Nachprüfende Verwaltungskontrolle im Volksanwaltschaftsausschuss behandelt
Wien (pk) - Auf eine Ausweitung ihrer Prüfkompetenz drängten Volksanwältin Gertrude Brinek
und ihre Kollegen Günther Kräuter und Peter Fichtenbauer am 28.05. einmal mehr im Volksanwaltschaftsausschuss
des Nationalrats. Nur wenn die Volksanwaltschaft auch Missstände bei ausgelagerten Rechtsträgern kontrollieren
dürfe, könne die Ombudsstelle ihr Mandat, Hilfesuchenden umfassende Unterstützung zu bieten, zufriedenstellend
erfüllen, so ihr Appell an den Gesetzgeber. Zusätzliche Ressourcen würden dafür nicht benötigt.
Außerdem wäre dies im Interesse des Nationalrats, der so eine noch bessere Unterstützung bei seiner
Kontrolltätigkeit erhielte, ergänzte Volksanwalt Fichtenbauer.
Im Fokus des Ausschusses stand indes die vorjährige nachprüfende Verwaltungskontrolle der Ombudseinrichtung.
Die 2012 eingeführten präventiven Prüfungen zur Gewährleistung der Menschenrechte in Einrichtungen,
wo Personen festgehalten werden, stehen zwar erst nächste Woche zur Verhandlung, dennoch warfen einige Mandatare
die Situation in den Justizanstalten auf. Anlassfall war die vor kurzem publik gewordene grobe Vernachlässigung
eines Gefangenen in der Strafanstalt Stein. Volksanwältin Brinek betonte, angesichts der über 800 Häftlinge
im dortigen Strafvollzug konnten die Kommissionen der Volksanwaltschaft bei ihren Besuchen nicht das Gespräch
mit jedem einzelnen Gefangenen aufnehmen, um diesen grauenhaften Fall zu erkennen. Die Volksanwaltschaft habe aber
als Reaktion bereits ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet, so Brinek, auch seitens des Justizministeriums
gebe es positive Signale, wie derartige Vorfälle zukünftig zu verhindern sind.
Als Grundlage der Sitzungen diese und nächste Woche dient der aktuelle Volksanwaltschaftsbericht, den die
Abgeordneten heute einstimmig auf kommenden Dienstag vertagten. Für 2013 wird im Bericht ein Höchststand
an Beschwerden, insgesamt 19.249, dokumentiert, wobei allerdings nicht alle Probleme in Zusammenhang mit der öffentlichen
Verwaltung standen und daher nicht in den Aufgabenbereich der Volksanwaltschaft fielen. Dennoch, hoben die VolksanwältInnen
im Parlament hervor, behandle man jedes Anliegen im Rahmen des Möglichen und vor allem kostenlos. Häufig
bliebe leider nach der bestehenden Gesetzeslage keine andere Wahl, als Hilfesuchende an zuständige Stellen
wie die Schuldnerberatung, den Verein für Konsumenteninformation oder die Rechtsanwaltskammer zu verweisen.
VolksanwältInnen wollen Kontakt mit Bevölkerung weiter intensivieren
Einhellig lobten alle Fraktionen die Volksanwaltschaft für deren Tätigkeit, denn ihr Bericht zeige neuerlich,
wie bedeutend sie als Bestandteil des heimischen Rechtssystems sei. Überzeugt waren die Ausschussmitglieder,
die hohe Akzeptanz der Volksanwaltschaft bei Bürgerinnen und Bürgern drücke sich deutlich in der
Menge an Kontaktaufnahmen Hilfesuchender aus. Aus dem Volksanwaltschaftsbericht geht hervor, dass im Vorjahr 224
Sprechtage mit rund 1.379 Vorsprachen durchgeführt wurden. Darüber hinaus umfasste die schriftliche Korrespondenz
mit der Ombudsstelle 29.210 Schriftstücke, 14.352 Briefe und E-Mails schickte die Volksanwaltschaft an Behörden
und ihre Homepage registrierte rund 100.000 Zugriffe. Zur Anmerkung von Team Stronach-Mandatarin Martina Schenk,
auffallend sei, dass laut Bericht mehr Männer als Frauen den Kontakt mit der Volksanwaltschaft suchten, erinnerte
Volksanwältin Brinek an das Ziel der Volksanwaltschaft, eine geschlechtergerechtere Verteilung bei den Beschwerden
herzustellen. Deswegen setze man auf Bewusstseinsschaffung über die niederschwellige Rechtsschutzeinrichtung
Volksanwaltschaft, etwa in Frauenorganisationen oder in Berufsfeldern mit vor allem weiblichen Beschäftigten.
