fünf ähnlich gestaltete Bauern ziehen von der Gestalt des Todes angeführt in den Krieg. "Diese
Verallgemeinerung des Themas und die damit verbundene radikale Formreduktion sollten für alle weiteren sogenannten
Kriegsbilder von Egger-Lienz wegweisend werden", führt die Kuratorin Helena Perena weiter aus, die ihre
Zeit als Curator in Residence am Belvedere nutzte, um dieses Ausstellungsprojekt gemeinsam mit Kokurator Stephan
Koja zu entwickeln. "Die religiösen Konnotationen im Werk Egger-Lienz' finden in der Gestaltung des Mittelraums
der Ausstellung ihren Niederschlag. Hier spielt die Ausstellungsarchitektur auf die Friedhofskapellen im alpinen
Raum an, die oft mit der Totentanz-Motivik ausgestattet wurden", kommentiert Stephan Koja.
Am Ort der ersten Präsentation des Totentanzes im Rahmen der Sammlung der Modernen Galerie - in der Orangerie
des Unteren Belvedere - nimmt die eindrucksvolle Schau dieses Schlüsselwerk zum Anlass, um Egger-Lienz' malerische
Entwicklung, seine Auseinandersetzung mit dem Krieg, aber auch die widersprüchliche Rezeptionsgeschichte seines
Totentanzes nachzuzeichnen. Erstmals wird das historische Quellenmaterial eingehend ausgewertet und damit gezeigt,
unter welchen Umständen der Auftrag an den Maler erging, in welchem motivischen Kontext Egger-Lienz seinen
Totentanz schuf und auf welche bildnerischen Traditionen des Historienbildes er zurückgreifen konnte.
Im Dialog mit anderen Schlüsselbildern der künstlerischen Bewältigung des Ersten Weltkriegs, beispielsweise
Ernst Barlachs Der Rächer, Alfred Kubins Der Krieg oder Käthe Kollwitz' Mütter, wird Egger-Lienz'
eigenständige künstlerische Position, die sich als zeitgemäß und gegen den Zeitgeschmack widerständig
zugleich entpuppt, besonders deutlich. Egger-Lienz erscheint so im internationalen Kontext als Künstler von
überregionaler Bedeutung - und keineswegs als isolierter Bergmaler lokaler Prägung. "Mit der Ausstellung
Totentanz: Egger-Lienz und der Krieg, soll 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs auf einer grundsätzlicheren
Ebene zum Nachdenken über diese europäische Urkatastrophe angeregt werden", erklärt Agnes Husslein-Arco.
Die Ausstellung ist mit freundlicher Unterstützung des Museums Schloss Bruck Lienz entstanden. Sie ist vom
7. März bis 9. Juni 2014 in der Orangerie im Unteren Belvedere und vom 15. Juni bis 26. Oktober 2014 in Lienz
zu sehen.
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