Große Differenzen bei Fragen zur Sanierung des Haushalts
Wien (pk) – Nach der Budgetrede von Finanzminister Michael Spindelegger am 29.04. und der Ersten Lesung
der Entwürfe für das Doppelbudget 2014 / 2015 in der letzten Woche startete der Budgetausschuss am 08.05.
unter der Verhandlungsführung seiner Obfrau Gabriele Tamandl die diesjährigen Budgetverhandlungen traditionsgemäß
mit einem Expertenhearing. Die insgesamt sieben ÖkonomInnen hatten auch den Entwurf für einen neuen Bundesfinanzrahmen
2015 bis 2018 zu beurteilen.
Die Regierung schlägt dem Nationalrat vor, die Auszahlungen für 2014 auf 75,760.877 Mrd. € und für
2015 auf 74,686.995 Mrd. € zu begrenzen. Die Einzahlungen schätzt das Finanzministerium für 2014 auf
72,195.785 Mrd. € und für 2015 auf 71,525,383 Mrd. €. Daraus resultiert für das laufende Budgetjahr ein
veranschlagter Nettofinanzierungsbedarf (=Defizit) von 3,565.092 Mrd. € und für 2015 ein Defizit von 3,161.612
Mrd. €. Dem Strategiebericht zum Bundesfinanzrahmen ist zu entnehmen, dass das gesamtstaatliche Maastrichtdefizit
von 2013 auf 2014 von 1,5% auf 2,7% des BIP steigen wird, 2015 aber auf 0,9% und bis 2018 weiter auf 0,3% des BIP
sinken soll. 2016 will die Regierung das um Einmal- und Konjunktureffekte bereinigte "strukturelle" Defizit
des Gesamtstaates auf 0,4% des BIP senken, womit das Defizit-Kriterium des Fiskalpaktes für einen ausgeglichenen
Staatshaushalt erfüllt wäre. Wegen der Hypo Alpe Adria steigt die Staatsverschuldung 2014 auf 79,2% des
BIP, soll bis 2018 aber nach und nach wieder auf 71,5% sinken.
Kurt Bayer: Budgets der versäumten Möglichkeiten
Der Ökonom Kurt Bayer sprach angesichts der Budgetentwürfe von versäumten Möglichkeiten
und bezeichnete sie als konjunkturell verfehlt. Fortgesetzt werde die falsche Krisenpolitik der Europäischen
Union, die Budgetkonsolidierung in den Vordergrund gestellt, andere Ziele aber vernachlässigt. Eine überkommene
Ausgabenstruktur werde fortgeschrieben, statt zukunftsorientierte Ausgaben zu forcieren, etwa für öffentliche
Investitionen in die Infrastruktur, bei denen Österreich im europäischen Vergleich an letzter Stelle
stehe. Bei Aufwendungen für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und die für Umwelt - hier kürze
Österreich -, liege selbst Großbritannien besser, bemängelte Bayer. Vergebene Chancen ortete der
Experte auch bei der Lösung der Hypo-Probleme, die zu Lasten der SteuerzahlerInnen und von Zukunftsinvestitionen
gehe. Bayer schlug dem Ausschuss vor, zur Finanzierung der Hypo-Abwicklung eine befristete Steuer mit einem Satz
von 5 % auf hohe Vermögen einzuführen und einen Freibetrag von 500.000 € vorzusehen. Eine derartige Sonderabgabe
würde 90 % der Haushalte nicht belasten, das Aufkommen schätzte Bayer auf 5 bis 6 Mrd. € ein.
Einer Meinung mit Grün-Abgeordnetem Bruno Rossmann war Kurt Bayer bezüglich der Dringlichkeit einer Entlastung
des Faktors Arbeit, wobei er seinen Vorschlag für vermögensbezogene Steuern, so etwa eine einmalige Vermögenssteuer
als Folge des Hypo-Debakels, präzisierte. Vermögenssteuern könnten aber nicht alle österreichischen
Probleme lösen, gab er zu bedenken und sprach sich insgesamt dafür aus, die Abgaben- und Steuerstruktur
auf ihre Wachstums- und Beschäftigungseffekte zu untersuchen und zu optimieren. Klar war für Bayer im
Übrigen, dass Österreich nicht über niedrige Arbeitskosten in der globalisierten Welt konkurrieren
könne, sondern dass es vielmehr gelte, durch hochwertige Produktion und Dienstleistungen zu reüssieren.
