Brüssel (ec) - Die Europäische Kommission hat heute (Donnerstag) eine ausführliche wirtschaftliche
Analyse der umfassenden Finanzmarktreformen in der EU seit Beginn der Finanzkrise 2007 veröffentlicht. Darin
wird dargelegt, wie diese Reformen zu einem sichereren, durch mehr Verantwortungsbewusstsein geprägten Finanzmarktsystem,
zu einem besser integrierten und effizienteren Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen führen werden.
Vieles spricht dafür, dass die zu erwartenden Vorteile der Regulierung die erwarteten Kosten sowohl im Einzelfall
als auch insgesamt überwiegen werden. Viele Vorschriften schaffen erhebliche positive Synergien, beispielsweise
zwischen dem Gesetzespaket zu den Eigenkapitalanforderungen im Bankensektor und der Reform der Derivatemärkte.
Das Finanzsystem lässt bereits jetzt Veränderungen und Verbesserungen erkennen, die sich fortsetzen werden,
je mehr die Reformen Wirkung entfalten.
Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte: „Der Finanzdienstleistungssektor ist einer
der größten Trümpfe Europas. Wir wollen einen florierenden Finanzsektor, der Kredite für Bürger
und Unternehmen bereitstellen kann und damit zur wirtschaftlichen Erholung insgesamt beiträgt. Aber der europäische
Steuerzahler hat massive Finanzmittel aufgebracht, um einen Zusammenbruch des Finanzsektors zu verhindern, und
verlangt daher völlig zu Recht zwei Dinge: dass der Sektor die ihm zukommende Rolle ordnungsgemäß
ausfüllt und künftige Bankenkrisen sich nie mehr zu einer Krise der öffentlichen Haushalte ausweiten.
Das ist eine Sache der Fairness. Deshalb hat die Kommission 2008 Sofortmaßnahmen ergriffen, damit im Finanzsektor
mehr Verantwortungsbewusstsein Einzug hält. Seither haben wir über 40 Gesetzesvorschläge unterbreitet,
um die Boni der Banker zu beschneiden, die Bargeldreserven der Banken aufzustocken oder das Gebaren der Hedgsfonds
transparenter zu machen. Andere Vorschläge betrafen Ratingagenturen, zentrale Gegenparteien, komplexe Handelsgeschäfte
und den Verbraucherschutz. Wir haben gemeinsame Regeln eingeführt, um sicherzustellen, dass im Falle einer
Bankenpleite zuerst die Aktionäre und andere Investoren – und nicht die Steuerzahler – zur Kasse gebeten werden.
Wir haben eine Steuer auf Finanztransaktionen vorgeschlagen, um dafür zu sorgen, dass die Akteure des Finanzsektors
einen angemessenen Beitrag zu den öffentlichen Haushalten leisten. Und wir haben eine Bankenunion — mit einer
zentralen Aufsicht und einem gemeinsamen, von den Banken gespeisten Fonds — für die Eurozone geschaffen, der
auch anderen Ländern offensteht. Dank unserer in Rekordzeit verabschiedeten Vorschläge sind die Finanzmärkte
jetzt sicherer und transparenter, und die Banken gehen mit ihren Risiken verantwortungsbewusster um.“
Beginn einer längeren systematischen Evaluierung
Binnenmarkt- und Dienstleistungskommissar Michel Barnier sagte: „Die Europäische Kommission hat mehr als vier
Jahre lang ununterbrochen gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und dem Ministerrat daran gearbeitet, unseren
Fahrplan für eine grundlegende, größtenteils auf Beschlüssen der G20 fußende Finanzmarktreform
umzusetzen. Jetzt, wo die meisten Regeln verabschiedet worden sind, ist es an der Zeit, ihre Auswirkungen, Kosten
und Nutzen erstmalig im Gesamtzusammenhang zu untersuchen. Dabei sind viele positive Synergien zutage getreten.