8.003 der 19.249 an die Volksanwaltschaft gerichteten Beschwerden veranlassten Österreichs Ombudseinrichtung
zu formellen Prüfverfahren. Spitzenreiter war der Bereich Innere Sicherheit mit 27% der Nachprüfungen,
vor allem auf Grund langer Asylverfahren. Rund ein Viertel entfiel auf den Sozialbereich, hier waren Beschwerden
über Pflegegeldeinstufung und Pensionszuerkennung Hauptkritikpunkte. Schwierigkeiten in der Sachwalterschaft
und mit der unabhängigen Rechtsprechung generell wurden an den Bereich Justiz herangetragen. Obwohl im Tätigkeitsbericht
betont wird, die Volksanwaltschaft könne keinen direkten Einfluss auf Gerichtsurteile nehmen, machten justizielle
Anliegen doch 18% des gesamten weiterverfolgten Beschwerdeaufkommens aus. Verschleppung von Zivil- und Strafverfahren
war oftmals der Grund dafür. 9.161 Prüffälle wurden 2013 abgeschlossen und dabei 1.444 Missstände
in der Verwaltung aufgedeckt.
Volksanwalt Günther Kräuter nannte als Ursache für das verstärkte Beschwerdeaufkommen zum einem
die gesteigerte Internetnutzung, wodurch die Beschwerdeführung sich vereinfacht habe. Zum anderen spielten
auch soziale Krisenerscheinungen, etwa im Gesundheitsbereich, eine Rolle und nicht zuletzt trage die präventive
Prüftätigkeit zur Erhöhung der Zahl an Individualbeschwerden bei. Trotzdem sei der Volksanwaltschaft
eine rechtliche Erweiterung der Prüfungskompetenz auf ausgegliederte Unternehmen, an denen die öffentliche
Hand Anteile hält, im Sinne der Bevölkerung wichtig. Kräuter belegte dies mit Bedenken zur Barrierefreiheit,
etwa an sanierten Bahnhöfen; derzeit sei die Volksanwaltschaft hier von der Bereitschaft der ÖBB abhängig,
eine Prüfung zuzulassen, um Versäumnisse zu erheben. In Vorarlberg und Tirol hätten die Landesvolksanwaltschaften
bei ausgelagerten Betrieben, die im Auftrag des Bundeslandes tätig sind, bereits das Kontrollrecht, führte
Abgeordneter Norbert Sieber (V) dazu ins Treffen. Beim Bund bestehe somit Nachbesserungsbedarf.
Den erneut gestiegenen Anteil an Beschwerden über zu lange Asylverfahren thematisierte Grünen-Volksanwaltssprecher
Wolfgang Zinggl. Konkret bezog er sich auf die derzeitige Verfahrenspraxis am Asylgerichtshof, den in seiner Funktion
ab heuer das Bundesverwaltungsgericht ablöst. Bei der neuen Aufgabenverteilung im Asylbereich setzte daraufhin
Volksanwalt Fichtenbauer in seiner Erklärung an: Immerhin sei die Zuständigkeit über Asylverfahren
bis 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat gelegen, in weiterer Folge habe der Asylgerichtshof 27.000 offene
Verfahren übernommen, die mit dem vorhandenen Personal nicht allzu schnell abzuarbeiten gewesen seien. Mit
der neuen Übertragung des Aufgabenbereichs Fremden- und Asylrecht werde es vermutlich wieder zu einem Verfahrensstau
kommen, so der Volksanwalt, bis wann sich diese Problematik löse, könne er nicht vorhersagen. Angesprochen
auf skandalöse Zustände in Asylwerberheimen, berichtete Volksanwalt Kräuter, das Innenministerium
sei dabei, für ganz Österreich einheitliche Standards der Grundversorgung zu definieren. Das negative
Paradebeispiel in diesem Zusammenhang, die Kärntner Saualm, sei schon geschlossen, nach Missstandsfeststellungen
in burgenländischen Heimen habe die Landesregierung Burgenland grundlegende Änderungen, unter anderem
mittels Personalaustausch, durchgeführt. Offen zeigte sich Kräuter, AsylwerberInnen freien Arbeitsmarktzugang
nach sechs Monaten in Österreich zu gewähren, das entspreche letztlich der EU-Linie.
Aus aktuellem Anlass brachten Zinggl und NEOS-Sprecher Christoph Vavrik den kürzlich publik gewordenen Fall
eines gröblich vernachlässigten Häftlings im Maßnahmenvollzug der Justizanstalt Stein zur
Sprache. Hinterfragt wurde von den Abgeordneten vor allem die Effizienz der Volksanwaltschaftskontrollen und inwieweit
die Ombudseinrichtung auch systemimmanente Probleme aufdecke. Gertrude Brinek gab zu bedenken, mehr als 8000 Häftlinge
befänden sich österreichweit im Vollzug, daher sei es den Kommissionen unmöglich gewesen, im Rahmen
ihrer Gefängnisprüfungen alle menschenrechtswidrigen Vorkommnisse zu erheben. Vor diesem Hintergrund
habe die Volksanwaltschaft für eine nachhaltige System- und Strukturüberprüfung aus eigenem ein
amtswegiges Prüfverfahren wegen drastischer Versorgungsmängel und möglicher Folter eingeleitet.
Sie begrüßte überdies die Pläne des Justizministers, die Strafvollzugsdirektionen wieder in
sein Ressort zurückzuholen.
