Faymann: Österreichs hohe Standards dürfen durch USA-EU-Freihandelsabkommen nicht
beschränkt werden
Wien (pk) - Der Bundesrat griff bei seiner Sitzung vom 15.05. nach einer heftigen Diskussion zum Handels-
und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP) in seinem EU-Ausschuss das Thema nochmals auf. In einer
Aktuellen Stunde mit Bundeskanzler Werner Faymann wurde unter dem Titel "Europas Sozial- und Umweltstandards
sichern" die österreichische Position in den TTIP-Verhandlungen erörtert. Faymann hielt fest, Österreich
könne seine hohen Sozial- und Umweltstandards nur gemeinsam mit der EU verteidigen. Er sehe einen völligen
Stopp der Gespräche mit den USA vor dem Hintergrund einer wachsenden globalen Marktwirtschaft als falsch,
dränge aber auf politische Transparenz des Verhandlungsprozesses. Österreichische Interessen wie der
Schutz von öffentlicher Daseinsvorsorge oder das Forcieren Erneuerbarer Energie dürften nicht unterminiert
werden.
Rückendeckung erhielt der Kanzler von SPÖ und ÖVP. Beide Parteien halten den Abbau von Handelshemmnissen
zwischen den weltweit größten Wirtschaftsräumen EU und USA gerade für ein exportorientiertes
Land wie Österreich für notwendig. Reinhard Todt (S/W) unterstrich, angesichts der Konkurrenz aufsteigender
Schwellenländer sei das Abkommen eine wichtige Maßnahme zur Ankurbelung der Wirtschaft und der Schaffung
von Arbeitsplätzen. Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei den Gesprächen zu TTIP seien allerdings ein
Muss. Dieser Sichtweise stimmte Martin Preineder (V/N) zu und er erinnerte an eine gemeinsame Stellungnahme aller
Bundesländer, in der klare Bedingungen aufscheinen. So sollten Österreichs gesetzliche Standards der
Produktsicherheit, des Arbeitsrechts sowie des Umwelt- und Tierschutzes nicht nach unten nivelliert werden, die
kommunale Selbstbestimmung im Bereich der Daseinsvorsorge – von der Energie bis zum Wasser - sei beizubehalten
und eine Einschränkung des nationalen Handlungsspielraums durch das geplante Investitionssicherheitsprogramm
müsse abgewendet werden.
Faymann erläuterte dazu, ursprünglicher Sinn des Investitionsschutzes für Unternehmen sei, heimischen
Firmen im Ausland ausreichend Rechtsschutz zu bieten. Nunmehr habe die EU aber die Gefahr erkannt, dass Konzerne
das Klagerecht vor Schiedsgerichten missbrauchen können, wenn sie von Nationalstaaten auf Grund befürchteter
Gewinneinbußen durch neue Gesetze Investitionsrückzahlungen fordern. Überlegungen zum Atomkraftausstieg
würden etwa dadurch behindert, warnte der Kanzler. Die Gespräche über das Investitionssicherungsabkommen
seien daher bis Ende Juni ausgesetzt, in der Zwischenzeit überprüfe man auf EU-Ebene diesen Verhandlungsteil
genau. Die Weiterentwicklung der bereits bestehenden Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA dürften
keinesfalls zu einem Rückschritt österreichischer und europäischer Sicherheitskriterien führen,
verdeutlichte Faymann. Um in der internationalen Marktwirtschaft zu bestehen, habe Österreich mit seinen hohen
Standards aber nur innerhalb der Union eine Chance, gegen die Konkurrenz aus Billiglohnländern erfolgreich
zu sein.
Dezidiert für einen sofortigen Abbruch der TTIP-Verhandlungen sprach sich dagegen die FPÖ aus. Monika
Mühlwerth (F/W) kritisierte nicht nur die Intransparenz der Unterredungen, in denen sich ihr zufolge vor allem
Lobbyisten von Großkonzernen für ihre eigenen Interessen einsetzen. Sie bezweifelte auch stark das prognostizierte
Wirtschaftswachstum, das mit dem Handelsabkommen eintreten soll. Tatsächlich würden in den nächsten
zehn Jahren Wirtschaft und Arbeitsmarkt durch TTIP kaum Steigerungen erfahren, das legten Studien dar, sagte Mühlwerth,
höchstens der Automobilsektor könne auf Zuwachs hoffen. Einzig die USA profitiere vom Abbau der Handelsschranken,
europäische Standards würde Amerika aber niemals übernehmen, folgerte die Freiheitliche. Weniger
drastisch, aber doch besorgt äußerten sich die Grünen zu den laufenden TTIP-Verhandlungen zwischen
der US-Regierung und der EU-Kommission. Bis die Öffentlichkeit Einsicht in die Verhandlungsprotokolle erhält,
spreche sie sich für einen Stopp der Gespräche aus, erklärte Nicole Schreyer (G/T). Ein Hauptproblem
an TTIP ist für sie das unterschiedliche Regelungsprinzip zur Produktsicherheit in den Wirtschaftsräumen;
während in der EU das Verursacherprinzip sicherstelle, dass Waren mit gefährlichen Folgewirkungen nicht
auf den Markt kommen, müssten die KonsumentInnen in den USA erst eine Schädigung durch ein Produkt nachweisen,
ehe es aus dem Handel genommen wird.
Außerdem befürchtete die Grünen-Mandatarin wie ihre Vorrednerin einen möglichen Einfluss von
US-Konzernen auf die Gesprächsinhalte, wodurch beispielsweise heimische Grenzwerte herabgesetzt werden könnten.
Ihre Fraktion heiße zwar mehr Wachstum und Beschäftigung, wie durch TTIP vorhergesagt, gut, betonte
Schreyer, sie verwehre sich aber gegen die Geheimabsprachen zum Handelsabkommen.
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