Helmut Berger: Wirkungsorientierung als Steuerungsinstrument nützen
Der Leiter des Budgetdienstes des Parlaments, Helmut Berger, der auf Wunsch aller Ausschussmitglieder ebenfalls
einbezogen wurde, ging auf Fragen der Abgeordneten zur Wirkungsorientierung im Haushaltsrecht ein. Es handle sich
dabei um ein neues Instrument, das im Vorjahr eingeführt wurde und sich in der Anfangsphase befinde. Aufgrund
der fehlenden Ist-Werte für 2013 könnten auch noch keine Aussagen über die Wirkung getroffen werden.
Generell sehe er allerding ein großes Entwicklungspotenzial, vor allem dann, wenn man sich auf Indikatoren
und Maßnahmen fokussiert, die eine Steuerungswirkung haben und das Parlament entsprechend einbezogen wird.
Markus Fichtinger: Staatssektor zu groß, Ausgaben zu hoch
Der Ökonom Markus Fichtinger schloss sich Kurt Bayer an, sprach ebenfalls von versäumten Möglichkeiten
und führte den hohen Schuldenberg auf die Haushaltspolitik der letzten vier Jahrzehnte zurück. Die Entwürfe
enthielten nur minimale Verbesserungen, sodass die Staatsschulden weiter steigen und die Abgabenbelastung, insbesondere
bei der Lohn- und Einkommenssteuer sowie bei der Umsatzsteuer zunehme. 75 % der Mehreinnahmen, nämlich 5,4
Mrd. €, stammten aus Lohnsteuer und Umsatzsteuer, was KonsumentInnen und private Haushalte belaste. Als Kostentreiber
identifizierte Fichtinger den Pensionssektor und den großen Staatssektor, der die Ausgabenquote in Österreich
nicht nur im Vergleich mit Deutschland und der Eurozone, sondern auch mit Schweden überdurchschnittlich zunehmen
lasse. In seinen Antworten auf Detailfragen der Abgeordneten ordnete Fichtinger die Kürzung von EZA-Mitteln
dem für alle Ressorts geltenden Sparzwang zu.
Mit Abgeordneter Kathrin Nachbaur vom Team Stronach, die eine echte Schuldenbremse forderte, stimmte Markus Fichtinger
darin überein, dass die Bundesregierung im Hinblick auf die Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters
von einer optimistischen Entwicklung ausgeht (plus 1,7 Jahre in einem Zeitraum von fünf Jahren). Im Sinne
von kaufmännischer Vorsicht und aufgrund der historischen Erfahrungen tendiere auch er eher zur Schätzung
der Pensionskommission, die sich nur einen Anstieg um 0,7 Jahre erwartet. Richtig sei auch die Aussage von Nachbaur,
dass sich die Erhöhung der Mittel für Wissenschaft und Forschung durch die einmalige Auflösung einer
Rückstellung ergebe. Die zusätzliche Milliarde Euro für die neuen Leistungsvereinbarungen an den
Unis sei aus seiner Sicht im Budget nicht zu finden. Generell trat Fichtinger dafür ein, mehr Anreize für
privates Engagement bei der Finanzierung des tertiären Sektors zu schaffen. Nachdenken sollte man seiner Meinung
nach auch über die Einführung von Studiengebühren. Was die Schuldenentwicklung anbelangt, so gab
Fichtinger zu bedenken, dass die Schweiz im Jahr 2001 eine echte Schuldenbremse beschlossen hat und in der Folge
dennoch stärker gewachsen sei als der gesamte Euro-Raum.
Barbara Kolm: Eine Trendwende schaut anders aus
Laut Barbara Kolm habe die Budgetkonsolidierung bei den Budgetentwürfen nur scheinbar oberste Priorität.
Unter einer "Trendwende" sei etwas anderes zu verstehen, sagte Kolm. Sie vermisste Mut und empfahl, das
Budget durch Einsparungen zu sanieren, statt durch Steuererhöhungen. Denn die Abgabenquote Österreichs
werde nur mehr von Frankreich, Belgien und Dänemark übertroffen. Österreich falle in internationalen
Rankings zurück, was die Notwendigkeit von Strukturreformen unterstreiche. Die Steuern seien zu hoch und die
öffentlichen Aufgaben zu viele. Kolm schlug vor, das Steuersystem zu vereinfachen und gerechter zu gestalten.
