Opposition sieht Änderungsbedarf bei Ausbildung und Arbeitszeit von MedizinerInnen
Wien (pk) - Medizinische Dienste zu verbessern – dieses prinzipielle Anliegen durchzog am 20.03, die Sitzung des
Gesundheitsausschusses. Ausgehend von der Regierungsvorlage zum EU-Patientenmobilitätsgesetz, das gestärkte
Patientenrechte, egal ob die Behandlung in Österreich oder im EU-Ausland erfolgt, mit sich bringt, umfasste
die Debatte zahlreiche Forderungen der Opposition. Den genannten Gesetzesentwurf zur Sicherung einer adäquaten
Gesundheitsversorgung im gesamten Unionsraum nahm der Ausschuss unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags
mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS mehrheitlich an. Die im Abänderungsantrag
enthaltene Neuregelung zum Psychologengesetz, die den Beruf der Gesundheitspsychologie deutlicher definiert, versuchten
die Grünen mit einem eigenen Antrag abzuwenden. Sie blieben damit aber in der Minderheit.
In ihren Anträgen, die auf der Tagesordnung standen, verlangten Grüne und FPÖ eine Begrenzung der
durchgehenden Arbeitszeit von SpitalsärztInnen auf maximal 25 Stunden. Sie wurden auf Grund der Thematik einstimmig
dem Sozialausschuss zugewiesen.
Der Vorstoß der Freiheitlichen zur Sanierung des Gesundheitswesens wurde von SPÖ, ÖVP, Grünen
und NEOS abgelehnt. Die Freiheitlichen forderten zudem ein Lehrpraxis-Ausbildungsmodell für JungmedizinerInnen;
der Antrag wurde jedoch vertagt.
Das Team Stronach wiederum drängte auf zeitgemäße Formulierungen im Gesundheitsrecht – längst
überholte Ausdrücke wie etwa "Siechenhäuser" seien zu streichen. Dieser Antrag wurde mit
SPÖ-ÖVP-Mehrheit vertagt. Außerdem ist der Fraktion eine Zusammenlegung der vielen Sozialversicherungsträger
Österreichs ein Anliegen, was jedoch SPÖ, ÖVP und Grüne mehrheitlich nicht unterstützten.
Ebenfalls auf der Agenda des Ausschusses standen die heurigen EU-Vorhaben im Gesundheitsbereich. Beachtung fanden
speziell die Pläne der Europäischen Kommission zur Preisfestsetzung für Humanarzneimittel im Zusammenhang
mit der Versorgungssicherheit. Der Bericht wurde mehrheitlich von SPÖ, ÖVP, Grünen und Team Stronach
zur Kenntnis genommen.
Gleichwertige medizinische Behandlungen für alle EU-BürgerInnen
Mit der Sammelnovelle "EU-Patientenmobilitätsgesetzes (EU-PMG)" ( 33 d.B.) will die Regierung Patientenrechte
bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung stärken. Im Rahmen einer Richtlinienumsetzung werden
mit der Vorlage u.a. die Regelungen über die Vorabgenehmigung bei Inanspruchnahme grenzüberschreitender
Behandlungen sowie die damit verbundene besondere Kostenerstattung ins innerstaatliche Recht übernommen. Gesundheitsminister
Stöger unterstrich, bedeutender Punkt im Gesetzesentwurf sei die Verpflichtung zur Gleichbehandlung in- und
ausländischer PatientInnen in Österreich. Als nationale Kontaktstelle für Informationen über
die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung habe man bereits die Gesundheit Österreich GmBH eingerichtet.
"Der Entwurf ist ein wichtiger Schritt in die Internationalisierung des Gesundheitswesens", gab Stöger
zu verstehen. Im EU-Ausland ausgestellte Rezepte sollen mit der Sammelnovelle leichter anerkannt werden, außerdem
sind neue Bestimmungen hinsichtlich Preisinformationen, dem Recht auf Kopien der Krankengeschichte und der Verpflichtung
zur Ausstellung einer Rechnung geplant. In den Gesundheitsberufsgesetzen erfolgt eine Konkretisierung der Informationspflichten
und, wo erforderlich, die Einführung einer verpflichtenden Berufshaftpflichtversicherung.
SPÖ und ÖVP beantragten zur Regierungsvorlage Änderungen in mehreren medizinischen Gesetzesmaterien.
Damit werden unter anderem die Beitragssätze zu den Krankenversicherungen berichtigt, es wird möglich,
die ärztliche Aufsicht über die Desinfektionsassistenz an diplomierte Pflegekräfte zu übertragen
und der Beruf des Gesundheitspsychologen wird klarer definiert. Bei letzterem Punkt wollten die Grünen die
Rechtssicherheit für Lebens- und SozialberaterInnen deutlicher herausgearbeitet und diese Berufsgruppe in
das Psychologengesetz übernommen wissen. Deren Beratungsmöglichkeiten, beanstandete Grünen-Gesundheitssprecherin
Eva Mückstein, schränke der im Psychologengesetz festgehaltene Berufsvorbehalt für GesundheitspsychologInnen
stark ein. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger erwiderte, niemals sei eine Beschränkung von Berufen
in der Gesundheitsberatung geplant gewesen. Die Änderung diene lediglich dem Schutz von GesundheitspsychologInnen
vor gerichtlicher Verfolgung und sei im Licht der Qualitätssteigerung psychologischer Dienste zu sehen.
