Politik will keine Vorgaben über Lebens- oder Familienformen machen
Wien (pk) – Am Ende des Sitzungstages des Nationalrats über das Bundesfinanzrahmengesetz und die Budgets
für die Jahre 2014 und 2015 standen am 21.05. die Leistungen für Familie und Jugend zur Debatte. Neben
dem finanziellen Aspekt wurden auch Fragen der grundsätzlichen Ausrichtung der österreichischen Familien-
und Jugendpolitik aufgeworfen.
FPÖ: Erhöhung der Familienleistung nur "Almosen"
Anneliese Kitzmüller (F) sah von den vielen Versprechungen, die den Familien vor den Wahlen gemacht wurden,
nichts übrig, das als Reformen zu bezeichnen gerechtfertigt wäre. Geringfügige Erhöhungen von
Familienleistungen würden die Verluste durch Inflation und kalte Progression nicht ausgleichen, rechnete sie
vor. Österreich sei eindeutig kein familienfreundliches Land. Auch Edith Mühlberghuber (F) meinte, das
Budget gebe den Familien nur Almosen, eine Wertanpassung und Steuerentlastung erfolge nicht. Die sinnlose Zuverdienstgrenze
beim Kinderbetreuungsgeld bestehe weiter und der Freiheitliche Vorschlag für ein familienfreundliches Steuersystem
werde seit Jahren ignoriert. Die Freiheitliche Jugendsprecherin Petra Steger (F) stellte fest, Jugendpolitik sei
auch Bildungspolitik. Leider spare man seit Jahren an den falschen Stellen, bei Schulen, Lehrstellen und Hochschulen.
Das Resultat sei ein Brain Drain. Die Regierung lasse leider der Einsicht, dass es hier Probleme gebe, keine Taten
folgen, meinte Steger.
ÖVP: Großes Paket an zusätzlichen Familienleistungen
ÖVP-Mandatar Georg Strasser sah hingegen im Budget ein deutliches Zeichen zugunsten der Familien. Trotz der
Sparnotwendigkeit sei ein Familienpaket von zusätzlich 1,5 Mrd. € geschnürt worden, insgesamt stelle
damit das Budget 7 Mrd. € zur Verfügung. Die Erhöhungen seien sehr wohl signifikant, ließ er Kitzmüllers
Kritik nicht gelten. Zu den Direktleistungen kämen auch Sachleistungen, wie der Ausbau der Kinderbetreuung
und der schulische Nachmittagsbetreuung. Das vorliegende Budget sei jenes Zukunftsbudget, auf das die Kinder der
ÖsterreicherInnen ein Recht hätten.
Auch sein Fraktionskollege Asdin El Habbassi meinte, man könne sich zwar immer noch mehr finanzielle Leistungen
für junge Menschen wünschen. Vordringlich sei aber jetzt der Schuldenabbau, der aus seiner Sicht nicht
schnell genug gehen könne, da auf Pump zu leben sich auf Dauer räche und die Chancen der Jugend schmälere.
Zu ernst gemeinten Reformen werde seine Generation gerne ihren Beitrag leisten. Österreich habe im Vergleich
zu anderen Ländern oft nur Problem im Detail, keine existenziellen. Das sehe man bei der Jugendarbeitslosigkeit,
die für andere Staaten ein fundamentales Problem darstelle, meinte El Habbassi.
Mit der Erhöhung der Leistungen zeige man Wertschätzung für die österreichischen Familien,
sagte Nikolaus Prinz (V). Die Familienfreundlichkeit eines Landes sei aber nicht nur monetär zu bemessen,
diese beginne auch mit der Frage, wie man mit Kindern umgehe. Claudia Durchschlag (V) begrüßte das Vorhaben
der Ministerin, Österreich familienfreundlicher zu machen. So könne es etwa nicht angehen, dass gewisse
Bauordnungen Kinderlärm als einklagbaren Lärm definieren, stellte sie fest.
Angela Fichtinger (V) zeigte sich überzeugt, dass Finanzminister Michael Spindelegger mit dem Budget die richtige
Richtung eingeschlagen habe. Gerade im Bereich der Familie und Jugend sei es gelungen, offensive Maßnahmen
umzusetzen, sagte sie. Kinderbetreuung müsse auch weiterhin großes Anliegen bleiben.
Grüne: Familienpolitik ohne Zukunftsperspektive
Abgeordnete Daniela Musiol (G) meinte, die Wahrheit über die Familienpolitik liege in der Mitte. Manches sei
besser als in der letzten Legislaturperiode, doch nicht alles sei in Ordnung. Hunderttausende Kinder lebten an
oder unter der Armutsgrenze, manche Familienformen seien noch diskriminiert. Die versprochenen 400 Mio. € für
Kinderbetreuungsplätze seien zu 305 Mio. € geschrumpft und niemand könne sagen, wie viele Plätze
letztlich geschaffen werden. Das sei keine zielgerichtete Familienpolitik, kritisierte sie. Auch Julian Schmid
(G) stellte fest, die Budgetzahlen seien an sich gut, es fehle aber eine Zukunftsperspektive. Für ihn sei
unverständlich, warum im Bildungsbereich tendenziell eher gespart werde, statt dass man sich darauf einige,
genau hier intensiv in die Zukunft zu investieren. Auch im Umweltbereich werde auf Kosten der Jugend gespart. Es
fehle jede Ambition, die Energiewende herbeizuführen oder wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel zu
setzen.
