Diskussion über Reformbedarf mit Vertretern aller Parlamentsfraktionen
Wien (pk) - Ist die derzeitige Presseförderung noch zeitgemäß? Mit dieser Frage beschäftigten
sich die Mediensprecher aller Parlamentsfraktionen, der Medienexperte Reinhard Christl sowie VRM-Präsident
Josef Gruber und RMA-Vorstand Stefan Lassnig unter der Moderation von ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger am
20.03. im Parlament. Diskutiert wurden Forderungen nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Presseförderung
und denkbaren Reformansätzen wie etwa die Mitberücksichtigung von Gratiszeitungen, die bei den Mediensprechern
auf keine prinzipielle Absage stieß. Einig waren sich die Fraktionen auch in der zentralen Rolle der Qualität
bei der Vergabe von Fördergeldern. Zur Diskussionsveranstaltung geladen hat Nationalratspräsidentin Barbara
Prammer gemeinsam mit dem Verband der Regionalmedien Österreichs (VRM).
Christl: Presseförderung gehört von Grund auf reformiert
In seiner Bewertung der österreichischen Presseförderung fand der Medienexperte eher scharfe Worte. So,
wie diese derzeit gestaltet sei, erfülle sie den Großteil ihrer Ziele nicht, sagte Christl und warf
ein, dass die Gelder für die Qualitätsförderung gerade in einer Situation, in der die Medien die
größte Krise der Nachkriegszeit erleben würden, zu niedrig angesetzt seien. Auch die Förderung
der regionalen Vielfalt berge die Gefahr, zur "Sterbebegleitung" für ehemalige Parteizeitungen zu
werden. Aufgrund der seiner Ansicht nach dramatischen Veränderung in der Medienlandschaft forderte Christl
eine grundlegende Reform und spürbare Erhöhung der Presseförderung, die zunehmende Konzentration
auf Qualität und das Bemühen um eine allgemeine Medienförderung. Denn "Zeitungen liefern die
Infrastruktur einer Demokratie", untermauerte Christl seinen Vorstoß.
Cap: Kein Geld für Erhöhung der Presseförderung
SPÖ-Mediensprecher Josef Cap schloss die Chance auf eine baldige Erhöhung der Presseförderung grundsätzlich
aus. Die Frage der Möglichkeiten sei damit determiniert, meinte er mit Hinweis auf die derzeitige Situation
im Budget. Ein Schwerpunkt in der Förderdiskussion müsse jedoch die Arbeitssituation der JournalistInnen
sein, die sich in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert habe, meinte Cap und sprach sich für eine Qualitätsförderung
in der Presse aus. Diese sollte nicht nur den Nachwuchs betreffen, sondern auch Fragen nach den Arbeitsbedingungen
für JournalistInnen berücksichtigen. Eine weitere Herausforderung in der Zukunft sei, wie der Printbereich
im Internet Geld verdienen kann, meinte Cap. In der Frage der Mitberücksichtigung von Gratiszeitungen wollte
sich Cap nicht festlegen und sagte, dass man Gratiszeitungen nicht von vornherein nachsagen könne, sie seien
nichts wert.
Blümel: Zukunftsfähig sind Kriterien, die für alle gültig sind
"Ja, die Medien verändern sich", sagte Gernot Blümel (V) und ortete einen wesentlichen Paradigmenwechsel
in dieser Branche. Beispielsweise durch Wikipedia habe eine Demokratisierung von Wissen stattgefunden, gab er zu
bedenken. Bei der Diskussion um die Zeitgemäßheit der österreichischen Presseförderung dürfe
man vor allem nicht den Online-Sektor und mit ihm qualitativ gehaltvollen Online-Journalismus oder Blogs vergessen,
räumte er ein und sah ein mögliches zukunftsfähiges Förderkonzept in allgemeingültigen
Kriterien.
Brosz: Intransparente Inseratenförderung muss enden
Kritik an der Ablehnung der Regierung, die Presseförderung zu erhöhen, äußerte Grünen-Mediensprecher
Dieter Brosz. "Es wären ganz andere Summen möglich", räumte er mit dem Vorwurf einer indirekten
Presseförderung durch Medieninserate der Bundesregierung ein. Ferner müsse Demokratie im Sinne der Medienvielfalt
etwas wert sein, mahnte er und sprach sich für ein transparentes Fördersystem aus. Es müsse zu einer
massiven und deutlichen Umstellung von einer intransparenten Inseratenförderung zu einer transparenten Medienförderung
kommen, so Brosz. Was das Thema Gratiszeitungen betrifft, könne man diese nicht vollkommen ausschließen,
da die Frage der Qualität einer Zeitung nicht mit ihren Kosten gekoppelt werden könne.
