MAK-Ausstellung konfrontiert die traditionsreiche MAK-Sammlung mit der zeitgenössischen
Designavantgarde
Wien (mak) - Eine inspirierende Konfrontation der traditionsreichen MAK-Sammlung mit der zeitgenössischen
Designavantgarde wagt die Ausstellung "VORBILDER. 150 Jahre MAK: Vom Kunstgewerbe zum Design", eines
der zentralen Projekte anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des MAK. Die Ursprungsidee zur Entwicklung einer
vorbildhaften Mustersammlung für innovatives Kunstgewerbe und die gegenseitige Befruchtung von Tradition und
Gegenwart bestimmen die wechselvolle MAK-Geschichte. Anknüpfend an diese einzigartige Ausrichtung lassen sich
neun international renommierte DesigndenkerInnen in "VORBILDER" auf das Experiment ein, die Bedeutung
der MAK-Sammlung als Inspirationsquelle und Verhandlungsort für eine auf die Zukunft ausgerichtete Gestaltung
des Alltags zu erforschen.
In einem raschen Perspektivenwechsel zwischen wesentlichen Momenten der MAK-Geschichte und zukünftigen, für
das Museum richtungsweisenden Designthemen des 21. Jahrhunderts skizziert "VORBILDER" die Entwicklung
des MAK von einer Förder- und Bildungseinrichtung für das österreichische Kunstgewerbe zu einem
der international führenden Kompetenzzentren und Schauplätze für angewandte Kunst, Design, Architektur
und Gegenwartskunst. Die AusstellungskuratorInnen Tulga Beyerle, Direktorin des Kunstgewerbemuseums in Dresden,
und Thomas Geisler, Kustode MAK-Sammlung Design, beide Mitbegründer der Vienna Design Week, wählten einerseits
beispielhafte Persönlichkeiten aus, die die 150-jährige Museumsgeschichte maßgeblich mitgestalteten,
und andererseits Vorreiter für visionäre Designansätze, die sie miteinander in Beziehung setzten.
Die neun zeitgenössischen DesignexpertInnen loten in Dialogen, filmisch für die Ausstellung dokumentiert,
mit einer stimulierenden Person ihrer Wahl die Zukunft der angewandten Kunst sowie die Perspektiven ihr verschriebener
Museen aus. Parallel dazu skizzieren sie anhand exemplarisch ausgewählter Design-Exponate mögliche zukünftige
Themenfelder und Erweiterungen der einzigartigen MAK-Sammlung mit Weltruf.
So trifft etwa das DesignerInnenduo Dunne & Raby - Fiona Raby, u. a. Professorin für Industrial Design
an der Universität für angewandte Kunst Wien, und Tony Dunne -, das die Fachrichtung Design Interaction
am Londoner Royal Collage of Art und darüber hinaus etablierte und einen spekulativen Designansatz verfolgt,
auf den britischen Production Designer Alex McDowell (u. a. "Minority Report", 2002), mit dem es den
Einfluss von Science- und Social-Fiction-Literatur auf die materielle Kultur des Alltags diskutiert.
Ähnlich debattiert Jan Boelen, Gründer und Direktor des Kunstzentrums Z33 - house for contemporary art
im belgischen Hasselt und Leiter des Social Design Department an der Design Academy Eindhoven, mit dem Kunst-,
Design- und Architekturkritiker sowie ehemaligen Domus-Editor Joseph Grima über neu gestaltete Systeme jenseits
der industriellen Gesellschaft und ihre Produktionsweisen.
Der Designer Konstantin Grcic spricht mit dem Autor und Wissenschaftsjournalisten Hubert Filser (u. a. Süddeutsche
Zeitung), einem studierten Physiker, über das Aussterben des Möbeldesigns und verweist auf die vorbildhafte
Haltung von Kollegen, wie Maarten van Severen, Philippe Starck und Jasper Morrison sowie für ihn beispielgebende
Designunternehmen wie Muji, Magis und Mattiazzi.
Über die inspirierende Kraft von Ikonen in 2D und 3D, wie eines persischen Koran, japanischer Plakatgrafiken
oder des Autoklassikers Jaguar E-Type, und deren Bedeutung in einer Sammlung von Vorbildern unterhalten sich der
in New York lebende österreichische Grafikdesigner Stefan Sagmeister und die Fotokünstlerin Elfie Semotan,
die vor und hinter der Kamera die Modewelt geprägt hat.
Die Designforscherin und Leiterin des Design Research Lab der Berliner Universität der Künste, Gesche
Joost, die auch dem Beraterstab des ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück angehörte, trifft
auf den deutschen Soziologen und Zukunftsforscher Harald Welzer und erörtert beispielhaft die sich abzeichnenden
Veränderungen in der Arbeitswelt: Unter dem Einfluss neuer Technologien wie des 3D-Printings und einer auf
Autonomie ausgelegten Maker-Bewegung entstehen neue Rollenverständnisse.
Neue Technologien sind auch Thema bei Sabine Seymour. Als Fashion Technologist arbeitet sie an der Schnittstelle
von akademischer, kultureller und wirtschaftlicher Forschung und Entwicklung, u. a. an der Parsons The New School
for Design, New York, für das Eyebeam Art+Technology Center, New York und "MAK FASHION Lab" sowie
mit Siemens, DuPont und Nike. Mit Niyazi Serdar Sariciftci, dem Leiter des Institute for Organic Solar Cells an
der Johannes Kepler Universität in Linz, spricht sie am Beispiel von Entwürfen von Iris van Herpen, Hussein
Chalyan, Studio XO oder Asher Levine über zukünftige Entwicklungen in der Mode und intelligente Textilien.
