Karlsruhe (idw) - Das weltweit längste supraleitende Energiekabel wurde heute offiziell in das Stromnetz
einer deutschen Stadt integriert. Das rund einen Kilometer lange Kabel verbindet nun im realen Betrieb zwei Umspannanlagen
im Essener Zentrum. Damit starten RWE, Nexans und KIT nun einen richtungsweisenden Praxistest zur künftigen
Energieversorgung von Innenstädten. Die besonders effiziente und platzsparende Technologie transportiert im
Vergleich zu herkömmlichen Kabeln eine fünf Mal höhere Strommenge pro Kabelquerschnitt, und dies
nahezu verlustfrei.
Zur heutigen Feier der Inbetriebnahme des Kabels unter dem Projektnamen AmpaCity waren Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin
des Landes Nordrhein-Westfalen, Physiknobelpreisträger Johannes Georg Bednorz als Mitentdecker der Hochtemperatur-Supraleitung
sowie zahlreiche Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zur Umspannanlage Herkules in der Essener Innenstadt
gekommen. Als Projektpartner trägt das KIT zu AmpaCity mit wissenschaftlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
bei, hat die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von supraleitenden Stadtnetzen in einer umfangreichen Studie
untersucht und begleitet den Kabelbetrieb.
"Das ist ein guter Tag für [...] die Energiewende in Deutschland. Heute schicken wir die Supraleiter-Technologie
in den weltweit ersten Praxistest. Das Projekt AmpaCity hat für uns als Energieland Nr. 1 eine hohe Bedeutung“,
sagte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
„Forschung muss zur Lösung gesellschaftlicher Fragen und Bedürfnisse beitragen“, unterstrich Holger Hanselka,
Präsident des Karlsruher Instituts für Technologie. „Das Projekt AmpaCity ist ein gutes Beispiel, welch
wertvolle Beiträge zu aktuellen Herausforderungen wie der Energiewende aus langfristiger anwendungsorientierter
Grundlagenforschung des Staates und konsequenter Kooperation mit innovativen Industriepartnern erwachsen kann.“
Peter Terium, Vorstandsvorsitzender der RWE AG, betonte bei der Inbetriebnahme: „AmpaCity zählt zu den herausragenden
innovativen Projekten, die RWE mit großer Energie und Leidenschaft umsetzt. Energiewende braucht Mut, Erfindergeist
und echte Partnerschaft. Das zeigen wir in Essen auf eindrucksvolle Weise.“
„Für das KIT ist AmpaCity ein wichtiger Meilenstein in der langfristig angelegten Forschung und Entwicklung
supraleitender Netzkomponenten. Der grundlegende Wandel, den das Stromnetz mit der zunehmenden Integration erneuerbarer
Energie erfahren wird, ist für uns Motivation und Herausforderung, um auch zukünftig mit innovativen,
supraleitenden Lösungen zu einem sicheren, stabilen und effizienten Netz beizutragen“ erklärte Joachim
Knebel, Bereichsleiter Maschinenbau und Elektrotechnik am KIT.
„Ich bin begeistert“, bekannte Physiknobelpreisträger Johannes Georg Bednorz schon in der frühen Phase
von AmpaCity. „Was irgendwann während der 80er Jahre einmal ein Traum zu werden begann, wird nun Wirklichkeit.
Ein supraleitendes Kabel im realen Einsatz […].“ Zum Stand der Supraleitungstechnologie bestätigt er, „dass
Deutschland sich wieder an der Spitze der Entwicklung eingereiht hat.“
„Hochtemperatur-Supraleiter-Energiekabel sind bereit zur Markteinführung. In rund 30 Jahren haben die Hochtemperatur-Supraleiter
den Weg von einer Nobelpreis-würdigen Idee zur Schwelle der wirtschaftlichen Anwendung zurückgelegt“,
erklärt Mathias Noe, Leiter des Instituts für Technische Physik am KIT und Projektpartner bei AmpaCity.
„Aktuelle Forschungsergebnisse machen die Materialien anwendbarer, die Kabel mechanisch robuster und minimieren
insbesondere die Wechselstromverluste. Die Betriebserfahrung von AmpaCity soll zeigen, dass die technischen Anforderungen
des Praxisbetriebs mit hoher Zuverlässigkeit erfüllt werden.“
Das dreiphasige, konzentrisch aufgebaute 10.000-Volt-Kabel bei AmpaCity ist für 40 Megawatt Übertragungsleistung
ausgelegt. Trotz des Kühlmantels gelingt es mit dem Supraleiterkabel die fünffache Strommenge wie bei
einem gleich großen Kupferkabel zu transportieren – und das bei geringeren elektrischen Verlusten. Durch
die Eigenschaften des supraleitenden Materials, einer besonderen Keramik, und dessen Kühlung auf minus 200
Grad Celsius wird das Kabel zu einem idealen elektrischen Leiter. In Essen ersetzt das 10.000-Volt-Supraleiterkabel
eine herkömmliche 110.000-Volt-Leitung.
Dem Projekt AmpaCity ging unter Federführung des KIT eine ausführliche Studie zur technischen Machbarkeit
und Wirtschaftlichkeit einer Supraleiterlösung auf der innerstädtischen Mittelspannungsebene voraus.
Supraleiterkabel sind die sinnvollste Möglichkeit, den Einsatz von Hochspannungskabeln in städtischen
Netze zu reduzieren, die Netzstruktur zu vereinfachen und die ressourcen- sowie flächenintensiven Umspannstationen
zurückzubauen. Zwar ist die Übertragung hoher Leistungen in Innenstädten auch mit Kupfer-Mittelspannungskabeln
möglich, der Kosteneffizienz dieser Lösung stehen jedoch sehr viel höhere ohmsche Verluste gegenüber.
Nach erfolgreichem Abschluss des jetzt startenden zweijährigen Feldtests wäre es denkbar, das Rückgrat
des Essener Verteilnetzes gemäß der Vorstudie weitgehend auf 10.000-Volt-Supraleiter umzustellen und
die Hochspannungsanlagen zurückzubauen. Dies würde mittelfristig zu mehr Effizienz, einem schlankeren
Netz, sowie niedrigeren Betriebs- und Instandhaltungskosten bei gleichzeitig geringerem Flächenverbrauch führen.
Fördermittel des Bundeswirtschaftsministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) hatten das Pilotprojekt
AmpaCity ermöglicht. So steuerte das BMWi 5,9 Millionen Euro zu den 13,5 Millionen Euro bei, die die Projektpartner
in das Vorhaben investierten. Diese sind RWE als Netzbetreiber, der Kabelhersteller Nexans, der neben dem Energiekabel
auch einen supraleitenden Kurzschluss-Strombegrenzer für den Testbetrieb lieferte, und das Karlsruher Institut
für Technologie (KIT), das den Feldversuch wissenschaftlich begleitet.
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