Schellhorn bei Eröffnung der Sonderausstellung: Leider sehr, sehr spät
Salzburg (lk) - "Es gibt nichts zu beschönigen. Wir müssen uns ehrlich zu begangenem Unrecht
und zur Mittäterschaft dieses Hauses bei den Verbrechen des Nationalsozialismus bekennen." Dies betonte
Kulturreferent Landesrat Dr. Heinrich Schellhorn am 09.04. in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kuratoriums
des Hauses der Natur anlässlich der Eröffnung der Sonderausstellung "Das Haus der Natur 1924 - 1976".
Als ressortzuständiger Politiker des Landes Salzburg steht Schellhorn "hundertprozentig hinter allen
Schritten in Richtung Aufarbeitung, Aufklärung und, soweit irgend möglich, Wiedergutmachung." So
habe das Kuratorium des Hauses der Natur einstimmig beschlossen, dass das Restitutionsgesetz, das an sich für
geraubte Kunstwerke gedacht ist, sinngemäß auch auf Bestände des Hauses der Natur anzuwenden ist,
die während der NS-Zeit geraubt wurden. 900.000 Objekte des Museums wurden durchforstet. Zahlreiche geraubte
Gegenstände aus jüdischem oder kirchlichen Besitz, sowie aus Frankreich, Polen und der damaligen Sowjetunion
konnten identifiziert und zurückgegeben werden. Schellhorn. "Wir können heute davon ausgehen, dass
damit nun die letzten in der NS-Zeit unrechtmäßig angeeigneten Objekte erfasst und zurückgegeben
wurden."
NS-Ideologie, Herrschaft und Raub
Die Sonderausstellung beleuchtet umfassend die mit der Person seines Gründers Eduard Paul Tratz untrennbar
verbundene Geschichte des Hauses der Natur. Der historisch und politisch brisanteste Aspekt ist mit Sicherheit
die Verstrickung des Leiters und mit ihm des Museums in die nationalsozialistische Ideologie, die nationalsozialistische
Herrschaft und die nationalsozialistischen Raubzüge gegenüber Juden, der Kirche und in den von Nazi-Deutschland
überfallenen und besetzten Gebieten.
Tratz tat sich, so Schellhorn, in allen drei Punkten hervor:
- Ideologisch betätigte er sich als Propagandist des Rassenwahns.
- Organisatorisch gliederte er das Haus der Natur in die Strukturen der SS und
ihrer so genannten Wissenschaftsorganisation "Das Ahnenerbe" ein.
- Tratz beteiligte sich für das Haus der Natur aktiv am Raub von Gütern
aus jüdischen und kirchlichen Beständen, sowie aus Beständen von Museen in den überfallenen
und besetzten Gebieten des Ostens.
Unerträgliche Nachsicht
Schellhorn äußert seine Genugtuung, dass die Ausstellung dies eindeutig klar stelle, aber auch über
die NS-Zeit hinausgehe. Die "Ära Tratz", dauere eben länger als die Zeit des Nationalsozialismus.
Eduard Paul Tratz habe als angesehener Ehrenbürger der Stadt Salzburg noch bis 1976 als Museumsdirektor wirken
können. Schellhorn: "Der insbesondere aus der Sicht aller Opfer des NS-Regimes unerträglich nachsichtige
und verharmlosende Umgang der Nachkriegsgesellschaft mit den NS-Tätern trifft voll und ganz auch auf Eduard
Paul Tratz zu. Das war ein Versagen der ganzen Gesellschaft, kein Alleinstellungsmerkmal des Hauses der Natur.
Aber auf diesen schwarzen Fleck der Nachkriegsdemokratie weist die Ausstellung klar hin. Die Aufarbeitung kommt
entsprechend spät, sehr, sehr spät. Für Salzburg ist sie wichtig. Und abgeschlossen – im Sinne von
entsorgt – ist sie nie."
Umfassendes Forschungsprojekt
Die Sonderausstellung ist Teil eines umfassenden Forschungsprojektes zur Aufarbeitung der Geschichte des Haus der
Natur. Kulturreferent Schellhorn gratulierte allen Verantwortlichen zu den dabei nun erzielten Fortschritten. Schellhorn
bedankte sich beim wissenschaftlichen Team dieses Projekts. Univ.-Prof. i.R. Dr. Robert Hoffmann (Salzburg), Univ.-Prof.
Dr. Maria Teschler-Nicola (Wien), Dr. Susanne Köstering (Land Brandenburg) und Univ.-Prof. i.R. Dr. Alfred
Goldschmid (Salzburg), sowie bei der Leitung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses der Natur, Direktor
Dr. Norbert Winding, Sammlungsleiter Dr. Robert Lindner und Archivarin Mag. Sonja Frühwirth. Bei den beiden
Letzteren lag der Hauptteil der Arbeit der Provenienzforschung.
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