Opposition will Arztberuf in Österreich attraktiver machen
Eine gesetzliche Begrenzung der Höchstarbeitszeit für SpitalsärztInnen auf 25 Stunden, darauf pochen
Grüne und FPÖ in ihren jeweiligen Anträgen ( 86/A[E]), ( 104/A[E]). Die Anträge wurden schließlich
dem Sozialausschuss zugewiesen. Eva Mückstein (G) sah ihre Forderung durch Studien bekräftigt, wonach
Ärztinnen und Ärzte, die länger als 24 Stunden im Dienst sind, unter anderem eine verlangsamte Reaktionszeit
aufweisen. Obwohl die EU bereits mit einer Klage deswegen drohe, seien laut Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz
noch immer bis zu 32 Stunden lange Dienste erlaubt, kritisierte Mückstein. An Wochenenden dürften die
MedizinerInnen sogar bis zu 49 Stunden am Stück arbeiten. Mit dem Verweis auf ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren
gegen Österreich argumentierte auch Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Gesundheitssprecherin der FPÖ. Besonders
TurnusärztInnen, mit ihren bis zu 70-Stunden-Wochen, litten unter den vielen Überstunden und Nachtdiensten.
Insgesamt klagten schon 40% der MedizinerInnen über zu hohe Arbeitsbelastung.
Die Freiheitliche Abgeordnete plädierte weiters für eine praxisorientiertere Ausbildung österreichischer
AllgemeinmedizinerInnen ( 103/A[E]), und zwar mittels einer garantierten Lehrpraxisausbildung. 12 Monate lang sollten
demnach JungmedizinerInnen von der öffentlichen Hand finanziert praktische Erfahrung in Ordinationen sammeln
können. Die Initiative wurde schließlich mehrheitlich vertagt.
Abgeordneter Rasinger (V) bestätigte, Ärztinnen und Ärzte hätten ein doppelt so hohes Burn-Out-Risiko
wie andere Berufsgruppen und die Überarbeitung führe leicht zu Fehlbehandlungen, die sowohl den MedizinerInnen
als auch den PatientInnen schaden würden. Zur Frage der Lehrpraxis-Ausbildung fügte er an, diese sei
schon geplant, jetzt gelte es, die konkrete Ausgestaltung, besonders bei der Finanzierung, zu diskutieren. Für
die NEOS hielt Gerald Loacker seine grundsätzliche Unterstützung für eine 25-Stunden-Beschränkung
der Arbeitszeit für Arztberufe fest. Doch wolle seine Fraktion die Thematik nicht losgelöst von der Einkommenssituation
von JungmedizinerInnen betrachten, da etwa Turnusärzte und -ärztinnen zu gering entlohnt seien. Ordinationen,
die junge Ärztinnen und Ärzte praxisnah ausbilden, führte Loacker weiter aus, müssten für
ihren Einsatz Anreize erhalten, nicht zuletzt ökonomisch betrachtet, um die Ausbildungen wirklich anbieten
zu können. Eva Mückstein (G) ortete das Problem vor allem in der jetzigen Turnusausbildung, die JungmedizinerInnen
oft mit Verwaltungsaufgaben überlade, anstatt ihnen ausreichend Zeit mit den PatientInnen zuzugestehen. Martina
Diesner-Wais (V) begründete die Vertagung des Antrags auf Lehrpraxis-Ausbildung schließlich mit einem
derzeit laufenden Pilotprojekt in Vorarlberg als Beginn einer diesbezüglichen Ausbildungsreform.
Unter dem Titel "Konzept Gesundheit" hat die FPÖ ein umfassendes Konzept für die Neugestaltung
des Gesundheitswesens vorgelegt ( 102/A[E]). Vom Ärztemangel am Land bis zur Überlastung der Spitäler
wollen Andreas Karlsböck und Dagmar Belakowitsch-Jenewein damit viele Probleme beheben. Der Forderungskatalog
beinhaltet unter anderem eine Kompetenzbereinigung im Gesundheitswesen und eine Bündelung der Finanzierungsagenden
beim Gesundheitsministerium. MedizinerInnen wollen die Freiheitlichen ermöglichen, Ärzte-GesmbHs ohne
bürokratische Hürden gründen zu können. Dieser Vorstoß blieb im Ausschuss jedoch in der
Minderheit.
