Der Westen sollte die iranische Politik besser analysieren
Wien (pk) - Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif, der derzeit Verhandlungen über
das iranische Atomprogramm in Wien führt, traf am 19.03. im Parlament mit Mitgliedern des Außenpolitischen
Ausschusses zu einem Gedankenaustausch unter der Leitung von Ausschussobmann Josef Cap zusammen, der in Übereinstimmung
mit seinem Gast an die langjährigen Beziehungen zwischen den beiden Ländern erinnerte.
Die für Österreich und den Iran nützlichen Kontakte haben sich seit der Wahl Hassan Rohanis zum
Staatspräsidenten des Iran erfreulicherweise intensiviert, sagte Außenminister Mohammad Javad Zarif
einleitend und berichtete seinen Gastgebern ausführlich über die neue politische Atmosphäre im Iran.
Bedauerlicherweise werde die politische Lage im Iran im Westen vielfach nicht richtig analysiert. So sei es unrichtig
und gefährlich zu meinen, das iranische Volk habe die neue Regierung nur gewählt, um die wirtschaftlichen
Sanktionen zu beenden. Dem iranischen Volk gehe es vielmehr um internationalen Respekt. Dieser Respekt für
das iranische Volk sei die Voraussetzung guter Gespräche über die Nuklearfrage und über Fragen der
Menschenrechte im Iran. Das iranische Nuklearprogramm diene nicht der Herstellung von Nuklearwaffen, hielt Außenminister
Zarif fest. Der Iran verfolge mit seinem Atomprogramm keine militärischen Absichten. "Wir brauchen keine
Atomwaffen, wir sind unbestritten die erste Macht am Golf und stellen für unsere Nachbarn keine Gefahr dar".
Ein nuklearer Wettbewerb am Golf liege nicht im Interesse des Iran. Er sei zuversichtlich, den Atomstreit durch
gute Verhandlungsergebnisse bis zum kommenden Juli lösen zu können, "weil der Iran nicht nach Atomwaffen
strebt und der Westen erkannt hat, dass er mit Sanktionen und Drohungen nichts erreichen kann", formulierte
Außenminister Zarif.
Die Lage der Menschenrechte im Iran sei zu verbessern, räumte Zarif ein und berichtete von der Absicht der
iranischen Regierung, Verbesserungen zu erreichen. Da die Lage der Menschenrechte aber nicht nur im Iran verbesserungsbedürftig
sei, sah es Außenminister Zarif als ein Problem an, wenn Menschenrechtsverletzungen zwar im Iran, nicht aber
auch in anderen Ländern angesprochen werden. "Das beleidigt den Iran", sagte Zarif und berichtete
darüber, dass fast 60% der Studenten und Hochschulabsolventen im Iran Frauen sind und die Regierungen in seinem
Land seit 35 Jahren in Wahlen ermittelt werden, deren fairen Charakter jeweils auch die unterlegenen Kandidaten
bestätigten. Zarif sah die Möglichkeit, einen toleranteren Umgang miteinander zu finden, wenn der Westen
den Iran mit Respekt behandle. "Dann steht uns eine gute Zukunft bevor", zeigte sich der iranische Außenminister
zuversichtlich. Die größte Gefahr für die Region sei der überall – außer im Iran – zunehmende
politische Extremismus.
Abgeordneter Josef Cap (S) registrierte die Erwartung des Irans, eine endgültige Lösung zur Beilegung
des Atomstreits zu finden und ein Ende der Wirtschaftssanktionen sowie einen Wirtschaftsaufschwung zu erreichen.
Cap sah aber auch unterschiedliche Auffassungen über das Staatsverständnis, betonte sein Eintreten gegen
Atomwaffen und für eine atomwaffenfreie Zone und mahnte globale Standards der Demokratie und der Menschenrechte
ein.
Abgeordneter Werner Amon (V) bedankte sich für die Darstellung der neuen Entwicklung im Iran, die er positiv
beurteilte und meinte, Sanktionen verfehlten mitunter die damit beabsichtigten Wirkungen. Er begrüßte
den Stufenplan zur Normalisierung der internationalen Beziehungen mit dem Iran und hielt es für eine Verpflichtung
der Staatengemeinschaft, den Reformprozess zu unterstützen. Auch die stufenweisen Veränderungen beim
Thema Menschenrechte im Iran begrüßte Amon.
