EU-Unterausschuss erörtert Arbeits- und Sozialpolitik im Binnenmarkt
Wien (pk) - "Österreich hat an der Zuwanderung verdient", sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer
im EU-Unterausschuss des Nationalrats am 18.03. Gemeinsam mit der heimischen Sozialpartnerschaft seien die richtigen
Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping ergriffen worden, wodurch auch Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland
unter fairen Bedingungen hier ihre Abgaben leisten. Hundstorfer reagierte damit speziell auf Befürchtungen
der FPÖ, Pläne der EU-Kommission zur Ausweitung der unionsweiten Arbeitsplatzvermittlung würden
im Land einen Verdrängungswettbewerb um Arbeitsplätze auslösen.
Die übrigen Fraktionen im Ausschuss hießen die Arbeitsmigration im Binnenmarkt generell gut, wobei der
SPÖ das "Best- statt Billigstbieterprinzip" bei europaweiten Ausschreibungen ein Anliegen war. ÖVP,
Grüne und NEOS bekannten sich klar zur gesteigerten Mobilität der UnionsbürgerInnen im Sinne des
vereinten Europas. Das Team Stronach erhoffte mehr Anreize für hochqualifizierte Arbeitsplätze in Österreich,
schon um den Wettbewerb zu fördern. Ein FPÖ-Antrag auf Stellungnahme für eine Renationalisierung
der Arbeitsmarktpolitik blieb dementsprechend in der Minderheit.
EU-Plan zur Arbeitskräfte-Mobilität auf dem Prüfstand
Ausgangsbasis für die sozialpolitische Debatte war neben einem Ratsbeschluss über die Ernennung neuer
Mitglieder für den Ausschuss des Europäischen Sozialfonds ein Kommissionsvorschlag zur Steigerung der
Beschäftigungsmobilität in der EU. Mit ihrem Verordnungsentwurf will die Europäische Kommission
UnionsbürgerInnen den Zugang zu offenen Arbeitsplätzen im EU-Ausland erleichtern und ihnen die Berufstätigkeit
außerhalb der Heimat schmackhaft machen. Die EU-weite Stellenvermittlung soll mit einer Modernisierung des
Europäischen Netzes für öffentliche Arbeitsverwaltung (EURES), das derzeit über 900 BeraterInnen
beschäftigt, verbessert werden.
Er habe bei der letzten Ratssitzung der SozialministerInnen den derzeitigen Entwurf für die EURES-Ausweitung
abgelehnt, informierte Minister Hundstorfer den Ausschuss. Das Vorhaben umfasse nämlich neu zu schaffende
Nationale Koordinierungsbüros, die unter anderem Daten über den Bedarf an Arbeitskräften bzw. den
Mangel an Arbeitsplätzen im jeweiligen Mitgliedsland zu liefern hätten. Der Nutzen des damit verbundenen
Kostenaufwands sei zu hinterfragen, da EURES vor allem von AkademikerInnen, aber nicht von anderen Arbeitssuchenden
in der EU genutzt werde. Sprachbarrieren sieht der Sozialminister als zusätzliches Hindernis, in Österreich
einen Beruf aufzunehmen. NEOS-Mandatar Gerald Loacker befand folglich, die Förderung der Sprachenkompetenz
in der Bevölkerung sei eine viel sinnvollere Methode, Mobilität zu forcieren als die Schaffung "bürokratischer
Konstrukte", wie sie die Kommission in ihrem Verordnungsvorschlag skizziere.