Alm: Ideal wäre Medienlandschaft, die ohne Presseförderung auskommt
"Gratis allein ist kein Kriterium, um von der Presseförderung ausgeschlossen zu werden", argumentierte
Nikolaus Alm von den NEOS, er stellte jedoch generell die Presseförderung in Frage. Es werde nicht gefördert,
um die Medien zu alimentierten, sagte Alm, sondern weil die Marktwirtschaft zur Zeit eine gewünschte Medienvielfalt
nicht leisten könne. Der Idealzustand sei demgemäß eine Medienlandschaft, die ohne die Vergabe
staatlicher Förderungen an die Presse auskomme. Bedenken hegte Alm auch gegenüber dem Kriterium der regionalen
Vielfalt, die er an sich nicht als förderwürdig erachtete. Auch, dass Qualitätskriterien vom Staat
beurteilt würden, sei nicht sinnvoll, meinte er. In Sachen Erhöhung der Presseförderung schlug Alm
vor, diese über die Werbeabgabe zu finanzieren.
Ertlschweiger: Presseförderung gehört neu überdacht
Auch für Rouven Ertlschweiger (T) war es nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung die Presseförderung
finanziell nicht aufstocken will. Beim Thema Bezahlmodelle für Zeitungen im Internet meinte Ertlschweiger,
dass es schwierig sei, diese erst im Nachhinein einzuführen. An sich gehöre die Presseförderung
neu überdacht, Gratiszeitungen könne man in den nächsten Jahren davon aber nicht per se ausschließen,
meinte er. Der Team-Stronach Mediensprecher strich auch die für ihn wichtige Rolle der regionalen Vielfalt
heraus, denn die KonsumentInnen griffen zu Titeln, die für sie persönlich von Nutzen seien.
Vilimsky: System der Presseförderung antiquiert und ungerecht
Eine klare Absage erteilte FPÖ-Mediensprecher Harald Vilimsky der derzeitigen österreichischen Presseförderung.
Diese sei antiquiert und ungerecht, sagte er und plädierte für eine grundlegende Reform. Auch Gratiszeitungen
sollten unter bestimmten Voraussetzungen mitberücksichtigt werden, warf Vilimsky ein und regte an, strukturelle
Fördermaßnahmen zu implementieren. Unverständlich sei nämlich, dass Informationen in Österreich
nicht mehrwertsteuerfrei seien, so Vilimsky. Die Pluralität der Medien sei momentan in Österreich kaum
gegeben, meinte er und verknüpfte dies mit dem Vorwurf, dass Fördergelder stets an dieselben Medien gehen
würden.
VRM: Auch Gratiszeitungen müssen gefördert werden
Der Präsident des Verbands der Regionalmedien Österreichs Josef Gruber berichtete über die Bedeutung
von Regionalzeitungen für die österreichische Medienlandschaft. Der Verband umfasse rund 200 Titel, mit
denen man zum regionalen Nahversorger geworden sei. "Es ist wichtig, dass das, was vor den Haustüren
passiert, auch berichtet wird", meinte Gruber und plädierte so wie Stefan Lassnig für eine Förderung
von Gratiszeitungen. Wenn die Förderung von Beiträgen im Internet Thema sei, gehöre auch die Gratisförderung
dazu, argumentierte Gruber. Lassnig verwies hier auf konkrete Vorschläge von Seiten des Verbandes der Regionalmedien
Österreichs, wobei es im Wesentlichen um ein medienübergreifendes Fördersystem gehe. "Diese
Eingangsschranke muss beseitigt werden", sagte Lassnig, dann stelle man sich auch einer Qualitätsdiskussion.
Presseförderung in Österreich
Die Presseförderung gibt es in Österreich seit 1975. Neben der Medienvielfalt hat sie eine Vertriebsförderung
für Tages- und Wochenzeitungen, eine Förderung zur Erhaltung der regionalen Vielfalt der Tageszeitungen
sowie die Qualität und Zukunftssicherung von Printmedien zum Zweck. Novelliert wurde das Presseförderungsgesetz
zuletzt 2004. Neu war damit etwa die Möglichkeit auf Kostenzuschüsse für angestellte Auslandskorrespondenten
oder die Ausbildung für NachwuchsjournalistInnen. Außerdem obliegt die Zuteilung der Fördermittel
seitdem der Kommunikationsbehörde KommAustria.
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