Strafe als „Maßanzug“, Entwicklungen im Sexualstrafrecht und Änderungsüberlegungen
zu den Vermögensdelikten
Wien (bmj) - „Die Höhe der Strafe ist für den Verurteilten relevanter als der eigentliche Grund
der Verurteilung“, so Helmut Fuchs, Professor am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität
Wien. In der Lehre und der Rechtsprechung selbst war es lange genau umgekehrt. Die Lehre hat sich zuletzt 1989
intensiver mit diesem Thema wissenschaftlich beschäftigt und die Höhe der Strafe wird bei Urteilen des
Obersten Gerichtshofs nicht veröffentlicht.
„Strafzumessung ist eine individuelle Sache - es geht um den Menschen selbst und die Umstände des jeweiligen
Einzelfalls. Selbstverständlich soll sie nicht nur eine Ermessensentscheidung des Richters sein, rationale
und nachvollziehbare Kriterien sind erforderlich“, so Fuchs. Das StGB gibt derzeit folgende Kriterien für
die Strafzumessung vor: Gesetzliche Strafrahmen, Strafzumessungsregeln (Erschwerungs- und Milderungsgründe),
Strafzwecke (Spezial- und Generalprävention) und Ausmaß der Schuld des Verurteilten. Im Workshop diskutieren
die TeilnehmerInnen weitere Kriterien.
„Das einzig Beständige im Strafrecht ist der Wandel. Arbeitshaus, schwerer Kerker, all das fällt unter
„Geschichte des Strafens“ – heute haben wir Geld- und Freiheitsstrafen“, so Manfred Herrnhofer, Vizepräsident
des Landesgerichts Klagenfurt. „Strafzumessung ist eine höchst verantwortungsvolle Tätigkeit des Richters
und diese Verantwortung wird von der Richterschaft auch sehr ernst genommen“, so Herrnhofer weiter. Bereits in
der Richterausbildung gibt es dazu entsprechende Seminare. „Die Strafe selbst ist ein Maßanzug; sie wird
anhand der Gesetze für jeden Menschen individuell geschneidert; und in Wahrnehmung dieser Verantwortung wird
es ermöglicht, jeweils eine gerechte Strafe zu verhängen“, so Herrnhofer abschließend.
Entwicklungen im Sexualstrafrecht
„In den letzten zehn Jahren ist der Trend zu beobachten, dass für strafbare Handlungen gegen die Freiheit
und sexuelle Selbstbestimmung die Strafrahmen angehoben und die Strafbarkeit ausgedehnt wird. Zum Teil hat das
mit internationalen Vorgaben zu tun, die umzusetzen sind“, so Martina Klein, Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft
Wien. In dieselbe Kerbe schlägt auch Caroline List, Richterin des Oberlandesgerichts Graz: „Die letzten 25
Jahre haben einen eindruckvollen Wertewandel mit sich gebracht - eine Entwicklung hin zur Stärkung des Individuums
und der Menschen- und Kinderrechte. Massive sexuelle Übergriffe gegenüber Kindern wurden vor 25 Jahren
kaum verfolgt; das kann man sich heutzutage glücklicherweise gar nicht mehr vorstellen, weil seitdem viele
gesetzliche Regelungen dazugekommen sind (z.B. pornografische Darstellung von Minderjährigen; Strafbarkeit
der dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlungen; Änderungen in den Verjährungsregelungen) und auch die
Strafrahmen erhöht wurden.“ Darüber hinaus ist das Opfer in den Mittelpunkt der Strafrechtspflege gerückt
und es wurde mehr Augenmerk auf Präventivmaßnahmen gelegt (z.B. therapeutische Maßnahmen für
Sexualstraftäter um weitere Straftaten zu verhindern).
Derzeitige Überlegungen der Expertengruppe „StGB 2015“ zu den Vermögensdelikten
„Wertgrenzen sind bei den Vermögensdelikten ein wichtiges Thema. Diese sind seit den späten 80er Jahren
kontinuierlich geringfügig gestiegen (derzeit liegen sie bei 3.000 und 50.000 Euro) und sollen – geht es nach
der Expertengruppe „StGB 2015“ - auch weiter angehoben werden“, so Hans Valentin Schroll, Senatspräsident
am Obersten Gerichtshof. Darüber hinaus wurde u.a. diskutiert, eine genauere Definition der „Gewerbsmäßigkeit“
zu schaffen.
Am Nachmittag wurde diese Themen mit den TeilnehmerInnen in Workshops diskutiert. Am 21.05. widmet sich die RichterInnenwoche
2014 dem Thema „hate crimes – hate speeches“.
Die RichterInnenwoche findet von 19. bis 23. Mai 2014 in Saalfelden am Steinernen Meer (Salzburg) statt und widmet
sich im Jahr 2014 dem Reformprozess des Strafgesetzbuchs „StGB 2015“ und dem Maßnahmenvollzug.
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