Neben der Erhebung von Daten über Arbeitskräftemangel- und überschuss im Land sowie über die
EURES-Aktivitäten auf nationaler Ebene fiele die Unterstützung von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen
und die Vorbereitung von Schulungen in den Aufgabenbereich der Nationalen Koordinierungsbüros. Die personellen
und finanziellen Ressourcen zur Erbringung der Aufgaben hätten die Büros jährlich in Arbeitsprogrammen
festzulegen. Der Kommissions-Entwurf schlägt weiters vor, das Webportal von EURES auszuweiten und mit Angeboten
privater Arbeitsvermittler – sogenannter EURES-Partner - anzureichern. Die Zulassung der Teilnahme dieser Privatfirmen
möchte die Kommission mit delegierten Rechtsakten regeln. Der Abgleich von freien Stellen und Lebensläufen
am EURES-Portal sollte zukünftig automatisch erfolgen, zudem sind über das Netz Hilfestellung für
BewerberInnen und ArbeitgeberInnen bei Rekrutierung und Integration außerhalb des Heimatlandes geplant. Grundlageninformationen
zum EU-Arbeitsmarkt will die Kommission mit EURES ebenfalls bereitstellen, um faire Bedingungen, also die Einhaltung
von Arbeitsrecht und –normen innerhalb der EU, zu gewährleisten.
Vor einer Zentralisierung der europäischen Sozialpolitik auf Kosten Österreichs warnten die Freiheitlichen
Johannes Hübner, Reinhard Eugen Bösch und Harald Vilimsky im Falle einer Neugestaltung von EURES. Hübner
brachte deswegen einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem vom Sozialminister verlangt wird, für eine Auflösung
des Netzwerks einzutreten. Es gelte, die österreichische Arbeitsmarktsouveränität wieder herzustellen,
finden die Antragsteller. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und eines Einkommensgefälles zwischen EU-Staaten,
mahnte Vilimsky, dürfe der Arbeitsmarkt nicht noch weiter geöffnet werden. Bösch machte sich überdies
für eine "selektive Arbeitsmarktpolitik" stark, um einen Verdrängungswettbewerb zu verhindern.
"Horrorszenarien" male die FPÖ da an die Wand, replizierte Judith Schwentner (G). Bei EURES gehe
es um reine Arbeitsvermittlungs-Dienste, Österreich werde dadurch nicht automatisch von ausländischen
Arbeitskräften überrollt. "Ein Ja zu Europa bedeutet, die EURES-Erneuerung zu unterstützen",
sagte sie, gewährleistet werden müssten dabei die nötigen Qualitätsstandards. Qualitätssicherung
wertete auch Rouven Ertlschweiger (T) als essentiell, außerdem sei bei dem unionsweiten Jobservice ein effizienter
Mitteleinsatz sicherzustellen. Generell rege aber mehr Mobilität am Arbeitsmarkt den Wettbewerb an, lobte
er.
Die "Grundgedanken der europäischen Integration" rief Werner Amon (V) in Erinnerung und nannte die
Niederlassungsfreiheit und den freien Personenverkehr. Natürlich gebe es Probleme wie mögliches Lohndumping,
aber Protektionismus sei keine Antwort darauf. Das habe die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre gezeigt, als versucht
wurde, mittels Abschirmung der Nationalstaaten die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die positive Entwicklung
der Arbeitsmarktöffnung hob Josef Muchitsch (S) genauso hervor, solange in- wie ausländische Arbeitskräfte
mit gleichwertigen Löhnen und Lohnnebenkosten tätig sind. Gegen "dubiose" Firmen bzw. Arbeitsplatzvermittler,
die Personen zu existenzgefährdenden Billigstlöhnen arbeiten lassen, gehe die Regierung drastisch vor,
beispielsweise mit höheren Strafen für Lohndumping oder der Baustellendatenbank. Wichtig war dem SPÖ-Abgeordneten
in diesem Zusammenhang, in der geplanten EU-Vergaberichtlinie das Prinzip des "Best- statt Billigst-Anbieters"
umgesetzt zu wissen.
