Fahrplan der EU-Kommission für die Deckung des langfristigen Finanzierungsbedarfs der
europäischen Wirtschaft
Brüssel (ec) - Die Europäische Kommission hat am 27.03. ein Maßnahmenpaket angenommen, das
neue und andere Wege zur Erschließung langfristiger Finanzierungsmöglichkeiten aufzeigen und Europas
Rückkehr zu einem dauerhaften Wirtschaftswachstum unterstützen soll. In den Bereichen Infrastruktur,
neue Technologien und Innovation, Forschung und Entwicklung sowie Humankapital sind im Rahmen der Strategie Europa
2020 und des Energie- und Klimapakets 2030 erhebliche Investitionen erforderlich. Allein der Investitionsbedarf
für die Infrastrukturnetze mit Unionsdimension in den Bereichen Verkehr, Energie und Telekommunikation wird
in der Fazilität „Connecting Europe“ für den Zeitraum bis 2020 auf eine Billion EUR veranschlagt.
Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Fähigkeit des Finanzsektors, Mittel in die Realwirtschaft und insbesondere
in langfristige Investitionen zu leiten, beeinträchtigt. In Europa finanziert sich die Realwirtschaft seit
jeher überwiegend über die Banken (zwei Drittel der Finanzierungen gegenüber einem Drittel in den
Vereinigten Staaten). Da die Banken ihren Fremdkapitalanteil zurückfahren, verringern sich die verfügbaren
Finanzierungen für sämtliche Wirtschaftssektoren. So erhielten 2013 nicht einmal ein Drittel der niederländischen
und griechischen KMU und nur etwa die Hälfte der spanischen und italienischen KMU die gewünschten Kredite
in voller Höhe.
Es besteht Handlungsbedarf, um die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum und tragfähige Investitionen
wiederherzustellen. Das bedeutet auch, dass neue Wege gefunden werden müssen, um Mittel in langfristige Investitionen
zu leiten. Die Grünbuch Konsultation der Kommission über die langfristige Finanzierung der europäischen
Wirtschaft vom März 2013 stieß eine breit angelegte Debatte an und erbrachte Antworten aus allen Teilen
der Wirtschaft. Das heute angenommene Maßnahmenpaket umfasst eine Mitteilung zur langfristigen Finanzierung
der Wirtschaft, einen Gesetzgebungsvorschlag mit neuen Vorschriften für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung
und eine Mitteilung über Crowdfunding. Die Mitteilung über die langfristige Finanzierung stützt
sich auf die Antworten auf die Konsultation und auf in internationalen Gremien wie der G20 und der OECD geführte
Gespräche. Sie zeigt spezifische Maßnahmen auf, die die EU zur Förderung der langfristigen Finanzierung
ergreifen kann.
Dazu Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissar Michel Barnier: „Wir haben uns für die Finanzmarktregulierung
eine ehrgeizige Agenda gegeben, was sich hinsichtlich der Finanzstabilität und des Vertrauens positiv ausgewirkt
hat. In dem Maße, wie die wirtschaftliche Erholung voranschreitet, müssen wir das Wachstum ebenso ehrgeizig
fördern. In Europa besteht für die Finanzierung nachhaltigen Wachstums – jener Art von Wachstum, die
auf intelligente, nachhaltige und inklusive Weise die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und Arbeitsplätze
schafft - ein großer Bedarf an langfristigen Finanzierungen. Unser Finanzsystem muss seine Fähigkeit,
die Realwirtschaft zu finanzieren, wiedererlangen und ausbauen. Das System umfasst einerseits Banken und andererseits
institutionelle Anleger wie Versicherungsunternehmen und Altersversorgungsfonds. Gleichzeitig müssen wir die
Finanzierungswege in Europa diversifizieren und den kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat der
europäischen Wirtschaft bilden, den Zugang zu Finanzmitteln erleichtern. Ich bin zuversichtlich, dass das
heute vorgelegte Maßnahmenpaket dazu beitragen wird, die Fähigkeit der europäischen Kapitalmärkte,
Mittel in unsere langfristigen Investitionen zu leiten, zu verbessern.“ In Bezug auf Einrichtungen der betrieblichen