SPÖ: Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur finanzielle Frage
Für Angela Lueger (S) waren neben den Direktzahlungen auch Steuererleichterungen und Sachleistungen ein wichtiger
Faktor der Familienleistungen. Ein Ausbau der Sachleistungen sei wünschenswert, da er auch einen wesentlichen
fiskalischen Effekt habe. Der Ausbau der Kinderbetreuung schaffe beispielsweise neue Arbeitsplätz und sorge
so für Rückflüsse ins Budget. Hermann Lipitsch (S) stellte fest, gerade das Thema der Vereinbarkeit
von Beruf und Familie sei für die Jugend von enormen Interesse. Es gehe den Menschen dabei nicht nur um mehr
Geld, wie Umfragen zeigten. Für Eltern stehe im Vordergrund, ihre Kinder stets gut betreut zu wissen. Katharina
Kucharowits (S) meinte, es gebe zwar ein gutes Budget im Familien- und Jugendbereich, aber viele legislative Maßnahmen
stünden noch aus, wie ein einheitliches Jugendschutzgesetz.
Team Stronach: Positives Umfeld für Familien schaffen
Etwas stimme nicht in der Familienpolitik, sagte Leopold Steinbichler (T), wenn sogar Facharbeiter sich heute oft
einen Kinderwunsch nicht erfüllen könnten, da ihr Einkommen dazu nicht reiche. Die Gesellschaft brauche
jedoch Kinder, daher müsse man für ein positives Umfeld für Familien sorgen. Arbeit mit Kindern,
und in erster Linie die Leistungen der Mütter, müssten höher geschätzt werden. Pflege- und
Erziehungsleistungen von Familienmitgliedern sollten entsprechend abgegolten werden, sagte Steinbichler.
Gleichberechtigung aller Familien- und Lebensformen
Die Abgeordneten nützten die Debatte auch, um neben dem finanziellen Aspekt auch grundsätzliche Standpunkte
zur Familienpolitik darzulegen. So fügte Abgeordnete Musiol (G) ihrem Hinweis, die Familienberatungsstellen
seien unterfinanziert und würden ihr Angebot reduzieren müssen, einen Entschließungsantrag hinzu,
in dem sie neben Sicherstellung der Finanzierung der Beratungsstellen auch mehr Beratungsangebote für Anliegen
von gleichgeschlechtlichen und Transgender-Partnerschaften fordert.
Die ÖVP habe sich dafür entschieden, den Familien die Entscheidung über ihre Lebensform selbst zu
überlassen, hielt Claudia Durchschlag (V) fest. Familienpolitik bedeute, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen,
dass jede und jeder die Lebensform wählen kann, für die er oder sie sich selbst entscheidet, bekräftigte
auch Andrea Kuntzl (S). Es sei wichtig und richtig, dass der gute Weg in den nächsten Jahren fortgesetzt werde.
Alle Familienformen sollten von Geld- und Sachleistungen gleichermaßen profitieren, sagte auch SPÖ-Abgeordnete
Angela Lueger. Katharina Kucharowits (S) hielt fest, Politik solle sich insgesamt nicht als Regulativ für
bestimmte Lebensformen verstehen, sondern alle existierenden Formen von Familien anerkennen und unterstützen.
Dazu gehöre für sie die Forderung nach einem Adoptionsrecht für Homosexuelle genauso wie die Möglichkeit
der Väterkarenz.
Instrumente der Familienpolitik ließen einen Rückschluss zu, welches Familienbild herrsche, meinte dazu
Barbara Rosenkranz (F). Es gebe die Familie als anthropologische Konstante oder die Familie als soziales Konstrukt.
Die FPÖ habe sich ganz klar für ersteres Modell entschieden, betonte sie.
Karmasin: Erreichung des Barcelona-Ziels in greifbarer Nähe
Familienministerin Sophie Karmasin stellte fest, die Budgets 2014 und 2015 stellten ein klares Bekenntnis zu den
Familien dar. Zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen komme auch noch eine Reihe anderer Maßnahmen,
die sich auf 350 Mio. € addierten, erwiderte die Ministerin auf die Kritik von Musiol. Wenn noch nicht abzuschätzen
sei, wie viele neue Plätze damit entstehen werden, dann deshalb, weil die Länder auch in die Erhöhung
der Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen investieren können. Fest stehe jedoch schon, dass es sich
um das größte Maßnahmenpaket zur Erreichung des Barcelona-Ziels beim Ausbau der Kinderbetreuungsangebots
handle, das es je gegeben habe, und dass man dem Ziel damit sehr nahe komme. Es sei ihr gelungen, das Budget der
Familienberatungseinrichtungen stabil zu halten und erstmals eine mehrjährige Förderzusage zu geben,
die den Beratungsstellen eine bessere Planung erlaube, sagte Karmasin. Ein wichtiger Schwerpunkt sei für sie,
dass auch homosexuelle Jugendliche eine angemessene Beratung erhalten, betonte die Ministerin.
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