Hintergrund der aktuellen EURES-Initiative ist die immer noch relativ geringe Mobilität von Arbeitskräften
in der Union, trotz steigender Arbeitslosenzahlen in einigen Ländern und vielen offenen Stellen in anderen
Mitgliedsstaaten, wie die Kommission schreibt. Sie verweist auf die niedrige Mobilitätsrate der EU im Vergleich
zu Australien und den USA. Hauptprobleme, die Menschen vom Arbeiten im EU-Ausland abhalten, seien mangelnde Sprachkenntnisse
und Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, heißt es in der Begründung des Legislativvorschlags. Daher
solle mit EURES Abhilfe geschaffen werden, zumal die Zahl der auf dem Portal registrierten Arbeitssuchenden stetig
steige. Der Europäische Rat beschloss bereits 2012, das EURES-Netz schrittweise auf Lehrstellen und Praktika
auszudehnen.
Die heimische Arbeitsmarktpolitik setze in Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern auf einen regulierten Zugang zum
heimischen Arbeitsmarkt, so Sozialminister Hundstorfer, um nach österreichischen Standards die Beschäftigungsmobilität
der EU zu nutzen. Die österreichische Mangelberufsliste zeige, dass das Land weiterhin gerade qualifizierte
Personen benötige. Damit bestätigte er die Anmerkungen der Abgeordneten Wolfgang Knes, Katharina Kucharowits
(beide S) und Angelika Winzig (V), die auf den Gewinn Österreichs durch die Arbeitsmigration und den Bedarf
der Wirtschaft an ausländischen Fachkräften hinwiesen.
Europäischer Sozialfonds: Mitteleinsatz im Dienst der Beschäftigung
Zum Europäischen Sozialfonds erläuterte Minister Hundstorfer, Österreich stehe in der kommenden
Periode ein Betrag von € 440 Mio. für Arbeitsmarktprogramme zur Verfügung. Man werde damit besonderes
Augenmerkt auf Initiativen für Jugendliche, Menschen mit Behinderung und die Generation 50+ richten, erfuhren
Elisabeth Grossmann (S), Reinhard Eugen Bösch (F) und Franz Leopold Eßl (V). Den "Sozialtourismus",
von Bösch aufgeworfen, stellte der Bundesminister in Abrede. Auf Grundlage des österreichischen Aufenthaltsrechts
überprüften die heimischen Behörden ständig die Einhaltung heimischer Kriterien für Aufenthaltstitel
und den Bezug von Sozialleistungen, unterstrich Hundstorfer. Dem Ruf der Freiheitlichen nach einem Mindestlohn
für österreichische Niedrigstverdienende erwiderte der Minister, die heimische Kollektivvertrags-Praxis
sei bewährt und decke bereits 95 Prozent der Beschäftigten ab. "40 Prozent der ausländischen
Arbeitnehmer in Österreich haben einen akademischen Abschluss", erinnerte er darüber hinaus, niedrigqualifizierte
Jobsuchende kämen kaum mehr nach Österreich.
Der Europäische Sozialfonds (ESF) wurde 1957 zur Unterstützung eines funktionierenden Arbeitsmarktes
im Unionsraum gegründet. Seine zentralen Aufgaben sind die Förderung von Initiativen zur Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit und der Einsatz für ein erweitertes Ausbildungsangebot. Der Ausschuss des Fonds steht
der Kommission bei der Verwaltung des ESF zur Seite. Alle EU-Mitgliedsländer entsenden je eine/n Vertreter/in
der Regierung, der Arbeitnehmervertretung und der Arbeitgebervertretung sowie entsprechende StellvertreterInnen
in den ESF-Ausschuss.
Es seien also nationale Organe, die über den Einsatz der Mittel aus dem Fonds zu entscheiden hätten,
verdeutlichte Hundstorfer. In der vergangenen Periode habe Österreich zwar eine höhere Summe, € 528 Mio.,
aus dem Topf erhalten – "und vollständig genutzt", um diverse Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramme
umzusetzen. Doch könne die Republik angesichts ihrer EU-weit niedrigsten Arbeitslosenrate und ihres Wirtschaftswachstums
jetzt nicht mehr Geld erwarten; der EU-Beitritt Kroatiens müsse hier ebenso mitbedacht werden, hielt der Sozialminister
fest.
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