Ängstlichkeit und Unwissenheit der Verwaltung auf lokaler Ebene erschweren gute EU-Projekte
Brasov/Salzburg (ire) - Vor 64 Jahren, am 9. Mai 1950, hielt der ehemalige französische Außenminister
Robert Schuman die Pariser Rede, in der er eine europäische Kooperation für Kohle und Stahl forderte.
Dies führte zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die der
Grundstein für die heutige EU ist. Aus diesem Anlass feiert die EU jährlich der Europatag, zu dem auch
das Institut der Regionen Europas (IRE) mit zwei Veranstaltungen in Brasov, Rumänien, beitrug. Das IRE veranstaltete
mit der Stadt Brasov und weiteren Kooperationspartnern den IRE-Europatag am letzten Freitag, den 9. Mai 2014. Am
Vormittag fand ein internationaler Workshop zum Thema “Effiziente Regional- und Lokalverwaltungen - Informationen
zur Know-How-Verbesserung und Optimierung der technischen Ausstattung“. Die effiziente Organisation und Ausstattung
moderner Regional- und Lokalverwaltungen war Schwerpunkt des Workshops, bei dem Vertreter aus den regionalen und
lokalen Gebietskörperschaften auf EU-Experten und Technikexperten trafen.
Rund 75 Prozent des Haushaltes der EU werden auf lokaler oder regionaler Ebene eingesetzt. Daher sei es wichtig,
dass die Projekte auf lokaler bzw. regionaler Ebene ausgearbeitet werden, betonte die Vertreterin der EBRD, Aura
Raducu, während des Seminars. Dazu seien eine gute Verwaltung der nationalen Haushalte und eine objektive
Verteilung auf die regionale Ebene notwendig. Die EBRD suche immer eine sehr enge Zusammenarbeit mit den nationalen
Institutionen. Gefördert würden in Rumänien u. a. regionale Wassergesellschaften, in Arad wurde
das gesamte Transportnetz erneuert, in Brasov sei mit Hilfe der EBRD ein neues Transportsystem in Ausarbeitung
und die Erneuerung des städtischen Fuhrparks. Das Thema Mobilität zur Steigerung der Verkehrsflüssigkeit
sei besonders wichtig. Ebenso ist die EBRD an Projekten zur Steigerung der Energieeffizienz sowie an Innovationen
und Forschung interessiert.
Johannes Becker von Becker Consult in Bukarest stellte auf Grund seiner Erfahrungen fest, dass in Rumänien
große Projekte, die von der EU gefördert worden wären, viel zu spät begonnen wurden. Dies
betrifft vor allem Verkehrs- und Transportprojekte. Dies hänge vor allem mit dem ständigen Wechsel der
zuständigen Minister zusammen. Viele Projekte wurden von den Lokalbehörden schlecht vorbereitet und waren
oft nicht im Interesse und zum Nutzen der Bevölkerung. Es sei daher notwendig, die lokalen Verwaltungen besser
für EU-Projekte auszubilden, da sie nicht ausreichend kompetent sind, gute Projekte auszuarbeiten. Vielfach
sind die Verantwortlichen für die Projekte deshalb zu vorsichtig, vermeiden Entscheidungen und sichern sich
durch übermäßige Bürokratie gegen die Verantwortung ab. Deshalb gehe bei vielen Projekten
nichts weiter. Gute Projekte können nur von Personen ausgearbeitet werden , die ein finanzielles Wissen haben
und ein konkretes Ziel im Auge haben, bekräftigte der Vertreter der Raiffeisen Bank Rumänien, Adrian
Raducan. Die Finalität und der Zweck des Projekts müssen klar erkennbar sein. Er betonte, dass der öffentliche
Sektor in Rumänien viel zu wenig Projekte, vor allem im Transportbereich, beantragt habe. Verschiedene Misserfolge
hatten eine schädliche Bremswirkung. Oftmals landen Gelder für Autobahnen in ganz anderen Konten, berichtete
die Abgeordnete zum Europäischen Parlament, Renate Weber. Es fehlen großflächige grenzüberschreitende
Entwicklungspläne. Mehrere benachbarte Kreise müssten zusammenarbeiten. Die Lokal- und Kreisbehörden
sind ängstlich und wollen nicht selbst entscheiden. Die Verbindungsbüros der Regionen in Brüssel
sind bei EU-Förderungen sehr hilfreich, betonte IRE-Vorstand Franz Schausberger. Mehrere Regionen können
auch gemeinsam ein Büro führen. Er unterstrich vor allem noch einmal die Wichtigkeit der regionalen und
lokalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
Victor Matei, der Repräsentant der Firma CANON Romania, schilderte, dass die Kommunikation zwischen Politik
und Bürgern in Rumänien ein großes Problem darstelle. Viele Europäische Projekte hätten
deshalb keine direkte Wirkung auf die Bürger und berühren die Menschen nicht direkt. Er präsentierte
daher die Angebote von CANON für eine moderne technische Ausrüstung zur besseren Kommunikation der regionalen
und lokalen Verwaltungen. Damit seien wirksame, rasche und kostengünstige Lösungen möglich.
Am Nachmittag fand das Café d’Europe Régional in einem Kaffeehaus statt. Eine öffentliche Diskussion
mit Fachexperten aus den EU-Institutionen und Bürgerinnen und Bürgern, die die Chance nützten, um
europapolitische Themen direkt anzusprechen. Fragen zu Rechten der Unionsbürger und den anstehenden Wahlen
zum Europäischen Parlament am 25. Mai 2014 wurden mit dem österreichischen Botschafter in Rumänien
Dr. Michael Schwarzinger, dem stellv. Wirtschaftsdelegierten in Bukarest Mag. Arnulf Gressel, IRE-Vorstandsvorsitzender
und Mitglied des Ausschusses der Regionen Dr. Franz Schausberger, den Mitgliedern des Europäischen Parlaments
Iuliu Winkler, Dragos Florin David und Renate Weber sowie weiteren Vertretern der EU-Institutionen und IRE-Partnern,
intensiv diskutiert. Rumänien wird mit zukünftig nunmehr 32 Europaabgeordneten, statt bisher 33, im Europäischen
Parlament vertreten sein. Es ist die zweite Europawahl an der die Rumänen, seit ihrem Beitritt in 2007, teilnehmen.
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