EU-Ausschuss will sich mit dem Freihandelsabkommen zwischen EU und USA auch weiterhin eingehend
befassen
Wien (pk) - Kritische Stimmen zum geplanten Handels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und den USA,
kurz TTIP genannt, wurden am 14.05. auch im EU-Ausschuss des Bundesrats laut. Bis auf die FPÖ, die in einem
Antrag auf Stellungnahme den Stopp der Verhandlungen forderte, lehnten die Bundesrätinnen und Bundesräte
ein derartiges Abkommen zwar nicht prinzipiell ab, sie stießen sich jedoch an den Rahmenbedingungen der Verhandlungen
und zeigten ihren Unmut über mangelnde Transparenz. Vor allem artikulierten sie Befürchtungen dahingehend,
dass die hohen ökologischen und sozialen europäischen Standards unterlaufen werden könnten. Auch
das geplante Schiedsgericht wurde mit großer Skepsis beurteilt. "Besser kein Abkommen als dieses",
formulierte etwa Stefan Schennach (S/W). So wie man vorgeht, sei das Ganze zum Scheitern verurteilt, meinte Marco
Schreuder (G/W). Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum dürften nicht alleiniges Kriterium sein,
sondern notwendig seien auch die Beachtung sozialer und ökologischer Niveaus, unterstrich Ausschussvorsitzender
Edgar Mayer (V/V). Es sei inakzeptabel, dass ein nationales Parlament die Verhandlungsdokumente nicht in die Hand
bekommt, konstatierte Hans-Jörg Jenewein (F/W).
Die Bundesländer hatten im Vorfeld des Ausschusses ebenfalls eine gemeinsame, äußerst kritische
Stellungnahme abgegeben, desgleichen der Städte- und Gemeindebund. Mayer ersuchte daher die anwesenden VertreterInnen
des Wirtschaftsministeriums, diese Anmerkungen bei den weiteren Verhandlungen zu berücksichtigen, da darin
essentielle Punkte enthalten seien. Generell bestand Übereinstimmung darin, dass man sich mit dem Thema weiterhin
im Ausschuss intensiv auseinandersetzen werde.
Umstrittene Verhandlungen zu TTIP
TTIP gilt als eines der ehrgeizigsten Freihandelsabkommen. Es zielt nicht nur auf die Abschaffung noch bestehender
Zölle ab, sondern hat vor allem die Beseitigung von nicht-tarifären Handelsbeschränkungen im Fokus
– etwa Regelungen hinsichtlich des Datenschutzes und des Konsumentenschutzes, aber auch Sicherheitsauflagen und
arbeitsrechtliche Bestimmungen. Ursprünglich ging man von einem Abschluss der Verhandlungen mit Ende 2015
aus, das sei aber höchst ambitioniert, hieß es im Ausschuss seitens des Wirtschaftsministeriums. Sobald
das Verhandlungsergebnis vorliegt, müssen nicht nur die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten und das Europäische
Parlament zustimmen, sondern es muss auch von den einzelnen nationalen Parlamenten ratifiziert werden.
Das geplante Freihandelsabkommen ist in Österreich höchst umstritten. Die Befürworter erwarten sich
von TTIP Vorteile für die exportorientierte Wirtschaft Österreichs, vor allem für Klein- und Mittelbetriebe,
ferner mehr Wirtschaftswachstum und die Senkung der Arbeitslosigkeit. Laut Studien wird für den Zeitraum von
acht Jahren ein BIP-Wachstum von 1,7 % prognostiziert.
Die USA ist für Österreich das drittwichtigste Zielland für Exporte, nach Deutschland und Italien.
Laut Auskunft des Wirtschaftsressorts betrug das Warenverkehrsvolumen mit den USA im Jahr 2013 11 Mrd. €, der Dienstleistungsbereich
bezifferte sich auf 1,4 Mrd. €.