Es gelte, gleiche Voraussetzungen für alle herbeizuführen und dafür zu sorgen, dass die Staatsausgaben
langsamer wachsen als die Einnahmen.
Auf Detailfragen der Abgeordneten Hubert Fuchs, Roman Haider und Carmen Gartelgruber sowie des Bundesrates Reinhard
Pisec (alle F) antwortete Barbara Kolm mit der Empfehlung, bei den Ausgaben auch durch eine Kritik staatlicher
Aufgaben zu sparen. Bisherige Reformen, etwa im Gesundheitssektor, kritisierte die Ökonomin als bloße
"Reförmchen". Vor Vermögenssteuern warnte die Expertin, weil der Wirtschaftsstandort Österreich
in internationalen Rankings zurückfalle und die Abwanderung von Unternehmen drohe. In der Bildungsverwaltung
gehe es um eine verbesserte Koordination bei reduzierten Kompetenzen. Die "kalte Steuerprogression" bei
der Lohn- und Einkommenssteuer lasse die Realeinkommen sinken, klagte die Expertin. Man werde um drastische Ausgabensenkungen
durch Reformen, die wehtun, nicht herumkommen. Ganz wichtig für Kolm: Reform der Verwaltung und Anhebung
des Pensionsantrittsalters auf das gesetzlich vorgesehene Niveau.
Wie auch die Experten Fichtinger und Loretz sah Kolm die Einführung eines Handwerkerbonus kritisch, damit
würden Mitnahmeeffekte erzeugt. In der Pensionspolitik ortete Kolm Klientelpolitik und kritisierte Privilegien,
die vom Steuerzahler finanziert werden müssten. Beim Thema Hypo Alpe Adria hätte auch Barbara Kolm eine
geordnete Insolvenz befürwortet, die von der Regierung vorgeschlagene Lösung stelle die teuerste Variante
für die SteuerzahlerInnen dar. Geschützt würden große Banken. Die von Abgeordnetem Jan Krainer
angesprochene Kürzung von EZA-Mitteln sah Barbara Kolm als Teil einer konsequenten Sparpolitik.
Simon Loretz: Vorschläge für eine nachhaltige Budgetkonsolidierung
Der Wirtschaftsforscher Simon Loretz sah keinen Anlass, die Budgetentwürfe in der Luft zu zerreißen,
konnte aber keine Trendwende in der Haushaltspolitik erkennen. Der stark steigende Steuerdruck sei das große
Problem, das den Reformdruck erhöhe. Man könne durch Erhöhung der Einnahmen zwar die Neuverschuldung
kurzfristig stoppen, verfehle aber damit eine nachhaltige Konsolidierung, weil Steuererhöhungen zu Steuervermeidung
führten. Auch Loretz präferierte Einsparungen als Methode der Budgetkonsolidierung, warnte aber zugleich
vor der "Rasenmäher"-Methode, weil die Investitionen in Österreich zu niedrig seien. Sparen
sollte man laut Loretz bei allen Gebietskörperschaften, auch schlug der Experte einen neuen Finanzausgleich
vor. Beim Thema Hypo Alpe Adria widersprach Loretz der Auffassung, eine Insolvenz wäre die beste Lösung
gewesen. Österreich müsse zu seinen Garantien stehen, andernfalls würden unschätzbare Folgekosten
bei der Finanzierung der Staatsschuld entstehen. Zur Kürzung von EZA-Mitteln meinte Loretz, Österreich
sollte sich langfristig an internationale Spielregeln halten.
Die Schwerpunkte in den vorliegenden Budgets liegen eindeutig auf der Einnahmenseite, bekräftigte Simon Loretz
auch gegenüber dem Abgeordneten Rainer Hable von den NEOS. Ansetzen müsste man vor allem bei den historisch
gewachsenen Ausgaben, was aber schmerzhafte Einschnitte mit sich bringen würde. Wenn man aber weiterhin eine
so hohe Steuern- und Abgabenquote beibehält, dann wachse sicher auch der Widerstand in der Bevölkerung,
meinte er. Eine Steuerreform, die eine echte Entlastung bringt, sollte nur über Einsparungen in anderen Bereichen
realisiert werden.
