Wien (onb) - Die Österreichische Nationalbibliothek konnte eine bisher nicht bekannte,
einzigartige Miniatur aus dem Spätmittelalter erwerben. Das Bild entstand um 1435 und zeigt Christus am Kreuz
in kühlen Farben, umgeben von goldener Pracht. Es stammt vermutlich aus einem Gebetbuch und ist ein weiteres
Hauptwerk des sogenannten „Albrechtsminiators“, einem in Wien für Kaiser Friedrich III. tätigen Buchmaler.
Die besonders gut erhaltene Miniatur auf Pergament zeigt die Kreuzigung Christi mit der Gottesmutter Maria zu seiner
Rechten und dem Evangelisten Johannes zur Linken. Aufgrund der stilistischen Eigenheiten der Darstellung, der für
den Maler charakteristischen Farbigkeit und der klaren, die Symmetrie bevorzugenden Bildkomposition konnten ExpertInnen
der Österreichischen Nationalbibliothek das kürzlich entdeckte Werk dem sogenannten „Albrechtsminiator“
zuordnen.
Viel ist über diesen Meister der mittelalterlichen Buchkunst nicht bekannt: Weder sein tatsächlicher
Name, noch die Lebensdaten sind belegt. Sicher ist aber, dass er zwischen 1430 und 1450 als Illustrator an mehr
als 20 prachtvoll ausgestatteten Handschriften in Niederösterreich und Wien mitgewirkt hat. Seine Auftraggeber
waren u. a. der habsburgische Herzog Albrecht V., der später als Albrecht II. (1397–1439) auch deutscher König
war, und Friedrich III. (1415–1493), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Möglicherweise war auch die
Miniatur der Kreuzigungsszene im Besitz dieser Herrscher.
Die Österreichische Nationalbibliothek besitzt bereits mehrere wichtige Werke dieses anonymen Malers, die
in der Sammlung von Handschriften und alten Drucken sicher verwahrt werden. Mit über 15.000 mittelalterlichen
Handschriften zählt diese Sammlung zu einer der kostbarsten und bedeutendsten der Welt. Berühmt sind
etwa der „Wiener Dioskurides“, entstanden um das Jahr 512, die „Tabula Peutingeriana“ aus dem 12. Jahrhundert und
die Prachtabschrift der „Goldenen Bulle“ aus der Zeit um 1400. Alle drei sind UNESCO-Weltdokumentenerbe.
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