Schwerpunkte des Arbeitsbesuchs der Regierungsdelegation in Brüssel
Brüssel/Salzburg (lk) - An der Schwelle zum kommenden EU-Finanzierungszeitraum ab 2014 ist für Salzburg
der reibungslose Übergang zur nächsten Generation der EU-Programme insbesondere mit Blick auf die EU-Regionalprogramme
für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), für die Europäische Territoriale Zusammenarbeit
(ETZ) sowie für das EU-Programm für Umwelt- und Klimapolitik (Life) von zentraler Bedeutung. Daneben
gibt es für Salzburg wichtige Fragen wie die Zukunft der Tauernbahn, der grenzüberschreitende Zugang
zu Universitäten, Gigaliner, Gentechnik in der Landwirtschaft, der EU-Solidaritätsfonds bei Naturkatastrophen
oder die Diskussion mit Bayern zum Flughafen Salzburg, für die es auf europäischer Ebene Lösungen
für regionale Anliegen braucht. "Grund genug, dass Salzburgs politische Spitzenvertreter persönlich
mit den Entscheidungsträgern in der EU Salzburgs Anliegen erörtern und durch fachlich fundierte Argumente
die Interessen des Landes einbringen", fasste Europareferent Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer am 01.04.
bei einer Pressekonferenz in Brüssel die Ziele der Salzburger Politikerdelegation zusammen, die noch bis morgen,
Mittwoch, 2. April, bei einem zweitägigen Brüsselbesuch Arbeitsgespräche mit Spitzenvertretern der
Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments führt.
"Es freut mich sehr, dass die Salzburger Landesregierung einen gemeinsamen Brüssel-Besuch absolviert
und wir neben hochrangigen politischen Entscheidungsträgern auch viele Experten zu Arbeitsgesprächen
treffen. Eine gute Gelegenheit für das Netzwerken und Meinungsaustausch wird auch der Empfang des Landes bieten,
zu dem wir gemeinsam mit EU-Kommissar Dr. Johannes Hahn wichtige europäische Ansprechpartner in das Verbindungsbüro
des Landes einladen. Inhaltlich stehen aus meinen Ressortbereichen die Themen Regionalpolitik und EU-Regionalprogramme
sowie Bildungsthemen, Forschung und Horizont 2020 auf der Agenda", so Haslauer.
Wirtschaftliche und umweltverträgliche Lösung für den Flughafen
Verkehrsreferent Landesrat Hans Mayr erörterte heute, Dienstag, 1. April, mit der Abteilungsleiterin Emmanuelle
Maire aus der Generaldirektion Mobilität und Transport der Europäischen Kommission die aktuelle Entwicklung
beim Salzburger Flughafen. Mittelfristig sei eine begrenzte Erhöhung der Zahl der An- und Abflüge von
Süden möglich. All dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die wirtschaftliche Basis des Flughafens
und das Prinzip des freien Serviceangebots erhalten sowie gemeinsame Umweltinteressen gewahrt bleiben.
Allianzen beim Universitätszugang
Beim Brüsselbesuch angesprochen wird auch das Thema grenzüberschreitender Universitätszugang. Das
Land Salzburg hat auf EU-Ebene angeregt, dass die Herkunftsländer in Anlehnung an das Modell der EU-Patientenmobilitätsrichtlinie
die Kosten für ausländische Studierende übernehmen sollen. Konkret würde dies bedeuten, dass
jener Staat, aus dem die Studierenden stammen, für die Finanzierung des Studiums aufkommen müsste. So
müsste etwa Deutschland für "seine" Studierenden in Österreich zahlen. Österreich
wiederum müsste für „seine“ Studierenden, die innerhalb der EU studieren wollen, ebenfalls finanziell
aufkommen. Ziel des Salzburger Vorschlags ist eine diskriminierungsfreie EU-weite Lösung, die nicht zulasten
der österreichischen Steuerzahler/innen bzw. der Universität Salzburg geht und die eine hohe Qualität
des Studiums sicherstellt. Salzburg hat in dieser Frage enge Kontakte zu "verbündeten" EU-Regionen
mit ähnlichen Interessenlagen (z.B. Wallonien und Flandern in Belgien, Schottland) geknüpft; ebenso zur
zuständigen EU-Bildungskommissarin Androulla Vassiliou, die den Vorstoß von Salzburg grundsätzlich
positiv bewertet.
"Zusätzlich zu den Gesprächen über Fördermöglichkeiten für Universitäten
und Grundlagenforschung werde ich morgen vor allem intensive Gespräche zu Erasmus, dem neuen EU-Programm für
Bildung, Jugend und Sport führen. Ich freue mich sehr auf Informationen zu den aktuellen EU-Maßnahmen
zur Gleichstellung der Geschlechter", sagte Landesrätin Mag. Martina Berthold bei der Pressekonferenz.