Altersversorgung fügte Michel Barnier hinzu: „Alle Mitgliedstaaten der Union sehen sich der doppelten Herausforderung
gegenüber, die Altersversorgung einer immer älter werdenden Gesellschaft sicherstellen und langfristig
in Wachstum investieren zu müssen. Bei der betrieblichen Altersversorgung laufen diese beiden Herausforderungen
zusammen. Sie verwaltet langfristig angelegte Vermögenswerte im Betrag von über 2,5 Billionen EUR – und
75 Millionen Europäer bauen auf sie hinsichtlich ihrer Altersversorgung. Mit dem heute vorgelegten Legislativvorschlag
sollen Governance und Transparenz der betrieblichen Altersversorgung in Europa verbessert und damit zur Erhöhung
der Finanzstabilität, zum Ausbau der grenzüberschreitenden Tätigkeit und zur Förderung der
betrieblichen Altersversorgung als eine der wichtigsten langfristigen Anlagearten beigetragen werden.“
Der für Wirtschaft, Währung und den Euro zuständige Kommissionsvizepräsident Olli Rehn erklärte:
„Wir müssen öffentliche Mittel künftig besser einsetzen, damit sich produktive Investitionen optimal
auf Wachstum und Beschäftigung auswirken. Dafür müssen Synergien geschaffen und der Zugang zu Finanzmitteln
für die Erneuerung wichtiger Infrastrukturen erleichtert werden. Die nationalen Haushalte, der EU-Haushalt
sowie Förderbanken und Exportkreditagenturen spielen dabei allesamt eine wichtige Rolle. Damit KMU die Finanzmittel,
die sie für ihre Anlagen und ihre Entwicklung benötigen, besser erschließen können, müssen
wir qualitativ hochwertige Verbriefungen fördern, um ihnen den Zugang zu Kapitalmarktfinanzierungen zu erleichtern.“
Der für Industrie und Unternehmertum zuständige Kommissionsvizepräsident Antonio Tajani fügte
hinzu: „Die heute vorgelegten ehrgeizigen Initiativen werden dazu beitragen, die Fähigkeit des Finanzsystems,
Mittel in langfristige Investitionen zu leiten, zu verbessern. Dies ist zur Sicherung der Position Europas auf
einem nachhaltigen Wachstumspfad erforderlich. Die Finanzkrise hat die Fähigkeit des Finanzsektors, Mittel
in die Realwirtschaft zu leiten, beeinträchtigt. Es sind insbesondere die KMU, die einen wesentlichen Beitrag
zu nachhaltigem Wachstum leisten, doch haben sie vor allem in den peripheren Volkswirtschaften noch immer Schwierigkeiten,
Finanzierungen zu beschaffen. Die heute vorgelegten Initiativen sollen zusätzliche Finanzierungsquellen für
die Realwirtschaft freisetzen. Sie stehen unter dem gemeinsamen Ziel, durch die Schaffung optimaler Bedingungen
für Wachstum und Beschäftigung in Europa die Verwirklichung des Binnenmarktes voranzutreiben.“
Wichtigste Elemente:
Die Mitteilung über langfristige Finanzierungen sieht eine Reihe spezifischer Maßnahmen vor, die
die Kommission zur Verbesserung der langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft ergreifen will
(MEMO/14/238). Zwei dieser Maßnahmen werden heute vorgestellt:
ein Vorschlag mit überarbeiteten Vorschriften für die betriebliche Altersversorgung (Überarbeitung
der Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen
Altersversorgung - EbAV-Richtlinie), der darauf abstellt, die Weiterentwicklung dieser wichtigen Kategorie langfristig
agierender institutioneller Anleger in der EU zu unterstützen.
Die Maßnahmen lassen sich in sechs Schwerpunktbereiche zusammenfassen:
1. Mobilisierung privater Quellen langfristiger Finanzierungen: Dazu gehören die endgültige Ausgestaltung
des Aufsichtsrahmens für Banken und Versicherungsunternehmen derart, dass langfristige Investitionen in die
Realwirtschaft gefördert werden, die Mobilisierung der persönlichen Altersvorsorgeersparnisse in größerem
Umfang als bisher sowie die Prüfung der Fragen, wie die grenzüberschreitende Übertragung von Ersparnissen
wirksamer unterstützt werden kann und welche Vorteile mit der Schaffung eines EU-weiten Sparkontos verbunden
wären.