Mit ihrem Team von Participle nutzt Hilary Cottam Methoden wie Design Thinking für Lösungsansätze
in der Kranken- und Altenpflege, Jobvermittlung oder Aufbau von Selbsthilfegruppen. Als Soziologin wurde sie 2005
zum UK Designer of the Year gekürt und entwickelt nun als Social Entrepreneur laufend beispielhafte Einrichtungen,
die Zahlen und Fakten für die Verbesserung des britischen Wohlfahrtssystems liefern. In der Sigmund-Freud-Stadt
Wien möchte sie sich mit einem Psychoanalytiker über die Arbeit mit Übergangsobjekten, bekannt aus
der Kinderpsychologie, als Agenten für Veränderung auch in anderen Gesellschaftsbereichen austauschen.
Den Kunst- und Architekturkritiker Hans-Ulrich Obrist, Co-Direktor und Kurator an der Serpentine Gallery in London,
interessieren unvollendete Projekte. Wie das Scheitern auf die Zukunft wirkt, diskutiert er mit der Designkommentatorin
Alice Rawsthorn, Designkritikerin der "International New York Times" und Kolumnistin für "Frieze",
am Beispiel einer Reihe nicht realisierter Projekte von DesignerInnen wie Matthew Carter, Hella Jongerius, Emily
Pilloton oder Casey Reas.
In den konzeptionellen und experimentellen Ansätzen eines Maarten Baas oder Nacho Carbonell sieht die Trendforscherin
und ehemalige Präsidentin der Design Academy Eindhoven Lidewij Edelkoort die verändernden Kräfte
und neuen Strömungen im Design, die sie gemeinsam mit dem Kunstpädagogen und Rektor der Bernard Lievegoed
University Jeroen Lutters hinsichtlich einer "Schule des universellen Lernens" diskutiert.
Die gegenwärtigen Positionen mischen sich in "VORBILDER" mit ProtagonistInnen und Sammlungsobjekten,
die über die Entwicklungsgeschichte des MAK erzählen. Zeitübergreifende Querverbindungen schlagen
die Brücke zur MAK-Geschichte, die in der Ausstellung kaleidoskopisch dargestellt wird. Künstler der
Renaissance, die die MAK-Fassade des programmatischen Ringstraßenbaus (1868-1871) in Form von Reliefs und
Namensplaketten in einem umlaufenden Fries zieren, waren die Vorbilder, die den Start der internationalen Reputation
des Museums markierten. Im Folgenden setzten Direktoren, MuseumsmitarbeiterInnen, KünstlerInnen, SammlerInnen,
Entrepreneure und Förderer die 150-jährige Geschichte des Hauses fort.
Diese Persönlichkeiten, von prominenteren, wie Rudolf von Eitelberger (Gründungsdirektor 1864-1885) oder
Peter Noever (Direktor 1986-2011), bis hin zu unbekannteren, wie den SammlerInnen Bertha von Pappenheim (1959-1936)
oder Julius Paul (1867-1938), inspirierten die KuratorInnen zur Auswahl herausragender Exponate aus der neben Büchern,
Zeitschriften und Archivalien rund 600.000 Objekte umfassenden MAK-Sammlung, die eine materielle Zeitreise durch
die Entwicklungsgeschichte vom Kunstgewerbe zum Design dokumentieren sowie Brüche und Wendepunkte aufzeigen.
"Haben wir anfangs die Aktualität von Vorbildern selbst in Frage gestellt, sind wir von deren Notwendigkeit
gerade heute überzeugt. Das Museum ist der ideale Ort, um sie zur Disposition zu stellen und zu verhandeln.
Nicht um sie unantastbar auf Podesten zu platzieren, sondern um in der Auseinandersetzung mit ihnen eigene Standpunkte
und Orientierung zu finden", erklären Tulga Beyerle und Thomas Geisler ihren kuratorischen Zugang zu
"VORBILDER", den sie mit dem Wiener Gestaltungsbüro Lichtwitz Leinfellner umsetzen. Geistige Anleihe
fanden sie dafür bei der deutschen Psychoanalytikerin Margarete Mitscherlich (1917-2012), die zu ihrer immer
noch gültigen Publikation "Das Ende der Vorbilder - vom Nutzen und Nachteil der Idealisierung" (1978)
meinte: "Wir alle brauchen Ideale, Vorbilder, Ziele, an denen wir uns orientieren, nach deren Verwirklichung
wir streben können. Ohne sie sind wir einem Gefühl der Leere ausgesetzt, das lebendige Interesse an den
Dingen der Welt und an unseren Mitmenschen geht verloren."
Zur Ausstellung "VORBILDER" wird eine Publikation erscheinen
"NACHBILDER. 150 Jahre MAK: Ausstellungen im Bild" Flankierend zu "VORBILDER" setzt sich
die Ausstellung "NACHBILDER. 150 Jahre MAK: Ausstellungen im Bild" (MAK-Kunstblättersaal, 11. Juni
- 5. Oktober 2014) anhand historischer und moderner Fotografien von MAK-Ausstellungen mit Präsentationsformen
von Ausstellungsinhalt und Raumkonzeption im jeweiligen zeitgenössischen Kontext auseinander. Die Ausstellung
"NACHBILDER" wird zeitgleich mit "VORBILDER" eröffnet. Kuratiert von Kathrin Pokorny-Nagel,
Leitung MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung/Archiv
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