Die Regeln ergänzen und verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Auch einzeln betrachtet überwiegt
der Nutzen einer jeden Maßnahme ihre Kosten. Aus der Gesamtschau lässt sich bilanzieren, dass wir unser
Ziel erreicht haben: unsere Regulierungsmaßnahmen haben zu einem stabileren und verantwortungsbewussteren
Finanzsystem geführt. Den Nutzen haben die Wirtschaft und die Bürger in der gesamten EU.“
Zum heute von der Kommission verabschiedeten Paket zählen die Mitteilung „Ein reformierter Finanzsektor für
Europa“ und eine ausführliche wirtschaftliche Analyse der durch die Reformen bewirkten Umgestaltung des Finanzsektors
und der sich daraus ergebenden Vorteile. In der Mitteilung werden die von der Kommission anvisierten Ziele, ein
Überblick über ihre Reformvorschläge und die wichtigsten bereits heute erkennbaren Folgen bilanziert.
Die Finanzmarktregulierung war ein gradueller Prozess. Viele gesetzgeberische Maßnahmen wurden erst vor kurzem
verabschiedet, und bislang sind noch nicht alle in Kraft getreten. Für eine abschließende Bewertung
ist es deshalb noch zu früh. Daher wurden in dieser wirtschaftlichen Analyse in erster Linie qualitative Gesichtspunkte
beurteilt, und sie sollte vor allem als Beginn einer sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden
systematischen Überprüfung und Evaluierung der Reform betrachtet werden.
Kosten der Reformen halten sich in Grenzen
In der heutigen Untersuchung wird hervorgehoben, dass die Aufsichtsbehörden jetzt auch Märkte in den
Blick nehmen können, die ihnen zuvor verschlossen blieben, und dass Transparenz für alle Marktteilnehmer
geschaffen wurde. Ambitionierte neue Normen begrenzen das exzessive Eingehen von Risiken und erhöhen die Widerstandsfähigkeit
der Finanzinstitute. Bei risikoreichen Finanzgeschäften wird das Ausfallrisiko vom Steuerzahler auf jene Akteure
verlagert, die aus diesen Finanzgeschäften Profit ziehen wollen. Die Reformen haben dazu geführt, dass
die Finanzmärkte besser den Interessen der Verbraucher, des Mittelstands und der Wirtschaft insgesamt dienen.
Zudem wurde der Finanzdienstleistungs-Binnenmarkt vertieft, insbesondere durch die Maßnahmen der zum 2011
eingerichteten Europäischen Finanzaufsichtssystem gehörenden Europäischen Aufsichtsbehörden.
Die Bankenunion stellt zudem einen Meilenstein in der europäischen Integration dar. Sie ist nicht nur für
die Eurozone, sondern für die EU insgesamt von größter Bedeutung.
Untersucht wurden auch die Kosten der Reformen, die beim Übergang zu einem stabileren und von mehr Verantwortungsbewusstsein
geprägten Finanzsystem nicht zu vermeiden sind. Dank längerer Anlauf- und Beobachtungszeiträume
und einer Anpassung von Vorschriften, um prognostizierte Kosten zu senken, konnten diese jedoch in engen Grenzen
gehalten werden.
Zwischen 2008 und 2012 wurden öffentliche Finanzhilfen von insgesamt 1500 Mrd. Euro (mehr als 12 Prozent
der jährlichen Wirtschaftsleistung der EU) aufgebracht, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern.
Die Finanzkrise löste eine tiefe Rezession aus und zog erhebliche Wachstumsverluste nach sich. Die Arbeitslosigkeit
nahm drastisch zu, und viele Haushalte in Europa erlitten beträchtliche Einkommens- und Wohlstandsverluste.
Das Vertrauen in das Finanzsystem war tief erschüttert.
Mehr als 40 Maßnahmen wurden inzwischen vorgeschlagen, und die meisten bereits verabschiedet. Die Mitteilung
und das sie begleitende Arbeitspapier bieten einen Überblick über die einzelnen Maßnahmen, ihre
Folgen in der Einzel- und der Gesamtperspektive und ihre Interaktion.
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