Justizausschuss diskutiert über die wesentlichen Vorhaben des neuen Ressortchefs
Wien (pk) – Die Rahmenbedingungen für Untersuchungsausschüsse müssen rechtsstaatlichen Anforderungen
genügen. Justizminister Wolfgang Brandstetter plädierte am 02.04. in einer Aussprache mit den Abgeordneten
des Justizausschusses für eine Reform der Verfahrensregeln bei Untersuchungsausschüssen und meinte, es
gelte, Garantien zu finden, die verhindern, dass ein wichtiges parlamentarisches Kontrollorgan zu einem Tribunal
wird. In der Sitzung nahm der neue Ressortchef auch zu seinen Reformvorhaben im materiellen Strafrecht und im Strafprozessrecht
Stellung und bekundete überdies seine Skepsis in Bezug auf allzu restriktive Regelungen beim Adoptionsrecht.
Im Hintergrund der Debatte standen Ressortberichte über die Weisungen des Ressorts in Verfahren in den Jahren
2009 bis 2012 sowie über die EU-Jahresvorschau im Bereich Justiz, die einstimmig bzw. mehrheitlich zur Kenntnis
genommen wurden.
Justizminister für Reform der Untersuchungsausschüsse
Die Erfahrungen in der Vergangenheit hätten die Notwendigkeit einer Reform der Rahmenbedingungen für
Untersuchungsausschüsse aufgezeigt, betonte Brandstetter und pflichtete den diesbezüglichen Bedenken
des ÖVP-Abgeordneten Hermann Schultes bei. So bedürfe es vor allem klarer Regeln über die Übermittelung
und die Einsicht von Akten, um sicherzustellen, dass Unterlagen in der heißen Phase eines Ermittlungsverfahrens
nicht über den Untersuchungsausschuss an die Öffentlichkeit gelangen, unterstrich der Minister. Insgesamt
gehe es darum, die Regeln so zu gestalten, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Brandstetter
sprach sich grundsätzlich für ein Minderheitenrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses aus,
warnte aber, dieses wichtige Kontrollorgan dürfe nicht zu einem öffentlichen Tribunal werden.
Brandstetter will Verhältnismäßigkeit der Strafdrohungen prüfen
Was Reformen im materiellen Strafrecht betrifft, setzt der Ressortleiter, wie er sagte, auf die Arbeiten einer
Expertengruppe, deren Schlussbericht im Sommer vorliegen sollte. Hauptaspekt werde dabei die Prüfung der Verhältnismäßigkeit
der Strafdrohungen bei Gewalt- und Vermögensdelikten sein. Brandstetter sah sich in der Debatte mit Vorwürfen
seitens des Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und der NEOS-Sprecherin Beate Meinl-Reisinger konfrontiert, er
würde der Innenministerin bei deren Ruf nach strengerer Strafdrohung für Einbruchsdiebstähle Schützenhilfe
leisten. Der Ressortchef erklärte, es mache kriminologisch einen Unterschied aus, ob der Einbruch in einer
Wohnung oder in einem unbewohnten Geschäftslokal stattfindet, zumal im ersteren Fall von Gewaltbereitschaft
auszugehen sei. Eine Verschärfung der Strafdrohung könne ein kleiner Beitrag zur Bekämpfung der
Einbruchsdiebstähle sein, im Vordergrund müsse aber nach wie vor die Aufklärung der Delikte stehen.
Für eine Entkriminalisierung in gewissen Deliktsbereichen trat Team Stronach-Mandatar Georg Vetter ein, zumal,
wie er zu bedenken gab, die Erziehungsfunktion des Strafrechtes vielfach überschätzt werde. SPÖ-Abgeordnete
Gisela Wurm wiederum lenkte den Blick des Ministers auf den Themenkreis der familiären Gewalt und der sexuellen
Belästigung und forderte ein strengeres Vorgehen seitens des Gesetzgebers.
Adoption: Entscheidend ist die für das Kindeswohl beste Lösung
In Sachen Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare bekräftigte Brandstetter den Abgeordneten Beate
Meinl-Reisinger (N), Daniela Musiol (G) und Harald Troch (S) gegenüber, die allgemein für einen Abbau
der Diskriminierungen eintraten, es gehe bei dieser Frage nicht um die Rechte gleichgeschlechtlicher Partner, sondern
einzig und allein um die beste Lösung im Einzelfall für das Wohl des Kindes. Der Minister zeigte sich
skeptisch in Bezug auf eine allzu restriktive Regelung dieses Themenbereiches und meinte, im Zweifel sei er für
die Freiheit. Es könnte sich ja durchaus in einem Fall erweisen, dass eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft
dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Daher sollte man diese Möglichkeit nicht von vornherein gesetzlich
ausschließen. Anderer Meinung war FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan, der sich gegen ein Adoptionsrecht
für gleichgeschlechtliche Paare aussprach und "Experimente" mit dem Kindeswohl ablehnte.
