Außenminister wirbt mit ungarischem Amtskollegen für Reformen - Truppenbesuch bei
österreichischen EUFOR-Soldaten
Sarajevo (bmeia/apa) - Außenminister Sebastian Kurz ist am 27.03. im Rahmen seiner Vorstellungstour
am Westbalkan nach Bosnien-Herzegowina gereist. Ziel der gemeinsamen Reise mit seinem ungarischen Amtskollegen
Janos Martonyi sei es die Zivilgesellschaft in Bosnien zu stärken, so Kurz gegenüber Journalisten auf
dem Weg in Sarajevo.
"Wir müssen die Zivilgesellschaft stärken, damit sie nicht randaliert wie bei den jüngsten
Protesten, sondern sich politisch einbringt", sagte Kurz vor dem Abflug nach Sarajevo. Vertreter von zivilgesellschaftlichen
Organisationen, die Kurz am Abend in Sarajevo treffen wollte, sollen daher zu einer Konferenz im Juni in Wien eingeladen
werden. Hier sollen die Vertreter der während der Proteste gebildeten Bürgerforen, von NGOs und Medien
der Gedankenaustausch ermöglicht werden, um eine gemeinsame Plattform zu bilden.
Zunächst stattete Kurz am Donnerstagnachmittag den österreichischen EUFOR-Soldaten in Bosnien einen Besuch
ab und dankte ihnen für ihren Einsatz. Am Militärstützpunkt Camp Butmir traf er den Kommandanten
der EU-Friedenstruppe, den Österreicher Dieter Heidecker. Österreich stellt derzeit rund 200 Soldaten,
im Sommer soll das Kontingent um weitere 130 aufgestockt werden, womit Wien der größte Truppensteller
für die EU-Mission in Bosnien (EUFOR Althea) wird.
Im Anschluss waren Treffen von Kurz und Martonyi mit den Mitgliedern des dreiköpfigen Staatspräsidiums,
mit Außenminister Zlatko Lagumdzija sowie dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft
für Bosnien-Herzegowina, den österreichischen Diplomaten Valentin Inzko, geplant.
Den bosnischen Politikern wolle er die Botschaft überbringen, dass Österreich Bosnien-Herzegowina auf
seinem Weg in die EU unterstützen wolle, dies aber nur mit Reformen des politischen Systems möglich sei,
so Kurz. Die jüngsten wochenlangen Proteste, die das Land im Februar erschütterten, seien ein "Weckruf"
für die EU und Bosnien gewesen. "Sie haben gezeigt, dass die bosnische Bevölkerung nicht nur Reformen
verdient, sondern sie auch einfordert."
Bosnien-Herzegowina steckt seit Jahren in einer tiefen politischen und institutionellen Krise. Eine dringend nötige
Verfassungsreform kommt wegen der internen Blockade nicht zustande. Daher ist auch die EU-Annäherung des Landes
ins Stocken geraten. Durch das Friedensabkommen von Dayton, mit dem 1995 der dreijährige Bosnien-Krieg beendet
wurde, entstand ein aus zwei Landesteilen, der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Republika Srpska,
bestehender Staat der drei Staatsvölker - Bosniaken (Muslime), Serben und Kroaten. Das komplizierte Staatsgebilde
lähmt das Land seitdem völlig.
Im vergangenen Monat wurde Bosnien-Herzegowina von heftigen Protesten erschüttert. Wochenlang gab es in zahlreichen
Städten des Landes Demonstrationen gegen die Armut, die Korruption und die hohe Arbeitslosigkeit, die bei
rund 45 Prozent liegt. Auslöser war die Schließung mehrerer Betriebe mit Tausenden Beschäftigten
in der Industriestadt Tuzla. Jedoch breiteten sich die Sozialproteste rasch auf zahlreiche andere Städte aus,
es kam landesweit zu gewaltsamen Ausschreitungen. Mehrere Regierungsgebäude, darunter das Staatspräsidium
in Sarajevo, wurden gestürmt und angezündet. In mehreren Kantonen im größeren Landesteil,
der Bosniakisch-Kroatischen Föderation, wurden kantonale Behörden zum Rücktritt gezwungen. Parlamentswahlen,
die die Krise kaum lösen werden, sind im Oktober geplant.
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