Vortrag des EU-Ratspräsidenten im Parlament
Wien (pk) – Wir sind bereit, für unsere Werte einzustehen und dafür auch einen Preis zu zahlen,
unterstrich EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Die EU sei das größte Friedensprojekt, habe heute
seinen politischen Platz in der Welt, sei ein Global Player und trete für die Durchsetzung von Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit ein. Die gemeinsame Position und Reaktion aller 28 Mitgliedstaaten im Zuge der Ukraine-Krise
sei rascher erfolgt als erwartet, zeigte sich der EU-Ratspräsident über diesen Konsens in der Gemeinsamen
Außenpolitik erfreut. Es gelte, in Zukunft diesen neuen Sinn für eine geteilte Verantwortung für
die Nachbarschaft und die Welt zu festigen.
Van Rompuy hielt im Sitzungssaal des Nationalrats auf Einladung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer
und dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Außenpolitik und die Vereinten Nationen,
Wolfgang Schüssel, vor zahlreichen Gästen einen Vortrag zum Thema "Europe: A Continent in a Changing
World". Schüssel bezeichnete Van Rompuy als einen "Meister der Kunst, Kompromisse zu finden".
Kopf: EU muss schnell agieren und reagieren
Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf ging in seiner Begrüßung gleich auf das zentrale
Spannungsfeld ein und stellte die Frage in den Raum, ob die EU stark genug ist, mit einer Stimme zu sprechen, bzw.
auf der weltpolitischen Bühne die Stimme zu erheben, etwa in Verhandlungen mit Ländern wie China, Indien
oder Brasilien. Mannigfaltigkeit und Unterschiedlichkeit stellten ein wertvolles Gut dar, sie machten den Entscheidungsprozess
jedoch schwierig und lang. Die Welt ändere sich rasch, in den meisten Fällen reagiere die EU nur, sie
agiere jedoch zu selten, stellte er fest. Zudem drängten sich Fragen auf, wie man mit der Erweiterung der
EU umgehen soll, ob die Union institutionell auch darauf vorbereitet sei. Ferner sei die EU mit der Finanz- und
Wirtschaftskrise gefordert und mit beängstigenden Entwicklungen in den unterschiedlichsten Staaten und Regionen
konfrontiert.
Westen muss Werte der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen
Dass die EU die Herausforderungen annimmt und ihre Rolle als Global Player wahrnimmt, versuchte Van Rompuy anhand
der zahlreichen Gipfel und Gespräche der letzten Wochen, unter anderem mit den USA, mit China, mit afrikanischen
Ländern etc. zu untermauern. Die EU arbeite auch eng mit der UNO zusammen, führe internationale Missionen
an, leite mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton die Atomverhandlungen mit dem Iran und kämpfe
weltweit gegen die Armut.
Vor allem die krisenhaften Entwicklungen in der Ukraine und die gemeinsame Antwort der EU-Mitgliedstaaten hätten
die Funktionsfähigkeit der Union unter Beweis gestellt. Die Unterzeichnung des politischen Teils des Assoziierungsabkommens
mit der Ukraine sowie die finanzielle Hilfe sollen die Umsetzung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenrechten
und wirtschaftlichen Reformen in dem Land unterstützen und beschleunigen, sagte Van Rompuy. Das alles sei
aber die freie Entscheidung der Ukraine gewesen. Es sei zwar schwierig, einen Staat mit zwei starken Volksgruppen
zu führen, aber nicht unmöglich, meinte der Belgier.
Gleichzeitig ging der EU-Ratspräsident auf kritische Distanz zu Russland. Die EU habe viel in gute Beziehungen
zu Russland investiert, stellte er fest, Russland habe aber andere Ziele verfolgt. Herman Van Rompuy verteidigte
den von der EU beschlossenen Stufenplan zu den Sanktionen. Ziel sei weiterhin, eine Lösung durch Verhandlungen
und Dialog zu finden, hielt er unmissverständlich fest. Jedenfalls müsse die EU ihre Werte verteidigen
und hinaustragen. Der Westen sei existent, aber nicht im Sinne des Kalten Krieges und des Verhältnisses der
Angst, sondern im Sinne seiner Werte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.
Vor dem Hintergrund der gespannten Beziehungen zu Russland betrachtete der EU-Ratspräsident auch die Energiesicherheit
als eine dringende Frage.
Angst ist Nährboden für Nationalismus und Populismus
Van Rompuy sprach auch die Finanz- und Wirtschaftskrise an und war überzeugt davon, dass man diese überwinden
werde. Wir können uns nun auf eine positive Agenda konzentrieren, sagte er und plädierte eingehend für
eine bessere wirtschaftspolitische Koordination, um in der globalen Welt auch wettbewerbsfähig zu bleiben.
Das bringe Arbeitsplätze für junge Menschen, fügte er hinzu und machte gleichzeitig klar, dass die
zentrale Verantwortung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit bei den Mitgliedstaaten liege. Österreich sei ein
gutes Beispiel für eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik, so der EU-Ratspräsident. Die hohen Arbeitslosenraten
in manchen EU-Ländern seien aber nicht nur das Resultat der Wirtschaftskrise, sondern hingen zu einem großen
Teil mit ungelösten strukturellen Problemen zusammen, die vor der Krise evident gewesen, aber nicht gelöst
worden seien.
Selbstverständlich aber stelle der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eine der größten Herausforderungen
für die EU dar, vor allem im Hinblick auf die Akzeptanz der EU. Angesichts der Krise hätten die Menschen
Angst, und das sei der Nährboden für Nationalismus und Populismus. Van Rompuy rief daher dazu auf, Nationalismus
und Populismus öffentlich eine eindeutige Absage zu erteilen. Für die EU und ihre Mitgliedsländer
sah er es in diesem Zusammenhang als eine vordringliche Aufgabe, für Arbeitsplätze, für eine erfolgreiche
Wirtschaft und für die europäischen Werte zu kämpfen.
Zu den TTIP-Verhandlungen mit den USA bemerkte Van Rompuy, er sei sich der Sensibilität dieses Abkommens bewusst,
deshalb würden diese Verhandlungen auch offener geführt als andere. Am Schluss müssten aber die
Mitgliedstaaten, nationale Parlamente und das Europäische Parlament dem Ergebnis zustimmen
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