Modernisierung des Urheberrechts, Erweiterung des Privatkonkurses
Die anstehende Modernisierung des Urheberrechts sah der Justizminister vor allem unter dem Blickwinkel der KünstlerInnen.
Einer Meinung mit Wolfgang Zinggl (G) war Brandstetter dabei, dass die Frage nicht allein auf die Einführung
einer Festplattenabgabe reduziert werden könne. Der Kultursprecher der Grünen sprach in diesem Zusammenhang
auch die freie Werknutzung an und forderte mehr Rechtssicherheit für die Kreativen.
Die Erweiterung des Privatkonkurses war Brandstetter ebenso ein Anliegen wie der SPÖ-Mandatarin Elisabeth
Grossmann. Dieses Rechtsinstitut sollte einem größeren Personenkreis als bisher offenstehen, betonte
der Minister, der im Übrigen auch für eine Befriedigungsquote von 0 % eintrat. Die Verhandlungen befinden
sich derzeit aber in einer Sackgasse, dämpfte Brandstetter die Erwartungen auf eine baldige Reform.
Weitere Schritte zur Verkürzung der Verfahrensdauer
Leitlinie einer kleinen Reform der Strafprozessordnung ist nach den Worten des Ministers die Verkürzung der
Verfahrensdauer. Vorstellbar wäre für Brandstetter der Einsatz eines zweiten Berufsrichters im Schöffensenat,
um den Vorsitzenden zu entlasten. Erleichterungen für die Gerichte könnte auch der verstärkte Rückgriff
auf ExpertInnen im Verfahren bringen. Ein weiterer Aspekt der Reform werde aber auch eine klare Abgrenzung zwischen
angezeigten Personen und Beschuldigten sein. Bei der Zusammenlegung der Bezirksgerichte wiederum habe der Verfassungsgerichtshof
eine Frist bis September 2015 vorgegeben, die man "hoffentlich nicht ausschöpfen muss". Die einzige
verfassungskonforme Lösung könne nur in einer ersatzlosen Streichung des anachronistischen Überschneidungsverbots
aus dem Jahr 1920 bestehen, war Brandstetter überzeugt.
Weisungsrecht: Brandstetter wartet Vorschläge der Expertengruppe ab
Bei der Reform des Weisungsrechtes, die von der SPÖ-Abgeordneten Ruth Becher thematisiert wurde, rechnete
Brandstetter noch für dieses Jahr mit Vorschlägen der zuständigen Expertengruppe. Substantielle
Änderungen bedürften allerdings einer Verfassungsmehrheit, gab er zu bedenken. Es gehe um eine Stärkung
des Vertrauens in die Justiz, meinte der Minister, der grundsätzlich von einem "Anscheinsproblem"
sprach. Niemand behaupte, dass das Weisungsrecht missbraucht worden wäre. Die Arbeiten der Experten seien
jedenfalls "ergebnisoffen".
Die Abgeordneten Johannes Jarolim (S) und Albert Steinhauser (G) erinnerten in diesem Zusammenhang an den Tierschützerprozess
und sparten nicht mit Kritik an der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt. Der Justizsprecher der Grünen schlug
zudem vor, bei der Reform des Weisungsrechts die Berichtspflicht zurückzudrängen. FPÖ-Mandatar Harald
Stefan zeigte sich erfreut, dass Brandstetter von seinem ursprünglichen Vorschlag einer Abschaffung des Weisungsrechts
nunmehr Abstand genommen hat. Die Verantwortlichkeit sollte beim Ministerium liegen, die Transparenz sei allerdings
zu verbessern, befand er.
Der Bericht über die in den Jahren 2009 bis 2012 erteilten Weisungen, nachdem das der Weisung zugrunde liegende
Verfahren beendet wurde (III-24 d.B.) wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. SPÖ, ÖVP, Grüne und
NEOS sprachen sich hingegen für den Bericht (III 50 d.B.) betreffend die EU-Jahresvorschau für den Bereich
Justiz aus.
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