Schlüsselenzym des Milchsäurestoffwechsels auch in Lungentumoren aktiv Neuer Stoffwechselweg
an der Med Uni Graz identifiziert
Graz (meduni) - Für das teils enorm rasche Größenwachstum benötigen Tumorzellen Energie
in Form von Glucose. Diese wird dadurch in Tumoren rasch verbraucht. Deshalb entwickeln Tumorzellen Strategien,
um trotz des Glucosemangels im Tumorgewebe überleben zu können. WissenschafterInnen an der Medizinischen
Universität Graz gelang nun der erstmalige Nachweis eines neuen Stoffwechselweges, der das Überleben
von Lungentumorzellen unter Nährstoffmangel begünstigt. Hier kann in weiterer Folge der Schlüssel
zum kontrollierten Zelltod von Krebszellen liegen.
Tumorzellen benötigen große Mengen an Nährstoffen
Um das teilweise enorm schnelle Größenwachstum zu erreichen, nehmen Tumorzellen große Mengen
an Glucose aus dem Blutstrom auf. Da die Glucose-Konzentration im Tumorgewebe jedoch niedriger als im normalen
Gewebe ist, müssen Krebszellen Strategien entwickeln, um einen drohenden Nährstoffmangel ausgleichen
zu können. "Zellinterne Reaktionen auf eine unzureichende Nährstoffzufuhr sind bisher kaum untersucht
worden", berichtet Dr. Katharina Leithner, Klinische Abteilung für Pulmonologie der Med Uni Graz, über
den Status Quo der Forschung. Eine Forschergruppe rund um Univ.-Prof. Dr. Horst Olschewski konnte erstmalig nachweisen,
dass Krebszellen unter Glucosemangel einen Stoffwechselweg aktivieren, der ihr Überleben sicherstellt. "In
Kooperationen mit weiteren Instituten an der Med Uni Graz sowie dem Institut für Molekulare Biowissenschaften
der Uni Graz, dem Ludwig Boltzmann Institut für Lungengefäßforschung in Graz und dem Weatherall
Institute in Oxford konnten wir nachweisen, dass die Milchsäure - ein Nebenprodukt des Glucosestoffwechsels
- Tumorzellen erlaubt, unter Glucosemangel wichtige Zellbestandteile aufzubauen", beschreibt Katharina Leithner
den an der Med Uni Graz identifizierten Stoffwechselweg.
Schlüsselenzym des Milchsäurestoffwechsels auch in Lungentumoren aktiv
Enzyme sind Proteine, die wichtige Stoffwechselfunktionen im menschlichen Körper steuern. Das Schlüsselenzym
Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase (PEPCK) reguliert die Gluconeogenese - also die Bildung von Glucose aus Nebenprodukten
des Stoffwechsels. "Bisher war dieses Enzym vorwiegend aus der Diabetestherapie bekannt", erläutert
Katharina Leithner. An der Med Uni Graz konnte nun erstmals nachgewiesen werden, dass PEPCK auch in bösartigen
Tumoren der Lunge aktiv ist. "Das Enzym PEPCK ermöglicht Tumorzellen das Recycling von Milchsäure
oder die Umwandlung von Aminosäuren in zentrale Stoffwechselprodukte. Somit kann PEPCK das Überleben
von Tumorzellen unter Glucosemangel begünstigen". Die Grazer WissenschafterInnen beschäftigen sich
daher mit der Frage, ob eine kontrollierte Unterbrechung von PEPCK zum Absterben von Tumorzellen führen kann.
PEPCK-Verlust führt Tumorzellen in den Zelltod
"Labormodelle haben gezeigt, dass Glucosemangel in gezüchteten Lungenkrebszellen zu einer deutlichen
Zunahme von PEPCK führt und dessen Aktivität zusätzlich steigert", so Katharina Leithner. Lungenkrebszellen
waren außerdem in der Lage, mit Hilfe dieses Enzyms Milchsäure, die mit schwerem Kohlenstoff markiert
war, zu einem zentralen Metaboliten (Zwischenprodukt des Stoffwechsels) umzuwandeln. Wurde das Enzym PEPCK gehemmt,
so konnten unter Glucosemangel weniger Lungenkrebszellen überleben. "Vor allem bei Lungenkrebszellen
die eine Mutation des Energiesensors LKB1 aufweisen, konnte dieser Effekt maßgeblich festgestellt werden",
berichtet Katharina Leithner. Diese Mutation ist bei ca. 30% der Lungenkrebs-PatientInnen vorhanden.
Tumorzellen sind in der Wahl ihres "Hauptnahrungsmittels" sehr anpassungsfähig. "Unsere
Ergebnisse zeigen, dass eine kontrollierte Hemmung der PEPCK-Versorgung zum Absterben von Tumorzellen führen
kann", fasst Katharina Leithner zusammen. Weitere wissenschaftliche Arbeiten dazu sind jedoch erforderlich.
Aktuell untersuchen die Grazer ForscherInnen, ob ein häufig bei der Therapie von Diabetes eingesetztes Medikament
PEPCK in Tumorzellen hemmt. "Dies könnte einen Ansatz für zukünftige Therapieoptionen bei Lungenkrebs
darstellen", blickt Katharina Leithner optimistisch in die Zukunft.
|