Schellhorn: Ausstellung zum Ersten Weltkrieg kommt ohne Retro-Kriegspropaganda aus
Salzburg (lk) - "Wir dürfen mit dem Verlauf der Geschichte hadern, wenn wir bereit sind, aus ihr
zu lernen. Der Erste Weltkrieg mit seinen 17 Millionen Toten wäre vermeidbar gewesen. Aber es gab im Sommer
1914 keine politischen Strukturen, keine Persönlichkeiten und keine gesellschaftlichen Stimmungen, die der
fatalen Kriegs-Dynamik etwas entgegensetzen hätten können. Der Ausbruch und Verlauf dieses Krieges war
das Ergebnis eines vollständigen – auch moralischen – Versagens der politischen, diplomatischen, wirtschaftlichen,
religiösen, militärischen und kulturellen Eliten." Das betonte Kulturreferent Landesrat Dr. Heinrich
Schellhorn am 08.05. anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Krieg. Trauma. Kunst." im Salzburg
Museum in der Neuen Residenz.
Latenter Militarismus, ein "Patriotismus", besoffen von großen Worten und hohlen Phrasen, Kadavergehorsam,
fehlende Demokratie und die arrogante mangelnde Wertschätzung für das Leben von Millionen Menschen hätten
diesen Krieg erst ermöglicht. Er stehe für die schlechte alte Zeit.
In guten Händen
Kann eine Ausstellung dem Schrecken gerecht werden? Läuft letztlich nicht doch alles wieder auf eine Verharmlosung
hinaus, oder wirkt die bei Ausstellungen häufige Reproduktion von Propagandamaterial sogar negativ? Kulturreferent
Landesrat Heinrich Schellhorn verneint dies in diesem Fall: "Schon der Titel dieser Ausstellung setzt mit
den Worten Krieg, Trauma und Kunst die richtigen Akzente. Und wenn wir nur einen Blick auf das Titelbild der Einladung
zur Eröffnung der Ausstellung werfen, dann sehen wir in dem dort abgebildeten Kaiserjäger einen Menschen
aus der Wirklichkeit, nicht aus der Kriegs-Propaganda. Ein verzweifelter, traumatisierter, angsterfüllter
Mensch schaut uns an. Diese Ausstellung ist in guten Händen. Sie speist sich aus Kunst und Alltag und kommt
ohne Retro-Kriegspropaganda und falschen Pathos aus. Dafür bedanke ich mich sehr und wünsche der Ausstellung
viel Erfolg."
Stefan Zweig und die Einsamkeit der "Bei-Sinnen-Gebliebenen"
Schellhorn erinnert an einen hervorragenden Beobachter der Zeit vor und nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Der
in Salzburg lebende Weltbürger Stefan Zweig habe in seiner "Welt von gestern" präzise die von
der Kriegspropaganda entfachte Begeisterung in allen Bevölkerungsschichten und die furchtbare Einsamkeit der
wenigen Bei-Sinnen-Gebliebenen geschildert. Schellhorn sieht darin ein Vermächtnis des großen Zeitzeugen:
"Wir lernen daraus, dass es auch dann Sinn machen kann, gegen den Strom zu denken und zu schwimmen, wenn scheinbar
alles verloren ist. Die Verhältnisse ändern sich oft schnell."
Eine Straße für den Kriegstreiber?
Noch einen Gedanken fügt Schellhorn an. Es gibt in Salzburg-Maxglan immer noch eine Conrad-von-Hötzendorf-Straße.
Der Generalstabschef der österreichisch-ungarischen Armee war einer der schlimmsten Kriegstreiber. Ihm kommt
eine zentrale Verantwortung für die mörderische Dynamik des Sommers 1914 zu. Schellhorn: "Wenn wir
davon ausgehen, dass Straßennamen nicht ein wertfreier Spiegel der Geschichte sind, sondern mit Ihnen eine
bewusste gesellschaftliche Ehrung verbunden ist, dann ist eine Conrad von Hötzendorf-Straße 100 Jahre
nach Ausbruch des entsetzlichen Geschehens in Salzburg nicht länger akzeptabel."
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