Ausstellung im MAK unternimmt umfassende Neubetrachtung von Hans Holleins Gesamtwerk
Wien (mak) - Stararchitekt, bis dato einziger österreichischer Pritzker-Preisträger, Designer,
Künstler, Kurator, Ausstellungsmacher, Theoretiker, Lehrender, Autor, Medienvisionär, Kulturanthropologe:
Als Gestalter im umfassendsten Sinn hat Hans Hollein (1924-2014) der Architektur eine neue Note und dem Attribut
Universalkünstler eine neue Dimension verliehen. Die Ausstellung HOLLEIN (MAK-Ausstellungshalle, 25. Juni
- 5. Oktober 2014), die das MAK mit Unterstützung der Universität für angewandte Kunst Wien präsentiert,
taucht in sein reiches Universum ein und unternimmt anhand von großteils noch nie öffentlich gezeigten
Materialien aus dem Archiv Hans Holleins eine umfassende Neubetrachtung seines Gesamtwerks. Eine speziell für
die Ausstellung entstandene, neue Serie von Fotoarbeiten der KünstlerInnen Aglaia Konrad und Armin Linke eröffnet
neue Perspektiven auf sein Werk.
"Form folgt nicht Funktion. Form entsteht nicht von selbst. Es ist die große Entscheidung des Menschen"
schreibt Hollein 1963 im Beitrag Architektur. Damals noch keine dreißig Jahre alt, definiert er damit - wie
nur wenige Jahre später mit seinem viel zitierten Manifest "Alles ist Architektur" (1967) - jene
konsequente Haltung, die sein spartenübergreifendes Schaffen seit fünf Jahrzehnten prägt. Mit seiner
Auffassung einer totalen Umwelt, die als dreidimensionaler Ausdruck des menschlichen Verhaltens die Erde in eine
Kunst-Kammer transformiert, seiner Bereicherung der Archi-tektur um Emotion und Sinnlichkeit und seinem Verständnis
von Architektur als Medium der Kommunikation verfolgt Hollein eine progressive Haltung, die Architektur als wesentliche
Komponente sozialer Prozesse definiert.
Die von Wilfried Kuehn, Gastkurator, und Marlies Wirth, MAK-Kuratorin, erarbeitete Personale nähert sich Hollein
nicht retrospektiv oder chronologisch, sondern anhand von Themenbereichen, die sich im Zuge der umfassenden Recherchen
in Holleins Archiv und Werk herauskristallisierten. Hans Holleins Denkrichtung folgend nimmt die Ausstellung HOLLEIN
keine Trennung in Architektur, Design und Kunst vor, sondern kontextualisiert sein komplexes Werk - Ausstellungen,
Museumsgebäude und -entwürfe, mediale Objekte, Display-Architekturen, Stadtmodelle und utopische Umwelten
anhand von Arbeitsmodellen, Originalzeichnungen, Objekten und Ausstellungsrelikten, Skizzen, Notizen, Konzeptpapieren,
Fotografien, Filmen u. v. m. - entlang eines Ausstellungsparcours in Sinn- und Formanalogien.
Holleins visionäres architektonisches Konzept des "Kleeblattprinzips", das er für das erste
von ihm gebaute Museumsgebäude, das Museum Abteiberg (Mönchengladbach, 1982) entwickelte, wird in der
Ausstellungsarchitektur modellhaft aufgegriffen. Diese spezielle Raumabfolge ermöglicht durch eine diagonale
Anordnung quadratischer Räume völlig neue Blickachsen und inhaltliche Querverbindungen zwischen den einzelnen
Räumen und den darin präsentierten Arbeiten. Die typische Symmetrie der MAK-Ausstellungshalle wird aufgehoben
und vermittelt ein Ausstellungserleben, das Holleins Gestaltungsprinzipien spürbar werden lässt.