Kritiker hingegen befürchten aufgrund des massiven Preisdrucks amerikanischer Produkte, die unter weit weniger
strengen Bedingungen erzeugt werden, die Aushöhlung von Standards im Umwelt- und Gesundheitsbereich sowie
die Aufweichung heimischer Lebensmittelstandards und Konsumentenrechte. Sie warnen darüber hinaus vor einer
Untergrabung des Datenschutzes und sozialer Rechte, insbesondere von Arbeitnehmerrechten. Dem wird seitens der
Regierung entgegengehalten, dass das Verhandlungsmandat der EU eindeutig und unmissverständlich das Recht
der Parteien zur Festlegung von Standards, das so genannte "right to regulate", festschreibe. Außerdem
sei die Verankerung von Verpflichtungen für ein hohes Umsetzungsniveau international anerkannter Sozial- und
Umweltstandards wesentlicher Bestandteil des Nachhaltigkeitskapitels. Auch müssten die Kernübereinkommen
der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) umgesetzt werden. Kritisiert wird darüber hinaus die mangelnde
Transparenz der Verhandlungen
Knackpunkt ist vor allem die geplante Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS – Investor-to-State-Dispute-Settlement).
Diese soll dazu dienen, den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Staaten auf Schadenersatz zu klagen, wenn
durch bestimmte Gesetze die Gewinnerwartungen der Unternehmen beeinträchtigt werden. Aufgrund der großen
Bedenken, die gegen ISDS vorgebracht wurden, hat die EU-Kommission entschieden, die Verhandlungen über den
Investitionsschutzteil vorläufig auszusetzen, um im Rahmen eines dreimonatigen öffentlichen Konsultationsprozesses
auf die Sorgen verstärkt einzugehen.
Wirtschaftsministerium sieht Vorteile für Österreich
Seitens des Wirtschaftsministeriums geht man davon aus, dass Österreich aufgrund seiner engen Handelsbeziehungen
mit den USA überproportional von dem Abkommen profitieren würde. Österreichischen Klein- und Mittelbetrieben
soll die Möglichkeit eröffnet werden, sich am US-Markt zu bewerben. Das sei aufgrund der herrschenden
Bedingungen nicht möglich.
Die zuständige Sektionschefin versuchte in ihren Ausführungen die Befürchtungen um die hohen Standards
insofern zu entkräften, als sie betonte, dass das EU-Verhandlungsmandat, in dem die Einhaltung der hohen Standards
festgelegt sei, eingehalten werden müsse und dieses sozusagen die "rote Linie" für eine Zustimmung
darstelle. Besonders Bedacht sei demzufolge auf die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit (Umweltschutz, natürliche
Ressourcen und Biodiversität, Klimaschutz und Energieeffizienz) zu nehmen. Das "right to regulate"
gewährleiste, dass die EU-Standards nicht unterschritten werden können. Auch bestehe in keiner Weise
ein Privatisierungszwang, zumal der besondere Status der öffentlichen Dienstleistungen, wie etwa jene der
Wasserversorgung, im EU-Vertrag verankert sei und darüber hinaus für die Daseinsvorsorge das Bundesvergabegesetz
in Österreich und das EU-Vergabegesetz gelten. Diese beiden Rechtsakte seien strenger als die Regelungen in
den USA, unterstrich sie und bekräftigte, dass dem Versorgungsprinzip Rechnung getragen werde.
Angestrebt werde jedoch die Beseitigung bestehender Zölle und Handelshemmnisse, wobei dem regulatorischen
Bereich besondere Bedeutung zukomme, sagte sie. Man müsse bedenken, dass der US-Markt der größte
Überseemarkt für heimische landwirtschaftliche Produkte darstelle und daher der Abbau von Exportbarrieren
große Vorteile mit sich bringe.