Markus Marterbauer: Österreich lebt unter seinen Verhältnissen
Markus Marterbauer wandte sich dagegen, die Staatsfinanzen wegen des im Zusammenhang mit der Hypo stark steigenden
Schuldenstandes schlechtzureden. Von den 40 Mrd. €, über die in der "Budgetloch"-Debatte im letzten
Herbst geredet wurde, seien 4 Mrd. € - 50 % davon für die Banken – übrig geblieben. Das Budgetdefizit
sei nicht höher als 2007/2008 und insgesamt erstaunlich niedrig. Tatsächlich würden die budgetären
Möglichkeiten zur Beschäftigungspolitik nicht genützt, sagte Marterbauer. "Österreich
lebt unter seinen Verhältnissen", lautete die Ansage des Ökonomen, der vor einer Defizithysterie
warnte. Tatsächlich stelle Österreich mit seiner
nachfrageschonenden Budgetkonsolidierung ein positives Gegenbeispiel zur gescheiterten Austeritätspolitik
der Europäischen Union dar. Das Kriterium des strukturellen Budgetdefizits werde überschätzt, kritisierte
der Ökonom, und die budgetpolitischen Spielräume in gefährlicher Weise unterschätzt. Österreich
habe heute 123.000 Arbeitslose mehr als 2008. Die Bundesregierung bemühe sich, sei aber zu wenig engagiert.
Marterbauer nannte als Beispiel die um 160 Mio. € steigenden Ausgaben für die Familienbeihilfen, nur 80 Mio.
€ zusätzlich würden für den Ausbau der Kinderbetreuung ausgegeben, obwohl dort der Beschäftigungseffekt
viermal höher sei. Zu gering sei die Besteuerung der Vermögen, obwohl dies aus ökonomische Sicht
sinnvoll wäre. Fortschritte sah Marterbauer in der Qualifizierungspolitik und bei der Pflege, ortete aber
zugleich Risikofaktoren bei den Banken und wegen der verfehlten Wirtschaftspolitik der Europäischen Union,
die Österreich hohe Kosten verursache. Der EU schlug Marterbauer vor, für langfristige Investitionen
weiterhin Kreditfinanzierungen zuzulassen. Der Verzicht auf diese Investitionen bedeute, "auf Kosten unserer
Kinder zu sparen".
Auf Fragen der Abgeordneten Jan Krainer, Hubert Kuzdas und Franz Kirchgatterer (alle S) präzisierte Markus
Marterbauer seine Vorschläge zu einer engagierteren Beschäftigungspolitik mit dem Hinweis auf die gute
volkswirtschaftliche Position Österreichs, die aber nichts nütze, solange die Arbeitslosigkeit im nationalen
Vergleich viel zu hoch sei. Marterbauer plädierte dafür, alle Ausgaben und Einnahmenpositionen noch sorgfältiger
als bisher auf ihre Beschäftigungseffekte hin zu analysieren und entsprechende Prioritäten zu setzen.
Langfristig werde man die Arbeitslosigkeit aber nur senken können, wenn man die Arbeitszeit verkürze
und das Augenmerk auf die Qualifizierung richte. Denn es zeige sich, dass schlecht qualifizierte Arbeitnehmer besonders
stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Die österreichische Industrie sei hervorragend wettbewerbsfähig
und verzeichne größere Produktivitätsfortschritte als Deutschland. Wenn dies so bleiben soll, werde
Österreich darauf achten müssen, ausreichend viele Facharbeiter auszubilden. Die Wirtschaft sah Marterbauer
aufgefordert, mehr Lehrlinge auszubilden und insbesondere darauf zu achten, die Kinder von ZuwanderInnen verstärkt
in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Sozialpartnerschaft sei für Österreich deshalb so wichtig, weil
sie die Erwartungen der Unternehmen stabilisiere. Kürzungen von EZA-Mitteln hielt Marterbauer für peinlich
und bezeichnete es als wichtig, in der kommenden Gesetzgebungsperiode das 0,7%-Ziel zu erreichen.
Markus Marterbauer äußerte den Eindruck, der Bildungsbereich sei in Relation zu seinen Notwendigkeiten
unterbudgetiert. In Zukunft sei eine bedarfsorientierte Zuordnung der Mittel notwendig, auch sollte das Verhältnis
zwischen Bund und Ländern im Bildungswesen neu diskutiert und das Controlling-System gegenüber den Ländern
ausgebaut werden. Zur Forschung, die von der Grün-Mandatarin Ruperta Lichtenecker thematisiert wurde, merkte
Marterbauer an, diese sei in diesem Budget "sehr gut ausgestiegen". Die F&E-Quote habe einen der
stärksten Anstiege aller EU-Länder verzeichnet. Was in Österreich auslasse, sei der Unternehmenssektor.