Dass Ausstellen für Hollein nicht einfach das Zeigen von Objekten, sondern vor allem das Erzeugen von Bedeutungen
durch Kontexte ist, manifestiert sich in besonderer Intensität in seinen wegweisenden Ausstellungsprojekten,
wie der Ausstellungsbereich "Mediale Objekte" vor Augen führt. Exemplarisch dafür steht der
von Hollein kuratierte und gestaltete Österreich-Beitrag "Austriennale" für die Triennale in
Mailand im Jahr 1968. Hollein transformierte die Leistungsschau österreichischer Produkte in ein Gesamtkunstwerk
mit performativem Charakter, inszenierte Schnee als österreichisches Massen- und Kulturprodukt und Reihen
von Bene-Büroordnern als Sinnbild der Bürokratie. BesucherInnen wurden in das kuratorische Konzept eingebunden,
etwa mit der "Frustrationstür", an der nur eine der vielen Türklinken funktionierte, oder als
Träger der "Rot-Weiß-Rot-Österreich-Brille", die direkt vor Ort produziert wurde. In
einer seiner wichtigsten Ausstellungen, "MANtransFORMS" (1976), der Eröffnungsausstellung des Cooper
Hewitt National Museum of Design in New York, unternimmt Hollein eine bis heute aktuelle Analyse der "vom
Menschen gestalteten Welt" und setzt mit seinem anthropologischen Gestaltungsbegriff ein wegweisendes Statement
zur grundlegenden Frage: "Was ist Design?".
Auch in seinem Beitrag zur Design-Ausstellung "Selection66" (MAK, 1966) oder in den Ausstellungen "Papier"
(Design-Center, Wien, 1972) und "Eternit" (Internationaler Wasserwirtschaftskongress Hofburg, Wien, 1969),
die in der Ausstellung HOLLEIN anhand von Originalobjekten, Entwurfszeichnungen und Skizzen präsentiert werden,
bewies Hollein innovative Strategien im Umgang mit verschiedenen Themen und Materialien.
Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Modelle thematisieren im Ausstellungsbereich "Display-Architektur"
Hans Holleins immer wiederkehrendes Spiel mit archaischen Symbolen und Architektur-Metaphern. Türme und Säulen
etwa gewinnen im Glas- und Keramikmuseum Teheran (1978) als Display ebenso Form und Funktion wie die zum Logo gewordene
Palme des Österreichischen Verkehrsbüros (1978-1985) oder das Portal in der von Hollein als innovative
Ausstellungsmaschinerie konzipierten Feigen Gallery (1969) in New York. Auch das derzeit in Shenzhen, China in
Bau befindliche, skulptural anmutende und mit integrierten Gärten versehene Bürogebäude SBF Tower
(Auftraggeber: Southern Asset Management Co. Ltd./Bosera Asset Management Co. Ltd) ist deutlich mehr als rationale
Architektur und steht in auffallendem Gegensatz zu den Hochhäusern des Umfeldes.
Dominant in Holleins Schaffen ist sein Interesse für das nicht unmittelbar Funktionale, für scheinbar
nebensächliche architektonische Elemente. Exemplarisch für diese markante Note steht im Themenbereich
"Stadtmodelle" Holleins ikonischer Beitrag für die erste Architektur-Biennale in Venedig (1980),
für die unter dem Titel "Strada Novissima" internationale ArchitektInnen eingeladen waren, einen
hypothetischen Straßenzug im Arsenale mit prototypischen Fassaden zu bespielen. In der legendären von
ihm kuratierten Ausstellung "Traum und Wirklichkeit" 1870-1930 (1985) des Wien Museums im Künstlerhaus
definierte Hollein die kulturgeschichtliche Auseinandersetzung zur Wiener Moderne mit auffälligen Inszenierungen
neu.
Dem Beitrag Hans Holleins für den österreichischen Pavillon auf der Kunstbiennale Venedig 1972 "Werk
und Verhalten, Leben und Tod. Alltägliche Situationen" wird in der MAK-Ausstellung ein eigener Raum gewidmet.
Erhaltene Originalobjekte erlauben eine konzeptuelle Rekonstruktion der Situation im Pavillon. Das Projekt nimmt
direkt Bezug auf seine Installation "Alles ist Architektur. Eine Ausstellung zum Thema Tod" (Mönchengladbach,
1970), ein archäologisches Feld, in dem Hollein die BesucherInnen nach Münzen und Golfschlägern
graben ließ. Schließlich sollte dies zu seinem ersten Großprojekt, dem Museum Abteiberg Mönchengladbach
(Baubeginn 1972; Eröffnung 1982), führen.
