Mit Unterstützung der voestalpine und des Wissenschafts-, Forschungs- und Wirtschaftsministeriums
wird an der TU Wien ein Christian Doppler Labor für modellbasierte Prozessregelung in der Stahlindustrie eingerichtet.
Wien (tu) - Mit gewaltigen Kräften und extremen Temperaturen hat man es in der Stahlindustrie zu tun.
Tonnenschwere Stahlbänder und mächtige Walzen müssen so gesteuert werden, dass die Dicke des Endprodukts
auf Bruchteile eines Millimeters genau passt. Kein Mensch kann eine solche Stahlproduktionsanlage per Hand regeln.
Zuverlässig hohe Produktqualität und Genauigkeit ist nur möglich, wenn man den Produktionsablauf
permanent mit Sensoren beobachtet, mit Hilfe mathematischer Modelle kontrolliert und in Echtzeit automatisch steuert.
Solche Regelungssysteme werden am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN) der TU Wien entwickelt.
Gefördert vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) wird nun am 09.05.
an der TU Wien in Zusammenarbeit mit der voestalpine Stahl GmbH ein neues Christian Doppler Labor für modellbasierte
Prozessregelung in der Stahlindustrie eröffnet. „Im internationalen Wettstreit der Ideen sind CD-Labors wichtiger
denn je, weil sie neues Wissen marktfähig und somit für Unternehmen nutzbar machen. Das sichert Wachstum,
Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze am Standort Österreich", unterstreicht Wissenschafts-,
Forschungs- und Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner die Bedeutung des Förderprogramms.
Ressourceneinsatz, Energiebedarf und CO2-Ausstoß minimieren
„In den letzten Jahren gab es bedeutende Fortschritte in der Regelungstheorie, viele der neuen Erkenntnisse wurden
in der Stahlindustrie aber bisher noch nicht umgesetzt“, sagt Prof. Andreas Kugi, Vorstand des ACIN an der TU Wien
und Leiter des neuen CD Labors. Das liegt einerseits an der Komplexität der Herstellungsprozesse, andererseits
aber auch an den extremen Bedingungen in der Anlage: Hitze, Staub und Dampf, große Kräften und Vibrationen
sowie starke elektromagnetische Felder erschweren dort oft den Einsatz von Sensoren und Aktuatoren.
Die voestalpine will nun mit Hilfe der TU Wien neue Erkenntnisse aus der Regelungstechnik nutzen: In dem neuen
Christian Doppler Labor (CD-Labor) an der TU Wien wird das Team von Andreas Kugi in den nächsten Jahren basierend
auf physikalischen Grundprinzipien die Arbeitsprozesse in der Warmbreitbandstraße und der Feuerverzinkungsanlage
der voestalpine mathematisch beschreiben.
Was am Ende zählt, ist allerdings nicht eine physikalisch möglichst detaillierte Berechnung und Simulation
des Prozesses. Entscheidend ist, ein mathematisches Modell zu finden, das den Prozess gut beschreibt und gleichzeitig
einfach genug ist, um in Echtzeit zur Steuerung des Prozesses verwendet werden zu können. Eine Computersimulation,
die die Kräfte oder den Temperaturverlauf nach stundenlanger Rechenarbeit hochpräzise berechnet, wäre
nutzlos, wenn bereits innerhalb von Sekundenbruchteilen steuernd eingegriffen werden muss.
Walzen, verzinken, experimentieren
Eines der großen Themen, die im neuen CD Labor untersucht werden sollen, ist die Steuerung, Regelung, Diagnose
und Prozessoptimierung von Warmbreitbandstraßen. Dort werden mit großen Walzen die Bleche auf die gewünschte
Dicke ausgewalzt. Die Position der vielen verschiedenen Walzen, der Zug des Stahlbandes, die Temperatur – viele
Parameter müssen dabei ständig aufeinander abgestimmt werden. „Beim Warmwalzen sind mehr als 50 Aktoren
im Einsatz, die optimal miteinander interagieren müssen“, erklärt Prof. Andreas Kugi. Kräfte im
Meganewton-Bereich treten hier auf, das entspricht der Gewichtskraft von hunderten Tonnen. Gleichzeitig muss mit
einer Genauigkeit von Zehntelmillimetern gearbeitet werden.
Optimierungspotenzial gibt es auch bei der Feuerverzinkung: Das Stahlband wird in einem Bad mit flüssigem
Zink überzogen, überschüssiges Zink wird mit einem hochpräzisen Druckluftstrahl entfernt. Dem
Kunden wird eine Mindestdicke der Zink-Schicht garantiert – das Ziel ist diesen Wert möglichst genau zu erreichen.
Eine unnötig dicke Zinkschicht kostet Geld und Ressourcen und belastet letztlich die Umwelt. „Wir glauben,
dass man mit optimaler Steuerung rund 5% Zink sparen kann, das entspricht ca. einem halben Kilogramm Zink pro produziertem
Auto“, meint Andreas Kugi. Wichtig dabei ist, dass das Stahlband im Bereich des Druckluftstrahls in genau der richtigen
Position gehalten wird, also komplett eben ist und nicht vibriert.
Die TU Wien wird die voestalpine auch bei der Entwicklung von experimentellen Simulatoren unterstützen: Um
bestimmte Prozesse noch besser zu verstehen, werden spezielle Geräte gebaut, in denen man verschiedene Produktionsparameter
testen und so die Verfahren gezielt weiterentwickeln kann. Im CD Labor sollen die zugehörigen mathematischen
Modelle und die dafür benötigten Steuerungen und Regelungen entwickelt werden.
Über Christian Doppler Labors
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende
WissenschafterInnen kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit
gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel. Christian Doppler Labors
werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert, wichtigster öffentlicher
Fördergeber ist das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW).
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