Änderungswünsche von Gesetzesformulierung bis Sozialversicherung
Das Team Stronach sieht eine Neufassung des Gesetzes zur "Organisation der obersten Sanitätsbehörden"
hoch an der Zeit. Ausdrücke wie "Irrenanstalten, Aasplätze, Kretins oder Siechenheime", hätten
keinen Platz im 21. Jahrhundert. In einem Entschließungsantrag ( 167/A[E]) der Fraktion wird daher der Gesundheitsminister
in die Pflicht genommen, gemeinsam mit der fachlich zuständigen Innenministerin Formulierungen nach modernen
Standards auszuarbeiten. Das Anliegen wurde vertagt.
Darüber hinaus ist eine Zusammenlegung der insgesamt 19 Sozialversicherungsträger im Gesundheitsbereich
( 170/A[E]) erklärtes Ziel des Team Stronach. Um alle Verwaltungs- und Finanzierungsebenen unter einem Dach
zusammenzuführen, soll eine so genannte "Österreichische Gesundheitsversicherung (ÖGV)"
geschaffen werden, erläuterte deren Gesundheitssprecher Marcus Franz. Diese zentrale Versicherung habe als
medizinischer Teil eines einzigen Sozialversicherungsträgers die einheitliche Grundversorgung der Menschen
sicherzustellen, so der Vorschlag. Die ÖGV, die parteipolitisch unabhängig als nationaler Trust organisiert
werden soll, wäre für die Einhebung, Verwaltung und Verteilung der Mittel im gesamten Gesundheitswesen
zuständig und könne autonom handeln. Für Transparenz in der ÖGV-Mittelverwaltung sollen den
AntragstellerInnen zufolge Parlament und Rechnungshof als Kontrollinstanzen sorgen.
Es bedürfe angesichts des inhomogenen Versicherungssystems in Österreich einer Strukturänderung,
befand Franz, um Kostenklarheit zu schaffen und wirklich einen "best point of service für die PatientInnen
zu schaffen. Im Moment kämen Personen je nach Versicherung nämlich sehr unterschiedliche Versorgungsleistungen
zuteil. FPÖ und NEOS schlossen sich dem Appell für eine zentral gestaltete Sozialversichung an, den Grünen
war der "Wildwuchs an Versicherungen" ebenfalls ein Dorn im Auge. Judith Schwentner bemängelte am
Antrag des Team Stronach allerdings das Konzept eines Trusts, da hier die Menschen zur Kasse gebeten würden.
Klare Ablehnung zu dem Konzept einer einzigen zentralen Sozialversicherung kam von den Regierungsfraktionen. SPÖ-Gesundheitssprecher
Erwin Spindelberger warnte, damit würde der gleiche Zugang aller zu medizinischen Leistungen abgeschafft.
Er bekannte sich zur österreichischen Regelung mit 19 Sozialversicherungsträgern, deren ständige
Effizienzsteigerung ihre positive Bilanzierung belege. Kaum Einsparungen würde eine zentrale Anstalt bewirken,
bemerkte Erwin Rasinger (V), da auch sie regionale Verwaltungskörper benötige, um die Bedürfnisse
vor Ort abzudecken. Ein Blick ins Ausland zeige, dass Einheitsmodelle der Sozialversicherung letztlich teuer kämen,
gab Gesundheitsminister Stöger zu bedenken. Das im 19. Jahrhundert erstrittene System der österreichischen
Sozialversicherungsträger sei im Sinne gleicher Leistungen für die gesamte Bevölkerung zu wahren.
Der Antrag wurde schließlich abgelehnt.
Ausschuss wägt EU-Vorhaben im Gesundheitsbereich ab
Vorrangig mit EU-Plänen zur Preisfestsetzung von Humanarzneimitteln befassten sich die Ausschussmitglieder
auf Grundlage eines Berichts ( III-42 d.B.) über die heurigen EU-Vorhaben im Gesundheitsbereich. Bundesminister
Stöger betonte auf eine Frage von Eva Mückstein (G), homöopathische Produkte würden davon nicht
berührt. Österreichs Haltung zu den diesbezüglichen Kommissionsvorhaben sei aber kritisch, sagte
Stöger an Gerald Loacker (N) gerichtet, da Fristüberschreitungen in Zulassungsverfahren für Medikamente
nicht deren qualitative Prüfung gefährden dürften. Das würde nur den Pharmaunternehmen nützen,
aber nicht den KonsumentInnen. Der Vorschlag der Kommission zielt auf eine transparente Regelung der Preisfestsetzung
bei Humanarzneimitteln ab, die sich in den staatlichen Krankenversicherungssystemen wiederfinden sollte. Generell
sei die Wirksamkeit von Heilmethoden ausschlaggebend, replizierte der Minister auf eine Bemerkung Josef Riemers
(F), der sich für die Anerkennung alternativer Behandlungsmethoden stark machte.
Positiv zu sehen seien die geplanten Vereinfachungen bei Hygiene- und Tierarztvorschriften, fanden sowohl Abgeordneter
Johann Höfinger (V) als auch Gesundheitsminister Stöger. Unter Beachtung der geltenden Schutzniveaus
sei eine Verwaltungsvereinfachung bei derartigen Kontrollen, wie sie die EU plant, jedenfalls zu begrüßen.
|