Bei den Universitäten sollte nach Meinung Marterbauer "mehr gemacht" werden. Der Experte sah den
Hochschulbereich aber auch zu mehr Solidarität mit dem Sozialstaat aufgerufen.
In Sachen Hypo gebe es, so Marterbauer, "nur schlechte Lösungen". Die von der Opposition favorisierte
Insolvenz bezeichnete er als enorm riskant, zumal ein Haftungsausfall die Unsicherheiten noch weiter erhöhen
würde. Klar war für Marterbauer hingegen, dass der Finanzsektor die Kosten für die Hypo tragen sollte.
Unter diesem Aspekt begrüßte er die Bankenabgabe als eine der besten Innovationen, die das Parlament
in den letzten Jahren beschlossen hat, und ging davon aus, dass sie noch mindestens 10 Jahre gelten werde.
Ulrich Schuh: Derzeit keine Spielräume für Steuerreform
Der Budgetexperte Ulrich Schuh sah tiefe Spuren, die die Krise in den Staatshaushalten hinterlassen habe. Auch
das Umfeld der Exportindustrie habe sich verschlechtert - Österreich und Deutschland seien davon besonders
betroffen, da sich die Schwellenländer stärker auf ihre Binnenmärkte konzentrierten. Der Exportzuwachs,
von 2003 bis 2008 bei 50 %, sei seit 2008 auf 5 % gesunken. Vor diesem Hintergrund schlage sich Österreich
im EU-Vergleich vorzüglich und habe auch realistische Aussichten, im Jahr 2016 ein strukturelles Nulldefizit
zu erreichen. Reformen im Pensions- und im Gesundheitssystem wurden auf Schiene gebracht. Diese gelte es konsequent
umzusetzen. Budgetspielräume sieht der Experte keine. Der sparsame Budgetvollzug habe sich bewährt und
sollte fortgesetzt werden. Ab 2015 gelte es, mit Kreativität und Phantasie, Spielräume für eine
Steuersenkung zu schaffen, was voraussetze, bei den Ausgaben effizienter zu werden. Weniger nachdenken sollte man
darüber, wie man zu mehr Einnahmen kommen könnte. Der Experte riet dazu, die Möglichkeiten des neuen
Haushaltsrecht zu nutzen und in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Finanzausgleich Zukunftspotentiale auszuschöpfen.
Auch Ulrich Schuh sah die Beschäftigung und Arbeitslosigkeit in Österreich im Zentrum der Wirtschaftspolitik
stehen und registrierte eine gute Performance durch eine antizyklische Fiskalpolitik. Daher sei ein ausgeglichenes
Budget wichtig, um die Spielräume für diese Politik zu erhalten. Schuh stimmte Marterbauer darin zu,
dass man auf die Qualifizierung achten sollte sowie darauf, die Babyboom-Generation länger im Arbeitsprozess
zu halten. "Wohlstand und Zukunft der Menschen hängen wesentlich von der Ausbildung ab". Mit Markus
Marterbauer stimmte Ulrich Schuh auch in der Einschätzung überein, dass die Sozialpartnerschaft zu den
Erfolgsfaktoren Österreich zähle, weil sie effektive Entscheidungen ermögliche und dafür sorge,
dass diese auch eingehalten werden. Auch Ulrich Schuh sah angesichts der Tatsache, dass Österreich in der
bilateralen Zusammenarbeit zu den Nachzüglern zähle, Aufholbedarf, schlug aber zugleich vor, auf die
zweckentsprechende Verwendung von EZA-Mitteln zu achten.
