Festival Neue Musik im Brucknerhaus Linz von 12. bis 15.06.
Linz (brucknerhaus) - Vier Tage höchst lebendige Musik: Das Festival Neue Musik zeigt von 12. bis 15.
Juni eine weltumspannende Schau über die aufregendsten und angesagten neuen Kompositionen für großes
Orchester, Stimme, Kammermusik, Elektronik und - Comic.
Den Beginn macht niemand geringerer als das heute wohl weltbeste feminine Klavierduo: Katia und Marielle Labèque;
und mit ihnen die beiden amerikanischen Schlagzeuger Gonzalo Grau und Raphaël Seguinier. Auf der Bühne
des Großen Saales hat am 12. Juni jedoch neben den zwei Klavieren und Percussion noch etwas Platz: das gesamte
Bruckner Orchester Linz und sein Chef, Dennis Russell Davies. Sie präsentieren erstmals in Österreich
das Doppel-Konzert Nazareno des argentinischen Komponisten Osvaldo Golijov. Gonzalo Grau arbeitete mit diesem im
Jahr 2000 gemeinsam an der Pasión Según San Marcos, die ihnen den Echo Award bescherte. Themen aus
der feurig-südamerikanischen Variante der Markus-Passion bilden nun das Herzstück von Nazareno. Zum Abschluss
des großen Orchesterkonzerts wird Philip Glass' tranceverdächtige 9. Symphonie aufgrund des enormen
Erfolgs bei der Uraufführung am Neujahrstag 2012 nochmals vom Bruckner Orchester Linz gespielt.
"Unnötig, Musik neu einzuordnen"
Klassisch beginnt das junge Aleksic Trio seinen Kammermusiknachmittag im Mittleren Saal am 13. Juni. Als Entree
haben sich die drei Geschwister nämlich Franz Schuberts Streichtrio B-Dur ausgewählt, in dem wiederum
Schuberts Auseinandersetzung mit der Tradition der Klassik an sich gipfelt und zugleich unmerklich in sein eigenes,
romantisches Idiom übergeht. Und auch das folgende Trio von Alfred Schnittke knüpft an Vergangenes an:
Er komponierte es 1985 für die hundertste Wiederkehr des Geburtstages von Alban Berg. In Alfred Schnittkes
Polystilistik ist Alban Bergs Geist ebenso präsent wie der von Schubert und Mahler. Das Trio ist vielleicht
auch eine Mahnung des Komponisten, dass es unnötig sei, die Musik eindeutig einzuordnen. Diese Zeilen würde
Ernst von Dohnányi sofort unterschreiben. Der "ungarische Brahms" greift in seiner Serenade op.
10 die fast vergessene Gattung des Streichtrios wieder auf und fand zu seinem ganz eigenen Stil. Als Dohnány
1902 daran schrieb, wurde sein Sohn Hans geboren, der 14 Tage vor Ende des Zweiten Weltkriegs erhängt wurde,
ihm jedoch den hochbegabten Engel Christoph schenkte.
Vor neun Jahren formierten sich die musikalischen Geschwister Aleksic zum Trio und sind heute in allen großen
Orchestern Österreichs zu hören. Nach Linz laden sie die ebenso in Serbien geborene Flötistin Olivera
Milovanovic für Gottfried von Einems Flötenquartett ein. "Ein vergnügliches Stück voll
köstlichen Humors", titelte 1989 der Landbote Winterthur nach der Uraufführung. Der Wiener Komponist
spart darin nicht mit Walzerseligkeit und Heurigenstimmung und imitiert nicht zuletzt Jodler, ohne je auf Tonalität
zu verzichten. Gottfried von Einem zeigt hier - als einer der letzten - mit Genuss, dass sie noch lange nicht erschöpft
ist.
Er ist Autor von Zeilen wie diesen:
Bitte essen Sie, etwas, Vernünftiges.
Kann man Vernunft essen?
Das, was man vernimmt.
Das, wenn man es malt,
gewinnt.
Drei Komponisten live an einem Abend
Ein hoffnungsvoller Schriftsteller? Nicht ganz. Eigentlich nicht nur, denn bei Clemens Gadenstätter haben
wir es eindeutig mit einer Doppelbegabung zu tun. Im Brucknerhaus tritt der 1966 in Zell am See Geborene als Komponist
in Erscheinung. Das oenmz . österreichisches ensemble für neue musik, seit mehr als 35 Jahren international
federführend bei der Aufführung von Zeitgenössischem, zeigt die erste Staffel seines Zyklus' Comic
Sense. In drei Staffeln unterteilt, treibt Gadenstätter hier das (scheinbar) Banale auf die Spitze: Ganz gewöhnlich
ist in dem Konzert für Klavier, Keyboard und Ensemble das Ausgangsmaterial, in der "Durchführung"
freilich wird das klassische Klavierkonzert ordentlich aufs Korn genommen, vor allem in der 1. Staffel Grand Scherzo
concertante, wenn sich die irren Läufe selbst verrennen … Zweifellos ins Ziel kam Manos Tsangaris 2011, als
er das Final Match (ÖEA - Österreichische Erstaufführung!) für drei Spieler mit Verstärkung
seinem Mentor und Lehrer Maurico Kagel zum 80. Geburtstag widmete. In Düsseldorf geboren, gehörte Tsangaris
schnell zur Avantgarde, die regelmäßig zu den Donaueschinger Musiktagen und als Composer in Residence
international eingeladen wurden. Auch Tsangaris hat ein äußerst erfolgreiches zweites Standbein, werden
doch seine installativen und bildnerischen Arbeiten von wichtigen Galerien und Museen im In- und Ausland präsentiert.
Die Leitung des Brucknerhausabends am 14. Juni übernimmt der Neue-Musik-Experte Johannes Kalitzke, der sich
wiederum selbst als Komponist mit Angels Burnout Graffiti vorstellt. Das halbstündige Stück für
zwölf Instrumente und portable player wurde 2012 in seiner Geburtsstadt Köln uraufgeführt und verbindet
reale, elektronische und historische Klangwelten, die überraschend intensiv und zugänglich auf den Hörer
wirken, sind sie doch durch das Auge des Praktikers und Dirigenten entstanden.
Uraufführung mit VERSO
Wenige Stunden zuvor versucht die Linzer Geigerin und frisch gebackene Theodor-Körner- Kompositionspreisträgerin
Irene Kepl einmal mehr mit ihrem Ensemble VERSO, der Sopranistin Judith Ramerstorfer und Andrej Serkow am Akkordeon
im Mittleren Saal das übliche Konzertritual in mehrerer Hinsicht durcheinanderzuwirbeln: einerseits, indem
die Stücke ge mixt werden, andererseits weil die zwei Ensembles nahtlos einander abwechseln. Der witzige Liedzyklus
von Judith Varga mit dem unbescheidenen Titel The life für Sopran und Akkordeon steht dabei im Zentrum. Irene
Kepl selbst beschließt den Nachmittag mit einer Komposition und zugleich Uraufführung, die als Hommage
an das Ensemble gedacht ist: VERSO, bei der nun alle Musiker zusammenwirken und eine ungewöhnliche Melange
von Elektronik, Trompete, Bassklarinette und Schlagzeug ihre Wirkung entfaltet. Dafür kommen etwa der US-Amerikaner
Mark Holub und die experimentelle Rockmusikern Susanna Gartmayer nach Linz. Geballte Moments Musicaux also im Festival
für Neue Musik!
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