Krems (fh) - Von 7. bis 12. Juli 2014 diskutieren rund 1.000 internationale ExpertInnen
am 14. Weltkongress der Musiktherapie an der IMC FH Krems unter dem Gesichtspunkt der "kulturellen Diversität"
die Zukunft der Musiktherapie. Im Mittelpunkt stehen die national und international brennendsten Themen: die PatientInnenorientierung,
die Überwindung der Kluft zwischen Forschung und Praxis sowie die Frage, wie Musiktherapie wirkt. Auf Letzteres
gibt nun eine neue IMC FH Krems-Studie Antwort. Jene Wachkoma-PatientInnen, die zusätzlich zu herkömmlichen
Therapien Musiktherapie über einen Zeitraum von fünf Wochen erhalten hatten, zeigten eine deutlich höhere
Gehirnaktivität von 34 Prozent als Wachkoma-PatientInnen ohne zusätzliche Musiktherapie mit einer Gehirnaktivitätssteigerung
von nur 4 Prozent.
Niederösterreich hat schon vor vielen Jahren das große Potenzial der Musiktherapie als Unterstützung
im Heilungsprozess erkannt und hier eine internationale Vorreiter- und Vorbildfunktion eingenommen. "Die Auswahl
der IMC FH Krems als Veranstaltungsort für den Weltkongress der Musiktherapie ist eine wichtige Bestätigung
und Anerkennung für die hohe Qualität der Forschung und Lehre in Niederösterreich", freut sich
Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka.
Derzeit werden in zehn Niederösterreichischen Landeskliniken (Allentsteig, Amstetten, Hochegg, Hollabrunn,
Mauer, Mistelbach, Gänserndorf, St. Pölten, Tulln, Wr. Neustadt, Zwettl) Musik-therapeutInnen erfolgreich
in den Bereichen Intensivmedizin, Neonatologie, Palliativpflege und Krebstherapie eingesetzt. Ein weiterer Bereich
ist die Jugendpsychiatrie. Forschung und Praxis arbeiten hier Hand in Hand, indem aktuelle Forschungsthemen der
IMC FH Krems auch in den Klinikalltag einfließen. "Unser Ziel ist es, die wissenschaftliche Auseinandersetzung
und die evidenzbasierte Umsetzung von Musiktherapie in der medizinischen Praxis voranzutreiben", betont Landeshauptmann-Stellvertreter
Mag. Wolfgang Sobotka.
PatientInnen stehen im Mittelpunkt
"PatientInnen sollen die Möglichkeit haben, sich - wo immer möglich - aktiv mitgestaltend an
der Therapie beteiligen zu können", fordert FH-Prof. Priv.-Doz. Mag. Dr. Gerhard Tucek als Weltkongress-Präsident
und IMC FH Krems-Forschungsbereichsleiter Department Health Sciences sowie Studiengangsleiter "Musiktherapie".
"Im Sinne einer Weiterentwicklung des Gesundheitssystems gilt es heute, den PatientInnen eine Stimme zu geben
und neben einer exzellenten körperlichen Behandlung auch auf die psychische Befindlichkeit einzugehen. Ziel
ist es, den PatientInnen die Möglichkeit zu eröffnen, aus der Rolle der 'geduldig Wartenden' herauszutreten
und sie zu aktiv am Heilungsprozess Mitwirkenden zu machen", so Tucek. Die Musiktherapie stellt den Menschen
in den Mittelpunkt. Die Hinwendung zum Patienten/zur Patientin ist auch deshalb wichtig, weil ein großer
Teil der Wirkung vom Patienten/von der Patientin selbst abhängt.
Neue Ergebnisse bei Wachkoma-PatientInnen: Musiktherapie aktiviert Gehirnzellen
Die oft gestellte Frage, ob und wie Musiktherapie überhaupt wirkt, konnte nun durch neue Studienergebnisse
im Bereich der Hirnforschung beantwortet werden. Im Dezember 2012 startete die IMC FH Krems in enger Kooperation
mit dem Landesklinikum Hochegg ein zukunftsweisendes Forschungsprojekt: Vier Wachkoma-PatientInnen nach hypoxischen
Hirnschäden (Hirnschäden infolge schwersten Sauerstoffmangels im Gehirn) erhielten über einen Zeitraum
von fünf Wochen zusätzlich zu Ergo- und Physiotherapien dreimal pro Woche eine Musiktherapie. "Um
zu sehen, ob die Musiktherapie wirkt, haben wir einzelne PatientInnen während der Musiktherapie einer PET-Messung
(Positronen-Emissions-Tomografie) unterzogen", erklärt Dr. Nikolaus Steinhoff, Ärztlicher Leiter
der Intermediate Care Unit-IMCU-Neurologie an der Neurologischen Abteilung im LK Hochegg. Bei der PET-Messung werden
mithilfe winziger radioaktiv markierter Tracer und einer speziellen PET-Kamera Stoffwechselvorgänge im Inneren
des Körpers sichtbar gemacht.
Auch schwerstbetroffene PatientInnen haben eine Chance
"Zum ersten Mal konnten wir wissenschaftlich darstellen, dass Musiktherapie bei apallischen PatientInnen Auswirkungen
auf das Gehirn hat. Die Gehirnaktivitäten jener PatientInnen, die zusätzlich zu Ergo- und Physiotherapien
noch eine Musiktherapie im Zeitraum von fünf Wochen erhalten hatten, stiegen um 34 Prozent. Die Gehirnaktivitäten
jener PatientInnen, die keine Musiktherapie zusätzlich zu Ergo- und Physiotherapien über fünf Wochen
erhalten hatten, verbesserten sich auch, aber deutlich weniger. Dieses Zwischenergebnis ermutigt uns, diese Forschung
an der FH in Krems mit mehr PatientInnen und zusätzlich in anderer Form fortzusetzen, denn es bedeutet, dass
die PatientInnen mit Musiktherapie mehr von der Behandlung hatten als die mit konventionellen Therapieformen behandelten",
so Steinhoff.
Die Frage, ob Musiktherapie Sinn macht, kann laut Steinhoff erstmals durch diese neuen Studienergebnisse im Hirnforschungsbereich
bejaht werden: "Es besteht immer eine Chance, auch schwerstbetroffene PatientInnen ins Leben zurückzubringen."
Derzeit gibt es in Österreich 300 eingetragene MusiktherapeutInnen, davon 91 allein in Niederösterreich.
Der Gesamtbedarf an zukünftigen Musiktherapie-AbsolventInnen liegt jedoch höher - laut einer Bedarfs-,
Akzeptanz- und Kohärenzanalyse (IMC FH Krems & Focus MC) aus dem Jahr 2011 bei ca. 418.
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