Holleins Entwurf des Museums Abteiberg Mönchengladbach, das die Debatte über Museumsarchitektur über
Jahrzehnte beeinflusst hatte, bildet auch den Ausgangspunkt für den Bereich "Kunstwelten", der Hollein
als Museumsarchitekt und Stadtplaner zeigt. Angelehnt an die Idee der archäologischen Grabung integrierte
er den Museumsbau in die Flanke eines Hügels und vernetzte das Gebäude untrennbar mit der Umgebung. Eine
diagonale Anordnung der Räume im Inneren ("Kleeblattprinzip") ermöglicht eine dialektische
räumliche Erfahrung. Arbeitsmodelle, Zeichnungen, Schnitte und Pläne lassen die Entwicklung des Museumsbaus
Revue passieren. Das häufig als Tortenstück bezeichnete Museum für Moderne Kunst (MMK) Frankfurt
(1991), das spektakuläre, größtenteils unterirdisch angelegte Museum für Vulkanismus "Vulcania"
(2002) in Saint-Ours-Les-Roches, Auvergne, Frankreich, sowie der trotz Wettbewerbsgewinn nie realisierte, bahnbrechende
Entwurf eines Museums im Mönchsberg in Salzburg (1989) skizzieren Hollein im Bereich "Kunstwelten"
ebenso als Grenzgänger wie die Papier gebliebene Studie zu einem Guggenheim Museum in Wien (1990) oder Entwürfe
für ein Experimentalmuseum in St. Louis (1960er Jahre).
Wie ein roter Faden zieht sich die Beziehung zwischen Objekt, Raum und Landschaft durch Holleins Werk. Der Themenbereich
"Gebaute Landschaften" thematisiert diese "Schwellenräume" anhand von zahlreichen Zeichnungen
hervorragender künstlerischer Qualität, die Entwürfe für Kulträume und Kirchen, für
die legendären Wiener Geschäfte Retti oder Schullin oder für künstliche Landschaften zeigen.
Schwarz-Weiß- Fotografien, die Hollein in den 1960er Jahren in St. Margareten im Burgenland aufgenommen und
in der Ausstellung "sites" (Richard Feigen Gallery, Chicago, 1969) ausge-stellt hatte, sind ebenso zu
sehen wie seine bekannten Collagen mit Flugzeugträgern und seine legendäre "Architekturpille"
(non-physical Environments, 1967).
Ein begehbares Archiv - basierend auf Originalmaterialien aus Hans Holleins Archiv - vertieft in der MAK-Ausstellung
den Einblick in seine Denk- und Arbeitsprozesse. Zu sehen sind hier auch Fotografien und ausgewählte filmische
Beiträge wie das berühmte "Österreichische Porträt für den ORF" (1969) sowie
Filme zu seinem Werk des bekannten österreichischen Regisseurs und Hollein-Freunds Paulus Manker.
Als wesentliches Element der Ausstellung ermöglichen neue fotografische Arbeiten der zeitgenössischen
KünstlerInnen Aglaia Konrad und Armin Linke eine visuelle Neubetrachtung von Holleins Architektur. Auf Einladung
des MAK fotografierten sie wegweisende Hollein-Bauten der vergangenen fünf Jahrzehnte neu. Schlüsselwerke
seiner Museumsbauten wie das Museum Abteiberg in Mönchengladbach (1982), das MMK Frankfurt (1991), das Museum
für Glas und Keramik in Teheran (1978) oder "Vulcania" (2002) sind dabei ebenso zu sehen wie das
anlässlich der olympischen Spiele entstandene Orientierungs- und Kommunikationssystem "Medialinien"
in München (1972), oder bekannte Projekte Holleins in der Wiener Innenstadt, darunter das ehemalige Kerzengeschäft
Retti (heute Juwelen Y. GADNER; 1965), die Boutique CM (1967) oder das ehemalige Juweliergeschäft Schullin
am Graben (1974). Die Fotografien der beiden KünstlerInnen in unterschiedlichen Formaten und Sequenzen ergänzen
einander zu einer konzeptuellen Raumcollage.
Die Ausstellung HOLLEIN (25. Juni - 5. Oktober 2014) wurde in Zusammenarbeit mit dem Museum Abteiberg Mönchengladbach
vorbereitet, wo mit "Hans Hollein: Alles ist Architektur" (13. April - 28. September) eine weitere Neubetrachtung
von Holleins Werk stattfindet. Zur Ausstellung im MAK erscheint eine Publikation in Kooperation mit dem Museum
Abteiberg, in der die aktuellen Fotoarbeiten von Aglaia Konrad und Armin Linke im Fokus stehen.
Kooperationspartner: Universität für angewandte Kunst Wien
Hauptsponsoren: BAI Bauträger Austria Immobilien GmbH WED Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum
Förderung: Kulturabteilung der Stadt Wien / Wien Kultur MAK ART SOCIETY (MARS)
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