Was die Kritik an der mangelnden Transparenz betrifft, so stellte die Sektionschefin fest, dass es noch nie so
viele Informationen bei derartigen Verhandlungen gegeben habe. Das Wirtschaftsministerium veröffentliche Dokumente
auf seiner Homepage, es gebe intensive Öffentlichkeitsarbeit, das Parlament werde laufend informiert und es
fänden regelmäßige Koordinationssitzungen mit den Stakeholdern statt. Verhandlungstexte würden
jedoch noch nicht vorliegen. Dass man das Verhandlungsmandat der EU nicht bekanntgeben wolle, liege daran, dass
man dem Verhandlungspartner nicht die roten Linien bekanntmachen wolle.
Die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums versuchte auch die Bedenken gegen das Schiedsgericht auszuräumen
und meinte, der Investitionsschutz liege vor allem auch im österreichischen Interesse. Selbstverständlich
könne eine Klage nicht ausgeschlossen werden, aber Österreich sei gut gerüstet. Jedenfalls strebe
man genauere Begriffsbestimmungen an, um den Interpretationsspielraum des Schiedsgerichts einzuengen. Außerdem
trete Österreich für mehr Transparenz bei den Verfahren ein. Schiedsgerichte stellten kein privates Gericht
dar, ergänzte ein weiterer Experte des Wirtschaftsministeriums, sie agierten auch nicht im rechtsfreien Raum,
sondern seien an Regeln gebunden.
Österreich werde nun das Ergebnis der Konsultationen, die die Kommission durchführt, abwarten und dann
seine Position präzisieren, stellte die Sektionschefin fest.
Arbeiterkammer: Risiken überwiegen Chancen bei weitem
Für eine Aussetzen der Verhandlungen sprach sich der Vertreter der Arbeiterkammer aus. Nach Auffassung der
Kammer übersteigen die Risiken die Chancen bei weitem. TTIP sei kein traditionelles Freihandelsabkommen, argumentierte
er, sondern greife in wesentliche Bereiche ein. Der Experte warnte vor einer Absenkung von Standards im Konsumenten-
und Umweltschutz und wies darauf hin, dass durch den geplanten Regulierungsrat auch nach Abschluss des Abkommens
Standards durch Regulierungsangleichungen in der Umsetzung verwässert werden können.
Für die Arbeiterkammer enthält das Abkommen im derzeitigen Status zu viele ungenaue Bestimmungen, sodass
die Auslegungsbreite für die Schiedsgerichte zu groß sei und dies zu einer Einschränkung des politischen
Handlungsspielraums souveräner Staaten führen könne. Es bestehe auch die Gefahr hoher Kompensationszahlungen,
führte er aus und machte darauf aufmerksam, dass es keinerlei Berufungsmöglichkeiten gebe. Außerdem
bestehe das Gremium aus keinen Richtern. Nach Ansicht der Kammer sollte daher das Investitionsschutzkapitel nicht
Teil von TTIP werden. Die öffentliche Konsultation der EU-Kommission hält der Experte für eine Farce,
da die Bevölkerung nicht einbezogen werde.
Er sprach sich auch dafür aus, die öffentlichen Dienstleistungen komplett herauszunehmen und führte
weiter aus, dass das Nachhaltigkeitskapitel hinsichtlich des Umweltschutzes und der ArbeitnehmerInnenrechte viel
zu unverbindlich sei.
BundesrätInnen teilen Bedenken gegenüber TTIP und fordern Einhaltung hoher Standards ein
Europa verfüge über ein funktionierendes Sozialsystem, das mit den USA nicht kompatibel sei. Daher müssten
die Mindeststandards der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) eingehalten werden, konstatierte Stefan Schennach
(S/W). Er kritisierte vor allem die von den USA verlangten Geheimhaltungspflichten und äußerte große
Skepsis gegenüber dem Schiedsgericht. "Wir wollen keine Streitbeilegung durch Schiedsgerichte, da wir
ein funktionierendes Rechtssystem haben", betonte er. Außerdem sprach er sich dafür aus, die Daseinsvorsorge
und die Dienstleistungen herauszunehmen. Susanne Kurz (S/S) sprach die große Verunsicherung und Angst der
Bevölkerung an, die man vor allem im Lichte der bevorstehenden EU-Wahl doppelt ernst nehmen müsse. Kurz
informierte auch darüber, dass der Salzburger Landtag ebenfalls eine kritische Stellungnahme abgegeben hat.
