SYNEMA präsentiert auf der Diagonale 2014 – Festival des österreichischen Films,
Graz – mit dem historischen Spezialprogramm eine Hommage an den Schauspieler Peter Lorre
Graz (synema) - Er konnte furchteinflößend gruselig sein, ungemein komisch, konnte nur er selbst
sein und jede beliebige Maske überzeugend tragen. Peter Lorre spielte falsche Professoren und kleptomanische
Taschendiebe, ungarische Hochstapler und russische Geheimagenten, chinesische Schiffskapitäne und japanische
Detektive, sadistische Deutsche und französische Sträflinge, polnische Widerstandskämpfer und italienische
Nachtclubbesitzer. Egal, welcher Figur Lorre sein darstellerisches Können lieh, es sind seine Augen, die sich
einprägen. Dieser Blick mit halbgeschlossenen Lidern, der Melancholie ausdrücken kann oder Dämonie.
Peter Lorre, Schauspieler. Die hochgradig wandlungsfähigen Spiel-Arten des jungen Lorre – geboren am 26. Juni
1904 im mährisch-slowakischen Rószahegy, aufgewachsen in Wien – sind geprägt durch jene Erfahrungen,
die er an deutschsprachigen Bühnen in Breslau, Zürich, Berlin und eben vor allem Wien gesammelt hat,
denn von den Regisseuren wird ihm exzessive Körperarbeit abverlangt. Seine vollkommen stimmige Präsenz
bei jedem Auftritt kommt ihm zugute als er unbekanntes Terrain betritt: Lorre geht zum Film und gerät – nach
ein paar komischen Nebenrollen – gleich in die Hände eines Magiers. Fritz Lang macht aus ihm in M – Eine Stadt
sucht einen Mörder d e n Typ des Psychopathen schlechthin. Diese Rolle lässt Peter Lorre zeit seines
Lebens nicht mehr los und wird – bei allem Erfolg – auch zum Fluch.
Film und Theater. Das Changieren zwischen den Medien. Später kommen noch Fernsehen und Radio dazu. Lorres
Stimme – das Markenzeichen der geschlagenen, geschundenen Kreatur –, in der stets ein seltsamer Singsang mitschwingt.
Jenes Timbre hat in seiner schrecklich-schönen Sprachmusik die Schwermut und die Tragik des Exils mit eingeschrieben.
Der gefeierte Bühnen- und Filmstar muss 1933 Deutschland verlassen, sucht Zuflucht in der ehemaligen Heimat.
Österreich, das erste, noch nahe Exilland, wird nicht das einzige bleiben. Es folgen Frankreich, wo er für
G.W. Pabst in die Rolle eines Bettlers schlüpft, dann Großbritannien, wo Alfred Hitchcock schon auf
ihn wartet, und zuletzt die Vereinigten Staaten, wo er sich für Mad Love gleich mal den Kopf kahlscheren lässt.
Lorre versucht eine Metamorphose, will sich anpassen an das Filmbusiness in Hollywood. Für einige Zeit tut
er das mit großem Erfolg. Allein im Jahr 1941, in dem er auch amerikanischer Staatsbürger wird, dreht
Peter Lorre drei überragende Filme hintereinander: Robert Floreys The Face Behind the Mask, Frank Capras Arsenic
and Old Lace sowie John Hustons The Maltese Falcon. Dieser stilbildende Film noir legt den Grundstein zu Lorres
höchst erfolgreicher Karriere bei Warner Bros. und einer Reihe legendärer Filme, wie Background to Danger,
Passage to Marseille, The Conspirators, Three Strangers, The Verdict und natürlich Casablanca von Michael
Curtiz – der Kultfilm schlechthin, dessen Besetzungsliste sich wie ein „Who's who“ der Emigranten in Hollywood
liest.
Lorre bleibt unverwechselbar Lorre, auch wenn er nun gezwungen ist, ein anderes Idiom zu sprechen. Alles, was dieser
Körper und diese Stimme am Theater gelernt hat, fließt ein in die makabren, wahnsinnigen, exzentrischen
Rollen, die er im US-Film zu verkörpern hat. Doch die typischen „Akzentzrollen“ werden nach dem Krieg rasch
weniger, dafür wird das Morphium, dem Lorre zeitlebens zugeneigt ist, immer mehr zur kostspieligen Abhängigkeit.
1949 ist er bankrott, verlässt fluchtartig das Land, zieht mit Edgar Allan Poes „The Tell-Tale Heart“ durch
englische Provinztheater, geht anschließend nach Deutschland und tourt mit einer Lesereise durch die Amerika-Häuser
von München bis Hamburg. Der Verlorene kehrt heim.
Remigriert in ein Land, das ihn nicht haben wollte und das er in seinem Herzen nie wirklich verlassen hat. In seiner
einzigen Regiearbeit thematisiert Peter Lorre Schuld und Sühne eines Mörders unter Massenmördern.
