Von 11. April bis 6. Juli 2014 im Belvedere
Wien (belvedere) - Einen Dialog der besonderen Art zeigt das Projekt Klimt & Warhol Kuss & Kiss
vom 11. April bis 6. Juli 2014 im Klimt-Saal des Oberen Belvedere und im anschließenden Oktogon, führt
es doch mit Gustav Klimt und Andy Warhol zwei zentrale Größen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts
zusammen, die auf den ersten Blick gänzlich konträr erscheinen. Es ist die Auseinandersetzung mit dem
Thema Kuss, die, geleitet von jeweils unterschiedlichen Implikationen, eine spannende Verbindung und Neubetrachtung
der beiden Positionen und ihres historischen wie auch gesellschaftlichen Bezugsrahmens zulässt. Der 50. Jahrestag
der Fertigstellung von Warhols Experimentalfilm Kiss gibt den Anlass, diesem Film das Liebespaar (auch bekannt
unter dem Titel Kuss) eines von Klimts berühmtesten Werken gegenüberzustellen. Während Klimt sich
explizit auf die Schilderung des erotisch aufgeladenen Moments der Annährung zwischen Mann und Frau konzentriert
und so die Darstellung des Kusses als Sinnbild der Erfüllung sexuellen Begehrens bewusst umgeht, wird der
Kuss bei Warhol experimentell überhöht und somit zum Symbol einer revolutionären Position im Kontext
einer gesellschaftlich tief verankerten reaktionären Geisteshaltung. Beide Arbeiten beeinflussten auf ihre
Weise das jeweilige Umfeld der Künstler, zugleich erweiterten sie aber auch das gesellschaftspolitische Bewusstsein
ihrer Zeit
Kunsthistorische Bedeutung erlangte Warhols Kiss durch seine kritische Reflexion der strikten Zensur sexueller
Inhalte in amerikanischen Filmproduktionen. Bezugnehmend auf den Hays Code, der bis 1967 Richtlinien vorgab, wie
moralisch akzeptable Darstellungen von sexuellen Inhalten filmisch umgesetzt werden mussten, liest sich Kiss wie
eine emanzipatorische Parodie auf die kommerziellen Hollywoodfilme jener Zeit. Durch den Hays Code war die maximale
Dauer einer Kussszene auf drei Sekunden begrenzt, Warhol hingegen reihte unterschiedliche Sequenzen sich küssender
Paare darunter auch gleichgeschlechtliche zu einer 50-minütigen Kussszene aneinander.
Gustav Klimt, Kuss
Schon zu Lebzeiten war Gustav Klimt ein hoch angesehener Künstler, auch wenn er sich nach dem Skandal
um seine Fakultätsbilder ab 1905 aus der Öffentlichkeit zurückzog, um fortan ausschließlich
für das liberale Großbürgertum zu arbeiten. Bis zu seinem Tod im Jahr 1918 wurden bereits einige
seiner Werke für die Moderne Galerie (die Vorläuferinstitution des heutigen Belvedere) angekauft, darunter
die weltbekannte Jugendstilikone Kuss. Das Gemälde wurde im Entstehungsjahr 1908 auf der Kunstschau im Auftrag
des Ministeriums erworben und gilt bis heute als bedeutendstes Werk der Sammlung des Belvedere. Die Meisterwerke
Gustav Klimts werden dauerhaft innerhalb der Sammlungspräsentation im Oberen Belvedere ausgestellt. Anhand
des umfassenden Bestandes kann die künstlerische Entwicklung Klimts von den ersten Auseinandersetzungen mit
dem Historismus über die Secessionskunst bis hin zu seinem Spätwerk nachvollzogen werden.
Andy Warhol, Kiss
Mitte der 1960er-Jahre begann Andy Warhol sich verstärkt dem Multimedia-Bereich zuzuwenden. Auch wenn
ihn weiterhin hauptsächlich die Auseinandersetzung mit dem Medium Film beschäftigen sollte, machte er
sich als Protegé und Produzent des Debütalbums der experimentellen Rockband The Velvet Underground
verdient. Kiss zählt zu den ersten Filmen, die Warhol in seiner Factory gedreht hat. Zwischen 1964 und 1966
produzierte der Pop-Art-Künstler mit Freunden, Models und Prominenten wie Lou Reed, Nico, Edie Sedgwick, oder
Dennis Hopper an die 500 Kurzfilme, sogenannte screen tests. In seinen längeren anti-films, zu denen auch
Kiss zählt, äußerte er seine Kritik u. a. an der amerikanischen Filmindustrie. Andy Warhols Schwarz-Weiß-Stummfilm
Kiss, entstanden 1963/64, gilt heute als einer seiner bekanntesten Filme und zählt zu den ersten, die der
Künstler öffentlich präsentiert hat. 50 Minuten lang werden sich küssende Paare aus unterschiedlicher
Entfernung und in wechselnder Zusammensetzung gezeigt. Geschlecht und sexuelle Orientierung spielen dabei keine
Rolle. Darsteller sind u. a. Naomi Levine, Ed Sanders, Gerard Malanga, Baby Jane Holzer, Freddie Herko, Robert
Indiana und Marisol. In seiner Konzeption ließ Andy Warhol sich von Greta Garbos letztem Stummfilm Der Kuss
(1929) inspirieren, die Dreharbeiten fanden im August und im November/Dezember 1963 in The Factory statt. Gedreht
wurde im 16-mm-Format. Die erste Filmrolle gelangte im September 1963 im Gramercy Arts Theatre zur Uraufführung,
ein vierminütiger Auszug wurde (gemeinsam mit Kurzfassungen von Haircut, Eat und Sleep) zu einer Komposition
von La Monte Young im September 1964 auf dem New York Film Festival gezeigt.
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