In diesem Bereich dürfte der heute vorgelegte Gesetzgebungsvorschlag mit neuen Vorschriften für die betriebliche
Altersversorgung (EbAV 2) einen Beitrag zur Erhöhung der langfristigen Anlagen leisten. Der Vorschlag hat
im Wesentlichen drei Ziele:
- Gewährleistung eines angemessenen Schutzes der Versorgungsanwärter;
- Ausschöpfung der Vorteile des Binnenmarktes für die betrieblichen Altersversorgungssysteme
durch Beseitigung der Hindernisse für die grenzübergreifende Erbringung von Dienstleistungen;
- Stärkung der Fähigkeit der betrieblichen Altersversorgungssysteme,
in Finanzinstrumente mit einem langfristigen wirtschaftlichen Profil zu investieren, und damit Stärkung der
Finanzierung des realwirtschaftlichen Wachstums.
2. Bessere Nutzung öffentlicher Mittel: Darunter fallen die Unterstützung der Tätigkeit nationaler
Förderbanken (vom Staat geschaffene Finanzinstitute, die Finanzierungen für wirtschaftsfördernde
Investitionen bereitstellen) und die Förderung einer besseren Zusammenarbeit zwischen bestehenden nationalen
Ausfuhrkreditsystemen (Einrichtungen, die Exportfinanzierungen zur Verfügung stellen und damit als Vermittlungsstellen
zwischen den Behörden und den Exporteuren agieren). Beide Aspekte spielen bei der langfristigen Finanzierung
eine wichtige Rolle.
3. Entwicklung der europäischen Kapitalmärkte: Diese Maßnahmen sollen den Zugang der KMU
zu Kapitalmärkten und zu größeren Systemen gemeinschaftlicher Kapitalanlage erleichtern und umfassen
die Schaffung eines liquiden und transparenten Sekundärmarkts für Unternehmensanleihen, die Neubelebung
der Verbriefungsmärkte unter angemessener Berücksichtigung der Risiken und der Wesensunterschiede dieser
Produkte und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für gedeckte Schuldverschreibungen und Privatplatzierungen
in der EU.
4. Verbesserung des Finanzierungszugangs für KMU: Hinsichtlich dieses Aspekts enthält die Mitteilung
über langfristige Finanzierungen unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung der Kreditinformationen über
KMU, zur Neubelebung des Dialogs zwischen Banken und KMU und zur Bewertung empfehlenswerter Praktiken zur Unterstützung
von KMU beim Zugang zu den Kapitalmärkten. In der ebenfalls heute angenommenen Mitteilung über Crowdfunding
werden die Sensibilisierung und die Bereitstellung von Informationen zu Projekten als wichtige neue Maßnahmen
genannt. In diesem Zusammenhang schlägt die Kommission vor:
- einschlägige bewährte Verfahren zu fördern, die Öffentlichkeit
zu sensibilisieren und die Entwicklung eines Gütezeichens zu erleichtern,
- die Entwicklung von Crowdfunding-Märkten sowie einschlägiger nationaler
Rechtsvorschriften eingehend zu überwachen,
- regelmäßig zu prüfen, ob seitens der EU weitere Maßnahmen
– gegebenenfalls Legislativmaßnahmen – erforderlich sind. Dabei geht es darum, etwaige Hemmnisse zu ermitteln,
die angegangen werden müssten, um die Entwicklung des Crowdfunding zu unterstützen.
5. Mobilisierung privater Finanzierungen für Infrastruktur im Rahmen von Europa 2020: Hier sind die
Verbesserung der Verfügbarkeit von Informationen über Pläne für Infrastrukturinvestitionen
sowie der Kreditstatistiken zu Infrastrukturdarlehen zu nennen.
6. Ausbau des allgemeinen Rahmens für nachhaltige Finanzierung: Der neue Rahmen soll verbesserte Corporate-Governance-Vorschriften
für langfristige Finanzierungen vorgeben, beispielweise hinsichtlich der Einbindung der Aktionäre (der
Vorschlag zur Überarbeitung der Aktionärsrechterichtlinie soll in Kürze angenommen werden), der
Mitarbeiterbeteiligung, der Berichterstattung über die Unternehmensführung sowie im Hinblick auf Umwelt-,
soziale und Unternehmensführungsaspekte.
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