Doch Deutschland missversteht die Parabel, will die Metapher nicht begreifen, das nackte Schau-Spiel nicht sehen.
Lorre scheitert. An dem, was er am meisten liebt. Darsteller zu sein, von Rollen, die das Leben schrieb.
Just am letzten Tag der heurigen Diagonale, dem 23. März, jährt sich der Todestag von Peter Lorre zum
fünfzigsten Mal und wir präsentieren als Hommage an diesen großartigen Schauspieler ein Programm,
wobei die zwei Meisterwerke M und Der Verlorene natürlich unausweichlich die Klammer bilden und Lorre grandios
beide Male als „Der Totmacher“ einem den Atem stocken lässt. Arsen und Spitzenhäubchen hingegen war uns
wichtig, um sich – in seiner Darstellung des unbeholfenen polizeibekannten Gesichtschirurgen Dr. Einstein – auch
die komische Variation seiner üblichen Mörder und Psychopathen zu vergegenwärtigen. Face Behind
the Mask von Robert Florey, einen von Lorres schönsten Filmen überhaupt, haben wir ausgesucht, weil er
darin das vielschichtige Porträt eines ungarischen Emigranten liefert, der voll Hoffnung im Herzen mit dem
Schiff in New York eintrifft – und diese Rolle wohl Lorres eigener Biografie am nächsten kommt. (Michael Omasta
/ Brigitte Mayr)
Programm 1
Mittwoch, 19.3., 16:00 Uhr – Rechbauerkino, Rechbauerstraße 6, 8010 Graz
M – Eine Stadt sucht einen Mörder (D 1931)
Regie Fritz Lang Buch Fritz Lang, Thea von Harbou nach einer Reportage von Egon Jacobson Kamera Fritz Arno Wagner
Schnitt Paul Falkenberg Darsteller/innen Peter Lorre, Gustaf Gründgens, Otto Wernicke, Paul Kemp, Theo Lingen,
Otto Waldis, Rosa Valetti, Leonard Steckel Produzent Seymour Nebenzahl Produktion Nero-Film - 35mm, s/w, 117 min,
dt. OF
Einführung zum Film: Michael Omasta
Programm 2
Donnerstag, 20.3., 16:00 Uhr - Rechbauerkino, Rechbauerstraße 6, 8010 Graz
The Face Behind the Mask (USA 1941)
Regie Robert Florey Buch Allen Vincent, Paul Jarrico nach einer Geschichte von Arthur Levinson und dem Hörspiel
Interim von Thomas Edward O’Connell Kamera Franz Planer Schnitt Charles Nelson Musik Morris W. Stoloff Darsteller/innen
Peter Lorre, Evelyn Keyes, Don Beddoe, George E. Stone, John Tyrrell Produzent Irving Briskin, Wallace MacDonald
Produktion Columbia Pictures - 35mm, s/w, 69 min, engl. OF
Einführung zum Film: Brigitte Mayr
Programm 3
Freitag, 21.3., 16:00 Uhr - Rechbauerkino, Rechbauerstraße 6, 8010 Graz
Arsenic and Old Lace (USA 1941/44)
Regie Frank Capra Buch Julius J. und Philip G. Epstein nach dem Stück von Joseph Kesselring Kamera Sol Polito
Special Effects Byron Haskin, Robert Burks Schnitt Daniel Mandell Musik Max Steiner Darsteller/innen Cary Grant,
Priscilla Lane, Raymond Massey, Peter Lorre, Jack Carson, Jane Adair, Josephine Hull, Edward Everett Horton, John
Alexander Produzent Frank Capra Produktion Warner Bros. – First National - 35mm, s/w, 118 min, engl. OF
Einführung zum Film: Elisabeth Streit
Programm 4
Samstag, 22.3., 16:00 Uhr - Rechbauerkino, Rechbauerstraße 6, 8010 Graz
Der Verlorene (D 1951)
Regie Peter Lorre Buch Peter Lorre, Axel Eggebrecht, Benno Vigny unter Mitarbeit von Helmut Käutner nach einer
Idee von Egon Jameson Kamera Václav Vich Schnitt Carl Otto Bartning Musik Willy Schmidt-Gentner Darsteller/innen
Peter Lorre, Karl John, Renate Mannhardt, Johanna Hofer, Gisela Trowe, Eva-Ingeborg Scholz Produzent Arnold Pressburger,
Fred Pressburger Produktion Arnold Pressburger Filmproduktion - 35 mm, s/w, 98 min, dt. OF
Vorfilm 49/95 tausendjahrekino (AT 1995)
Realisation Kurt Kren - 16mm (35mm Kinoeinsatz), Farbe, 2,5 Minuten
Einführung zum Film: Christian Cargnelli
Näheres zu den Filmen des Diagonale-SYNEMA-Specials HOMMAGE AN DEN SCHAUSPIELER PETER LORRE finden Sie unter
http://www.diagonale.at/filme-a-z/
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