Gemeinsam gegen Gigaliner
Vor knapp einem Jahr hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Änderung einer Richtlinie aus
dem Jahr 1996 zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge
im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr in der Gemeinschaft sowie zur Festlegung der höchstzulässigen
Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr vorgelegt. Durch diesen Vorschlag beabsichtigt die Europäische
Kommission erstmals, den grenzüberschreitenden Einsatz von Gigalinern zwischen Nachbarstaaten zu legalisieren.
Auch wenn derzeit ein grenzüberschreitender Einsatz nur zwischen jenen EU-Mitgliedstaaten möglich ist,
die Gigaliner bereits jetzt erlauben, könnte dieser Vorschlag künftig immer mehr Staaten dazu forcieren,
ebenfalls Gigaliner zuzulassen.
Der Kommissions-Vorschlag widerspricht aus Salzburger Sicht der Alpenkonvention, droht die Landschaftskulisse in
Salzburg zu zerstören und stellt grundsätzlich einen Verstoß gegen eine von der Europäischen
Kommission 2011 im "Weißbuch Verkehr" definierten EU-Prioritäten dar, die eine Verlagerung
des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene fordern. Darüber hinaus brächte er höhere
CO2- bzw. Lärmbelastung durch zusätzlichen Straßenverkehr und erfordert zusätzliche Investitionen
in teure Infrastruktur wie Tunnel und Brücken. Durch entsprechendes Lobbying auf allen EU-Ebenen (Rat, Europäische
Kommission, Europäisches Parlament) werden die Interessen des Landes im anhängigen EU-Rechtsetzungsverfahren
aktiv vertreten.
Landesrat Mayr hielt fest, dass es einen aufrechten Fünf-Parteien-Beschluss im Landtag gegen die Gigaliner
gibt. "Daran halte ich mich." In Schweden, Finnland und Holland sind Gigaliner bereits im Einsatz, in
Dänemark und sieben deutschen Bundesländern läuft eine Probephase. "Bei den gestrigen Gesprächen
konnte in der Frage der Zulassung von Gigalinern die Entscheidungsträger in der Kommission davon überzeugt
werden, dass weiterhin die Regionen und Mitgliedstaaten selber darüber entscheiden können, ob der Einsatz
von Gigalinern in ihrem Gebiet zugelassen wird", berichtete Verkehrsreferent Landesrat Mayr.
Vorreiterrolle bei Ausweitung der Lkw-Maut
Das Thema Eurovignette/Wegekostenrichtlinie ist das wohl kontroversiellste EU-Dossier im Verkehrsbereich. Entsprechend
schwierig gestaltet sich seit den 1990er Jahren die laufende Gesetzgebung bzw. Kompromissfindung. Die letzte Revision
der Wegekostenrichtlinie stammt aus dem Jahr 2011, sie wurde bis zur Beschlussfassung mehr als drei Jahre diskutiert.
Landesrat Mayr nutzte die Gespräche in Brüssel, um sich über den aktuellen Stand der geplanten neuerlichen
Novellierung der Richtlinie zu informieren. Ziel der Gesetzesmaßnahme ist es, die externen Kosten im Straßengüterverkehr
dem Verursacher, in diesem Fall Fahrzeugen mit mehr als 3,5 Tonnen im Autobahnnetz, anzurechnen. Mitgliedstaaten
können die Kosten für Lärm und Luftverschmutzung auf die bestehenden Lkw-Straßennutzungsgebühren
aufschlagen, Übergangsfristen/Ausnahmen gelten bis längstens Ende 2017 für Lkw mit besonders strengen
Standards (Euro V bzw. Euro VI). In Gebirgsregionen können die Gebühren für Lärm und Luftverschmutzung
verdoppelt werden. Die Einnahmen aus den "grünen" Mautzuschlägen müssen dazu verwendet
werden, die Belastung in den betroffenen Regionen durch zum Beispiel Infrastrukturmaßnahmen, umweltfreundliche
Mobilität zu verringern. Der Zuschlag darf nicht mehr als 15 Prozent der durchschnittlichen Infrastrukturgebühr
betragen, außer die erzielten Einnahmen werden in grenzüberschreitende Abschnitte von europäischen
Verkehrsnetz-Vorhaben in Berggebieten investiert. In diesem Fall darf der Aufschlag bei maximal 25 Prozent liegen.
