Wien (foggensteiner) - Der Wiener Architekt Johannes Baar-Baarenfels wurde für die Neugestaltung des Palais
Rasumofsky von den Kuratoren der Biennale nach Venedig eingeladen. Der Umbau ist ein Vorzeigeprojekt für eine
zeitgemäße Architektur auf dem neuesten Stand der Technik im Spannungsfeld mit dem Denkmalschutz.
Das Kuratorium der Biennale in Venedig hält den pointierten Umbau des Palais Rasumofsky in Wien für einen
wichtigen Beitrag bei der diesjährigen Architektur Biennale: Die Arbeit von Architekt Johannes Baar-Baarenfels
ist von 7. Juni bis 23. November 2014 in Venedig im Palazzo Bembo ausgestellt.
Für die Neugestaltung des 1806 erbauten Palais wurden die Grenzen des Denkmalschutzes radikal ausgelotet,
um das maximal Mögliche innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Architekt Johannes Baar-Baarenfels
über das Palais: "Es gibt womöglich nur einmal im Leben die Gelegenheit, ein 200 Jahre altes Gebäude
mit so großer historischer Bedeutung zu beeinflussen. Das war kein leichtes Unterfangen und kann durchaus
mit einem Bau im Minenfeld verglichen werden."
Spagat zwischen alt und neu
Bei der Neuinterpretation des Palais Rasumofsky ging es darum, der historischen Form gerecht zu werden und die
Gebäudestruktur zu verbessern - statisch wie optisch. Bauelemente, die nicht der Originalsubstanz von 1806
entsprachen, wurden abgetragen, sodass lediglich vier Wände stehen blieben. Dieser brachiale Akt war notwendig,
um zum Ursprungsgebäude zurückzukehren. Basierend auf diesen Grundmauern wurde das Gartenpalais durch
den Einsatz von modernsten Materialien und zeitgenössischen Bautechniken in einen modernen Experimentalbau
verwandelt. Es ist ein Spagat zwischen radikal moderner und historisch wertvoller Architektur. Das neugestaltete
Palais Rasumofsky überzeugt durch seine Schlichtheit: "Der Expertimentalbau steht im krassen Gegensatz
zur Opulenz von 1806 und entfaltet erst beim näheren Hinsehen seine Qualitäten. Es ist ein Understatement
zeitloser Architektur", sagt Architekt Baar-Baarenfels.
Kühne Vision und schlichte Eleganz
Das neue Aluminium-Dach ist ein Stahlfachwerk, das sich mit einer Reihe von Vierendeel-Trägern nahtlos in
das bestehende Ensemble einfügt. Darunter befindet sich die Penthouse-Wohnung. Sie ist von Terrassen umgeben
und verfügt über eine vertikale Verglasung in voller Höhe, die mit einem integrierten Sonnenschutz-System
klimareguliert wird. Der Dach-Blendschutz aus extrudierten Aluminiumlamellen bietet Schatten ohne den Blick nach
Draußen zu verstellen, da dieser in einer unterschiedlichen Dichte gefügt ist. Das Erdgeschoss wurde
in eine sechs Meter hohe Galerie verwandelt. Die zwei größeren Räume wurden durch die Einfügung
einer neuen zusätzlichen Ebene zwischen zwei freistehenden abgewinkelten Betonscheiben verbunden. Die einseitig
eingespannte Betontreppe ist zur Materialminimierung organisch geformt.
Das Palais Rasumofsky wurde 1806 in der Zeit des Wiener Kongress für den russischen Diplomaten, Musikmäzen
und Kunstsammler Fürst Andrei Kirillowitsch Rasumofsky erbaut. Es gilt seither als das bedeutendste Empire
Palais des Wiener Architektur-Erbes. Acht Jahre nach Fertigstellung brannten Teile des Palais in Wien Landstraße
ab. Das Palais musste größtenteils neu erbaut werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde es durch die Bombardierung
stark beschädigt. Die Schäden wurden in der Nachkriegszeit jedoch nur provisorisch behoben.
Vor Baubeginn 2010 verhandelten Baar-Baarenfels und sein Bauherr drei Jahre lang mit dem Denkmalamt. Nach Abstimmung
mit den Behörden konnte dieser Experimentalbau geschaffen werden, der zeitgenössische und historische
Architektur miteinander vereint.
Johannes Baar-Baarenfels wurde 2013 beim World Architecture Festival in Singapur mit dem Palais Rasumofsky
in der Kategorie "Neu und Alt" ausgezeichnet. Bereits 2010 war Baar-Baarenfels bei dem World Architecture
Festival in Barcelona nominiert: Damals für den Sportalm-Flagship-Store in der Wiener Brandstätte und
in der Kategorie "Shopping". Die Jury hatte vor allem das stringente Shop-Design aus weißem Mineralwerkstoff
beeindruckt.
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