Wien (rk) - Der Vortragssaal im Wien Museum war am Abend des 13.03. bis zum letzten Platz gefüllt. Thema
war ein Vortrag "Glacis Wien - Bewegung im Wandel" vom Architektur- und Stadthistoriker Dr. Harald R.
Stühlinger von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. Der gebürtige Österreicher
studierte Architektur und Kunstgeschichte in Wien und Venedig. Derzeit unterstützt er das Wien Museum bei
den Vorbereitungen zur Ausstellung im nächsten Jahr anlässlich des Jubiläums "150 Jahre Ringstraße".
Das Glacis Wien in seiner ursprünglichen Form sei vor allem so schwer zu erfassen, weil es heute nicht mehr
existiert. Das Glacis-Beisl hinter dem MuseumsQuartier ist einer der letzten Orte, der auf dieses ehemalige Gebiet
hinweist. Das Glacis, das aus Allee-Straßen, Uferpromenaden, Kai- und Grünanlagen bestanden hat, war
ein unbebautes Stück Land, das einerseits von der Stadtmauer und andererseits von den ersten Gebäuden
der Vorstädte begrenzt war. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde aus hygienischen, militärischen und politischen
Beweggründen heraus die Stadtmauer abgerissen. Das Gebiet wurde ab 1858 in fünf Jahrzehnten bebaut: die
Wiener Ringstraße mit berühmten Prachtbauten, wie Parlament, Natur- und Kunsthistorisches Museum, Musikverein
und weitere Paläste und Wohn- und Geschäftsbauten, insgesamt rund 800 Bauwerke im Stil des Historismus.
Kein langweiliges Gesamtkunstwerk
Dr. Harald R. Stühlinger zeigte auf, dass diese Ringstraßenzone schon immer im Wandel war. Schon
nach kurzer Zeit wurde der ursprüngliche Grundplan von 1858, auf dem die vorgesehene Bebauung gründet,
abgeändert. Vom ursprünglichen Plan blieben lediglich der Verlauf der Ringstraße selbst, einige
Baublöcke sowie das vorweggenommene Hofburg-Forum übrig. Die erste Bebauung aus den 1960er Jahren wurde
schon teilweise am Beginn des 20. Jahrhunderts ersetzt, wie das Beispiel der Zentrale der heutigen Bank Austria
in der Schottengasse zeige.
Die größte Veränderung fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt. So wurde der Heinrichshof, erbaut
von Theophil Hansen, gegenüber der Staatsoper abgerissen und durch einen typischen Bau der Fünfziger
Jahre ersetzt. Aber auch in jüngerer Zeit wurden Gebäude in dieser Zone verändert.
Die Bauten der Wiener Ringstraßenzone sind ein einzigartiges Ensemble, dessen erster Plan aus einem Kompromiss
entstanden sei. Über Jahre hinweg wurde es verändert und blieb dennoch ein Markstein des Historismus
- mit Schrammen genauso wie mit Potenzialen. "Hätten wir es mit einem vollkommenen Kunstwerk zu tun,
wir würden uns wahrscheinlich nur damit langweilen", so Dr. Stühlinger.
Städtebauliche Spielwiese
Dipl.-Ing. Eckart Herrmann, Projektkoordinator des "Masterplan Glacis" und Mitarbeiter der Magistratsabteilung
Stadtteilplanung und Flächennutzung (MA 21), wies darauf hin, dass Wien rasant wachse, was zu vielseitigen
Herausforderungen führe: "Ausreichend Wohnbau zu schaffen, mit sozialer und technischer Infrastruktur
zu versehen sowie eine wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen und die anerkannte hohe Lebensqualität
zu bewahren."
Das Glacis sei ein Stadtraum, der eine "städtebauliche Spielwiese" einer aufblühenden Millionenstadt
war. Heute seien in diesem Gebiet politische, kulturelle Einrichtungen und touristische Veranstaltungen hoch konzentriert.
Das zeige wie wichtig dieser Stadtraum für die Identität Wiens noch immer sei. Künftig solle ein
"Masterplan Glacis" erarbeitet werden. Daran seien interne und externe ExpertInnen beteiligt. Ziel sei
ein Planungs- und Entwicklungskatalog für das bezeichnete Gebiet mit dem STEP 2025 als das übergeordnete
Regelwerk, aber auch vor dem Hintergrund des Weltkulturerbes.
Ginge es nach dem Direktor des Wien Museums, Dr. Wolfgang Kos würde der topografische Spezialbegriff Glacis
in den Stadtentwicklungsplan (STEP) 2025 aufgenommen werden. Der geplante Museumsbau am Karlsplatz könne laut
ExpertInnen das Weltkulturerbe stärken.
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