Zu der vom Abgeordneten Andreas Zakostelsky (V) aufgeworfenen Frage nach den Möglichkeiten einer Steuersenkung
bemerke Ulrich Schuh, Spielraum für eine Steuerreform, die eine Senkung der Abgaben bezweckt, gebe es derzeit
nicht. Die Schaffung dieses Spielraums sei aber keine Utopie, sondern sollte vielmehr von der Bundesregierung angestrebt
werden. Handlungsbedarf ortete Schuh dabei vor allem auf der Ausgabenseite, wo es seiner Meinung nach darum geht,
mehr Effizienz zu schaffen, aber auch bei den Förderungen und beim Finanzausgleich. Bei Gesundheit und Bildung
liege Österreich mit seinen Ausgaben im OECD-Spitzenfeld, mache aus diesen Mitteln aber viel zu wenig, stand
für Schuh fest. Im Übrigen teilte Schuh die Vorbehalte des ÖVP-Abgeordneten Franz Eßl gegen
eine Substanzbesteuerung und meinte, Abgaben sollten grundsätzlich nur aus den laufenden Einkommen entrichtet
werden. In keinem anderen Land werde über Steuern und Transfers so viel umverteilt wie in Österreich.
Zusätzliche Abgaben seien für den Wirtschaftsstandort und für die Wertschöpfung jedenfalls
nachteilig, warnte er. Auch wäre es eine Illusion zu glauben, über eine Substanzbesteuerung zur Entlastung
des Faktors Arbeit zu gelangen.
Was die Bankenabgabe betrifft, äußerte Schuh ebenso wie der Abgeordnete Helmut Schultes (V) die Befürchtung,
dass gerade der verstärkte Wettbewerb die Geldinstitute dazu zwingen werde, diese zusätzlichen Kosten
zu überwälzen und die Abgabe letztlich dann beim Steuerzahler landen.
Zum Bildungsbereich stellte Schuh fest, er könne den von Abgeordnetem Bruno Rossmann (G) festgestellten Mangel
an Mitteln nicht erkennen. Mit dem vorliegenden Budget sollte in den künftigen Jahren das Auslangen gefunden
werden. Es gehe aber vor allem darum, Strukturen in die gewünschte Richtung zu verändern und die Zusammenarbeit
zwischen Bund und Ländern zu reorganisieren.
Auch Ulrich Schuh befasste sich mit der Schuldenentwicklung, die seiner Meinung nach unter dem Prinzip der Nachhaltigkeit
betrachtet werden müsse. Die demographische Entwicklung – Stichwort steigende Lebenserwartung – erhöhe
die implizite Staatsschuld und vergrößere den Reformbedarf. Als mögliche Maßnahmen, um diesem
Trend entgegenzusteuern, schlug Schuh Änderungen im Pensionssystem, ein Absenken der Förderungen auf
den EU-Durchschnitt sowie Effizienzsteigerungen beim Finanzausgleich vor. Dadurch würde man auch Spielraum
zur Senkung des Abgabenniveaus um etwa 1 % gewinnen.
Spindelegger will beim Budgetvollzug mit Verordnungen nachschärfen
Finanzminister Michael Spindelegger schloss Änderungen des aktuellen Bundesfinanzrahmens aus, sah aber Möglichkeiten,
im Verordnungsweg Nachschärfungen zu treffen, so etwa durch Schließung von Steuerlücken bei der
Auslegung des Körperschaftssteuergesetzes, aber auch bei der Steuerbetrugsbekämpfung. Handlungsbedarf
besteht nach Meinung des Vizekanzlers ferner bei den Pensionen in ausgegliederten Bereichen. Hier sei stärker
auf eine Anhebung des faktischen Pensionsalters zu achten.
Abgeordneter Kathrin Nachbaur teilte Finanzminister Michael Spindelegger mit, dass im Jahr 2014 insgesamt 4,4 Mrd.
€ für den Bankensektor budgetiert sind. Darin eingepreist sei der Maximalverlust, der durch die Hypo Alpe
Adria zu erwarten ist, nämlich 4 Mrd. €. Die restlichen 400 Millionen sind für die anderen Banken (Kommunalkredit,
ÖVAG) vorgesehen. Dies heiße jedoch nicht, dass der gesamte Betrag, der aber unter anderem aufgrund
der EUROSTAT-Vorschriften budgetiert werden müsse, auch schlagend wird, betonte der Minister. Man rechne damit,
dass etwa 1,7 Mrd. € an Cash fließen werden. Bezüglich der Bankensteuer werde es Gespräche mit
den Instituten geben, führte Spindelegger weiter aus. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ab 2016
auf europäischer Ebene ein Abwicklungsfonds eingerichtet wird, wodurch auch der Bankensektor selbst Vorsorge
trifft.
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