In den Gesprächen mit den Kommissionvertretern informierte Mayr, dass er am 02.04. bei der Landesverkehrsreferentenkonferenz
die Prüfung der Vor- und Nachteile einer allfälligen Ausweitung der Lkw-Maut auf die Bundesstraßen
und Ausweichrouten durch die Bundesregierung vorschlagen wird.
Einrichtung gentechnikfreier Regionen ermöglichen
Die Durchsetzung einer europaweit einheitlichen Regelung zu Fragen der Koexistenz von Gentechnik und herkömmlichen
Produktionsmethoden in der Landwirtschaft, die über einzelne Urteile des Europäischen Gerichtshofs hinausgeht,
ist für Salzburg absolut wünschenswert. Die Möglichkeit, gentechnikfreie Regionen einzurichten,
bleibt ein wichtiges europapolitisches Ziel des Landes. Das Salzburger Gentechnikvorsorgegesetz ist bereits Signal
und Beispiel für gentechnikfreie Regionen. Salzburg engagiert sich weiterhin im Netzwerk der gentechnikfreien
Regionen, dem das Land 2003 beigetreten ist. Das Netzwerk umfasst heute 57 Regionen aus neun EU-Mitgliedstaaten.
Salzburg wird auch weiterhin aktiv in diesem Netzwerk mitarbeiten und dieses intensiv unterstützen. Das Netzwerk
kann konkret als "Lobbyingdrehkreuz" genutzt werden, um die Europäischen Institutionen davon zu
überzeugen, dass die Frage der Koexistenz dringend europaweit geklärt werden muss: Die Regionen müssen
selbst bestimmen können, inwieweit gentechnisch verändertes Saatgut in den einzelnen Regionen angebaut
werden darf oder nicht.
Natura 2000 und Aarhus-Konvention
Das anhängige Vertragsverletzungsverfahren zur Nachnominierung von Natura 2000-Gebieten sowie zentrale Umweltthemen
betreffend Luftverschmutzung und Lärmbelästigung erörtert Landeshauptmann-Stellvertreterin Dr. Astrid
Rössler in Brüssel mit der Generaldirektion Umwelt. "Es gibt größtes Interesse von Seiten
des Landes hohe Umweltstandards in Übereinstimmung mit den EU-Standards zu etablieren", so Rössler.
Auch das Thema Bürger/innenbeteiligung (Aarhus-Konvention) und ein Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern
von Umweltorganisationen stehen auf dem Programm der Landeshauptmann-Stellvertreterin.
EU-Solidaritätsfonds bei Naturkatastrophen
Der Solidaritätsfonds der Europäischen Union (EUSF) wurde im Jahr 2002 geschaffen, um im Falle von Naturkatastrophen
größeren Ausmaßes in den EU-Mitgliedstaaten solidarische Hilfe leisten zu können. Anlass
waren die schweren Überschwemmungen in Mitteleuropa im Sommer 2002. Österreich nahm die Solidaritätsfondshilfe
mehrfach bei den Hochwasserkatastrophen 2002 sowie 2005 in Tirol und Vorarlberg und 2012 in Lavamünd in Anspruch.
Die bisherigen Hilfsleistungen aus dem Solidaritätsfonds für Österreich belaufen sich auf insgesamt
149 Millionen Euro. Nach der jüngsten EU-weiten Hochwasserkatastrophe im Juni 2013 hat EU-Regionalkommissar
Dr. Johannes Hahn im Juli 2013 einen Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Reform des Europäischen
Solidaritätsfonds bei Naturkatastrophen vorgelegt, sodass die EU-Hilfen schneller als bisher an die betroffenen
Regionen ausgezahlt werden können. Ferner soll es erstmals die Möglichkeit von Vorschusszahlungen geben.
Im Hinblick auf die jüngsten Hochwasserkatastrophen liegt aus Salzburger Sicht eine zügige Abwicklung
des Reformverfahrens für den EU-Solidaritätsfonds für Naturkatastrophen im besonderen Interesse
des Landes.
Zwei Tage Brüssel intensiv
Der von Landeshauptmann Dr. Wilfried Haslauer angeführten Salzburger Delegation gehören Landtagspräsidentin
Dr. Brigitta Pallauf und die Landesregierungsmitglieder Landeshauptmann-Stellvertreterin Dr. Astrid Rössler,
Landesrat Hans Mayr und Landesrätin Mag. Martina Berthold an. Heute standen Treffen mit EU-Parlamentariern
sowie Gespräche mit den EU-Kommissaren für Regionalpolitik, Dr. Johannes Hahn, und für Energie,
Günter Oettinger, auf dem umfangreichen Programm, für morgen, Mittwoch, sind Fachgespräche der Regierungsmitglieder
mit einzelnen Kommissionsvertretern vorgesehen.
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