Abgeordnete Alev Korun (G) sprach sich für eine friedliche Lösung im Atomstreit aus, schätzte die
wirtschaftlichen Erwartungen des iranischen Volkes aber anders als ein als Außenminister Zarif. Korun wandte
sich gegen die Atomenergie und kritisierte die schweren Menschenrechtsverletzungen im Iran, insbesondere gegenüber
RegimegegnerInnen, JournalistInnen, MenschenrechtsaktivistInnen und Homosexuellen sowie Folter und Vergewaltigungen.
Enttäuscht zeigte sich Korun über die Zunahme der Zahl von Hinrichtungen im Iran. Interessiert zeigte
sich Korun – wie auch SPÖ-Abgeordnete Christine Muttonen - an der Meinung des iranischen Außenministers
über Friedenschancen in Syrien.
Abgeordnete Barbara Rosenkranz (F) zeigte Verständnis für das Streben des iranischen Volkes nach Würde
und Selbstwertgefühl und hielt es für falsch, die Lage im Iran ausschließlich nach wirtschaftlichen
Interessen zu beurteilen. Die neue iranische Regierung zeige einen defensiven und zurückhaltenden Charakter
und brauche politischen Erfolg, um bei den Parlamentswahlen in zwei Jahren reüssieren zu können, führte
Rosenkranz aus.
Abgeordneter Franz-Josef Huainigg brachte die Menschenrechte Behinderter zur Sprache und das Recht aller Kinder
auf Bildung. Huainigg appellierte an den iranischen Außenminister, den 2006 mit der EU abgebrochenen Menschenrechtsdialog
wieder aufzunehmen. Zarif teilte dazu mit, dass die Unterstützung behinderter Menschen im Iran große
politische Bedeutung habe.
Außenminister Mohammad Javad Zarif bedauerte, dass die Frage der Atomenergie nicht auch unter dem Aspekt
der Umwelt diskutiert werde und erinnerte daran, dass der Iran noch in den siebziger Jahren aufgefordert worden,
Atomkraftwerke zu bauen und den wertvollen Rohstoff Öl für die chemische Produktion zu schonen. Menschenrechte
sind internationale Fragen, räumte Zarif ein, merkte aber an, dass sie oft unter politischen Voraussetzungen
diskutiert würden. Allzu oft werde zwar über die Menschenrechtssituation im Iran gesprochen, Menschenrechtsverletzungen
anderswo aber nicht diskutiert. Er sei für die Wiederaufnahme des Menschenrechtsdialogs mit der EU, derzeit
könne das iranische Volk Beleidigungen bei diesem Thema aber nicht akzeptieren. Dem Iran sei es trotz entsprechender
Vereinbarungen immer noch nicht möglich, dringend benötigte Medikamente für Krebspatienten zu importieren.
"Auch das ist eine Frage der Menschenrechte", sagte Zarif. 90% der Hinrichtungen im Iran stehen im Zusammenhang
mit Drogendelikten, informierte der iranische Außenminister und erinnerte daran, dass sein Land im Kampf
gegen Drogenhändler 4000 Todesopfer zu beklagen habe. Im Iran werde niemand wegen seiner politischen Meinung
oder wegen politischer Aktivitäten hingerichtet, hielt Zarif fest und bekannte sich zu den Bemühungen
der iranischen Regierung, die Zahl der Hinrichtungen zu reduzieren.
Der Extremismus in der Region nehme zu, berichtete Zarif und sprach sich hinsichtlich des Bürgerkriegs in
Syrien für eine nationale Einheitsregierung sowie für eine neue Verfassung aus, die die Macht des Staatspräsidenten
durch Gewaltenteilung beschränke und sprachlichen sowie ethnischen Gruppen Mitsprache einräume. "Man
soll das syrische Volk in freien Wahlen über seine Zukunft entscheiden lassen", schlug der iranische
Außenminister vor.
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