Experimente an der TU Wien konnten das Verhalten von Elektronen an winzigen Stufen auf Titanoxid-Oberflächen
erklären. Wichtig ist das für bestimmte Solarzellen und für Katalysatoren.
Wien (tu) - Es kommt in Zahnpasta genauso vor wie in Solarzellen oder chemischen Katalysatoren: Titanoxid
(TO2) ist ein Material mit vielen Einsatzmöglichkeiten. Obwohl es so oft verwendet wird, ist das Verhalten
von Titanoxid-Oberflächen noch immer für Überraschungen gut: Prof. Ulrike Diebold konnte nun mit
ihrem Team vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien klären, warum sich Sauerstoffatome so gern
an winzigen Kanten auf der Oberfläche von Titanoxid anlagern: Genau dort können sich Elektronen ansammeln,
die dem Sauerstoff das Andocken ermöglichen. Bei Solarzellen möchte man genau diesen Effekt vermeiden,
für Katalysatoren hingegen kann das eine höchst erwünschte Reaktion sein, die sich nun ganz gezielt
einsetzen lässt.
Mikroskopbilder von Titanoxid-Oberflächen
Titanoxid ist Ulrike Diebolds Lieblingsmaterial – für ihre aktuelle Publikation hat sie das Verhalten
von Titanoxid-Oberflächen mit Rastertunnelmikroskopie und Rasterkraftmikroskopie untersucht.
Titanoxid kann für Solarzellen eingesetzt werden. In einem nicht besonders effizienten aber sehr billigen
Typ, der sogenannten Grätzel-Zelle, spielt es die zentrale Rolle. „In Solarzellen sollen sich Elektronen frei
bewegen können und sich nicht irgendwo an einem bestimmten Atom festsetzen“, erklärt Martin Setvin, Erstautor
des Papers, das nun im Fachjournal „Angewandte Chemie“ erschien.
Umgekehrt ist es allerdings für manche Katalysatoren wichtig, dass sich Elektronen an Atomen der Oberfläche
binden. Denn nur wo ein zusätzliches Elektron sitzt kann ein Sauerstoff-Atom an die Titanoxid-Oberfläche
ankoppeln und dann für chemische Reaktionen genutzt werden.
Elektronen verbiegen das Kristallgitter
Dieses Festsetzen der Elektronen an einem bestimmten Atom der Oberfläche benötigt normalerweise aber
einen beträchtlichen Energieaufwand. „Wenn sich ein Elektron an einem Titanatom lokalisiert, dann ändert
sich die elektrische Ladung des Titanatoms, und aufgrund elektrostatischer Kräfte entsteht dann eine Verbiegung
im Titanoxid-Kristallgitter“, sagt Ulrike Diebold. Um diese Verbiegung zu erzeugen, muss Energie aufgewendet werden
– deshalb geschieht das normalerweise nicht.
Allerdings ist die Oberfläche von Titanoxid niemals völlig eben. Auf mikroskopischer Ebene entstehen
winzige Stufen und Kanten – oft nur eine einzige Atomlage dick. Genau an diesen Kanten können sich Elektronen
sehr leicht anlagern. Die Titanatome direkt an der Kante haben nur an einer Seite Nachbarn, sie lösen daher
kaum elektrostatische Verbiegungen im Inneren des Kristallgitters aus, wenn sie durch die Aufnahme eines Elektrons
ihren Ladungszustand ändern. „Tatsächlich können wir feststellen, dass genau an diesen Stellen der
Sauerstoff andockt“, berichtet Diebold.
Bessere Solarzellen, wirkungsvollere Katalysatoren
Daraus lassen sich nun für die technologische Verwendung von Titanoxid verschiedene Schlüsse ziehen:
Für photovoltaische Einsatzbereiche muss man solche Kanten eher vermeiden, für Katalysatoren bietet die
Erkenntnis aber tolle neue Chancen. Man könnte Oberflächen ganz gezielt so mikrostrukturieren, dass möglichst
viele Kanten entstehen und die Oberfläche dadurch chemisch noch viel reaktiver wird als sonst.
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