Ewald Lindinger (S/O) drängte gegenüber dem Wirtschaftsministerium nochmals darauf, die Stellungnahme
der Bundesländer sowie des Städte- und Gemeindebunds zu berücksichtigen.
Marco Schreuder (G/W) teilte die von der Arbeiterkammer und den SPÖ-BundesrätInnen geäußerten
Bedenken vollinhaltlich. Er konnte es, vor allem auch in Hinblick auf die Erfahrungen mit ACTA, nicht verstehen,
dass man nun mit TTIP den selben Fehler noch einmal begeht. Nicht einmal als Befürworter von TTIP könne
man akzeptieren, wie die Verhandlungen laufen und die Rahmenbedingungen gestaltet sind, konstatierte er und zeigte
keinerlei Verständnis dafür, dass man nicht einmal das Verhandlungsmandat der EU kenne. Auch könne
es nicht sein, dass ein Konzern mit drei Schiedsrichtern hinter verschlossenen Türen Entscheidungen trifft
und damit ordentliche Gerichte ausgehebelt werden. Schreuder lehnt, wie er betonte, ein Freihandelsabkommen mit
den USA nicht prinzipiell ab, er hegt aber Zweifel an den in den Studien kolportierten Zahlen zum Wirtschaftswachstum
und Arbeitsmarkt und erinnerte an die nachteiligen Auswirkungen des NAFTA-Abkommens zwischen den USA, Mexiko und
Kanada.
Die Freiheitlichen Cornelia Michalke (F/V) und Hans-Jörg Jenewein (F/W) legten einen Antrag auf Stellungnahme
vor, in dem sie den umgehenden Stopp der Verhandlungen zum TTIP-Abkommen fordern. Sie sind besorgt, dass das Abkommen
vor allem Vorteile für amerikanische Konzerne bringen werde und sprechen die Befürchtung aus, TTIP könne
zu einer Aufweichung österreichischer Lebensmittelstandards sowie des Umwelt- und Arbeitnehmerschutzes führen.
Sie warnen zudem vor der Zulassung heikler Technologien und den negativen Konsequenzen durch Klagen mächtiger
Konzerne. Mit dem geplanten Abkommen würden private Profitinteressen endgültig dem Gemeinwohl übergeordnet,
argumentieren sie und führen, wie zuvor Marco Schreuder, das negative Beispiel NAFTA an. Der Antrag wurde
jedoch von den anderen Fraktionen abgelehnt.
Darauf reagierte Marco Schreuder (G/W) mit der Feststellung, er könne die pauschale Kritik der FPÖ an
der EU, sie ignoriere die Ängste und Sorgen der BürgerInnen, nicht mittragen. Außerdem gehe es
den Grünen nicht nur um die Interessen der österreichischen Bevölkerungen, sondern auch um jene
der europäischen Bevölkerung. Schreuder hielt ferner fest, dass sich die Lage seit der Erteilung des
Verhandlungsmandats keineswegs grundlegend geändert habe, so wie dies die FPÖ behaupte, sondern dass
das Verhandlungsmandat selbst das Problem darstelle.
Vorsichtiger äußerten sich die Bundesräte der ÖVP zu TTIP. Man sollte die Option ins Auge
fassen und die Chance nicht a priori ablehnen, sondern über die Inhalte diskutieren, meinte etwa Franz Perhab
(V/St). Bei TTIP handle es sich weder um ein Diktat von der USA noch um eines von der EU, sondern man müsse
am Ende entscheiden, was vorliegt, sagte Gerhard Schödinger (V/N). Wesentlich sei die Gewährleistung
sozialer und ökologischer Standards, bekräftigte Edgar Mayer (V/V).
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