Besserer Diskriminierungsschutz durch Aktionsplan Menschenrechte erhofft
2013 hat die Volksanwaltschaft auch an die UNO über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Probleme
diskriminierungsanfälliger Gruppen hierzulande Meldung erstattet, heißt es in ihrem Bericht. Österreich
sei immer noch im Rückstand bei der Ratifizierung verschiedener Zusatzprotokolle zu UN-Konventionen, merkte
SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr an, etwa in Verbindung mit der Kinderrechtskonvention. Zudem beanstandete sie mangelnden
Diskriminierungsschutz im heimischen Rechtsbestand, vor allem bei Dienstleistungen, und fragte, ob der anvisierte
Nationale Aktionsplan "Menschenrechte", den die Regierung ins Auge gefasst hat, Abhilfe schaffen werde.
Mit diesem Aktionsplan, verankert im Regierungsprogramm, habe sich die Regierung eine anspruchsvolle Selbstverpflichtung
auferlegt, führte Volksanwalt Kräuter zunächst aus. Sie wolle gemeinsam mit allen gesellschaftlichen
Vertretungsgruppen, von den Landesregierungen, über die Wissenschaft und MenschenrechtskoordinatorInnen bis
hin zu NGOs diesen Aktionsplan zum Schutz der Menschrechte 2015 fertigstellen. Die Volksanwaltschaft sei die entsprechende
Plattform dafür, informierte Kräuter, allerdings komme gerade dem Parlament eine bedeutende Rolle zu,
sich in diesen Prozess einzubringen. Da Diskriminierungsschutz den Kern fast aller Menschenrechtsfragen bilde,
sei auf dieser Grundlage tatsächlich eine Verbesserung zu erhoffen. Ratifizierungen sollten sich ebenso beschleunigen,
zeigte er sich zuversichtlich.
Viele angeregte Novellen bleiben in der Schublade
Anregungen der Volksanwaltschaft auf Gesetzesänderungen greife die Politik nur zögerlich auf, kritisierte
Abgeordnete Schenk (T). Dem Tätigkeitsbericht zufolge wurden bislang 11 von 129 vorliegenden Legislativvorschlägen
gesetzlich realisiert.
Obwohl Österreich über ein dichtes soziales Netz und ein gutes Rechtsschutzsystem verfüge, gebe
es doch darin Lücken, meinte Volksanwalt Fichtenbauer. Und zwar einerseits auf Grund verwaltungsspezifischer
Mängel, andererseits weil die Gesetze fehlerhaft seien. So sei beispielsweise im Zusammenhang mit Bombenblindgängern
die jahrelang eingeforderte gesetzliche Lösung zur Kostenübernahme für das Aufsuchen von Kriegsmaterial
nicht erbracht worden, bestätigte Fichtenbauer den Einwurf der FPÖ-Mandatarin Susanne Winter. Wegen dieser
Gesetzeslücke sollten die Aufwendungen für das Erheben gefährlicher Kriegsrelikte nicht auf Privatpersonen
abgewälzt werden, mahnte der Volksanwalt und er forderte zumindest eine gesetzliche Grundlage, durch die sich
Betroffene an die öffentliche Hand zur Ortung von Blindgängern auf ihren Grundstücken wenden können.
Über die im Zuge der Debatte unter anderem von Maria Theresia Fekter (V) eingebrachten Probleme bei der Sachwalterschaft
berate jetzt eine Arbeitsgruppe im Justizministerium, erwiderte Volksanwältin Brinek die Anmerkungen. Angedacht
seien etwa duale Modelle, bei denen als SachwalterInnen herangezogene RechtsanwältInnen ihre Aufgaben mit
ausgebildeten MitarbeiterInnen teilen, um auch die psychosoziale Dimension der Betreuung entsprechend abzudecken.
Hauptkritikpunkte bei der Sachwalterschaft sind Brinek zufolge nämlich mangelhafter Kontakt zwischen SachwalterIn
und Betroffenen und auch finanzielle Einschränkungen besachwalteter Personen.
Volksanwaltschaft exportiert demokratisches Verständnis
Als Sitz des International Ombudsman Institute (I.O.I.) vernetzt die Volksanwaltschaft seit 2009 rund 160 unabhängige
Ombudsmann-Einrichtungen in 90 Ländern weltweit, organisiert internationale Schulungen, beispielsweise zur
Korruptionsbekämpfung, Seminare sowie Forschungsprojekte und unterstützt mit I.O.I.-Mitgliedsbeiträgen
die Einrichtung neuer Ombudsstellen. Die internationalen Aufgaben der Volksanwaltschaft weiteten sich immer mehr
aus, resümierte Günther Kräuter, nicht nur im Rahmen der I.O.I. Beispielsweise werde nun ein sogenanntes
Twinning-Projekt mit Mazedonien lanciert, wo VertreterInnen der Volksanwaltschaft gemeinsam mit Mitgliedern des
Ludwig-Boltzmann-Instituts vor Ort beim Auf- und Ausbau institutioneller Strukturen behilflich seien. Zudem gebe
es zahlreiche weitere bilaterale Kooperationen, die im Licht der Entwicklungszusammenarbeit wichtige demokratiepolitische
Beiträge lieferten.
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