Rechnungshofpräsident, Abgeordnete und Finanzressort für mehr Transparenz
Wien (pk) - Die Rechnungshofprüfer zählten im Jahr 2011 110 Begünstigungen im österreichischen
Körperschaftsteuerrecht, die meisten davon gelten unbefristet. Die Einnahmenausfälle schätzte der
Rechnungshof für 2010 auf 455 Mio. € oder 10 % der Einnahmen. Der überwiegende Teil der Einnahmenausfälle
- 450 Mio. € - sei der Gruppenbesteuerung zuzurechnen und vom Verwaltungsaufwand, den der Rechnungshof (RH) für
2011 mit 15 Mio. € angibt, resultierten 7 Mio. € aus dieser Begünstigung. Für die Gruppenbesteuerung
bestand kein systematisches Konzept mit konkreten Zielen und messbaren Kriterien. Man spricht von Standortvorteilen,
die tatsächlichen Wirkungen waren aber überwiegend nicht bekannt. Es mangelte an Transparenz, liest man
im RH-Bericht über Begünstigungen im Körperschaftssteuerrecht mit dem Schwerpunkt Gruppenbesteuerung,
den der Rechnungshofausschuss nach lebhafter Debatte einstimmig vertagte.
Das Finanzressort habe nicht beurteilt, ob die Steuerbegünstigungen die Steuerausfälle rechtfertigten,
lautete die RH-Kritik. Eingeführt wurde die Gruppenbesteuerung in Österreich 2005 ohne europarechtliche
Vorgaben. Sie ermöglicht es finanziell verbundenen Unternehmen, auch ausländischen Körperschaften
- bis 1. März 2014 ohne regionale Einschränkung -, Gewinne und Verluste auszugleichen und somit die Steuerlast
zu mindern. Hauptsächliches Motiv für die Einführung einer sehr weiträumig gestalteten Gruppenbesteuerung
war die Beibehaltung oder Neuansiedlung von Konzernzentralen, über den konkreten Nutzen fehlten aber Daten,
merkte Rechnungshofpräsident Josef Moser an. Bei ausländischen Gruppenmitgliedern bestand ein erhöhtes
Abgabenrisiko. Inländische Körperschaften machten in den Jahren 2005 bis 2010 3,1 Mrd. € an Verlusten
und 0,545 Mrd. € an Nachversteuerungsbeträgen ihrer ausländischen Gruppenmitglieder geltend, teilte der
RH-Präsident den Mitgliedern des Rechnungshofausschusses mit. - Diese Berechnung stellte Finanzstaatssekretär
Jochen Danninger ausdrücklich in Frage, weil sie unter anderem unberücksichtigt lasse, dass sich die
Unternehmen unter den Bedingungen der Gruppenbesteuerung anders entwickelten als ohne dieses steuerliche Instrument.
Danninger verteidigte die Gruppenbesteuerung ausdrücklich im Interesse des Wirtschaftsstandorts Österreich.
Abgeordneter Werner Kogler (G) meinte, die Gruppenbesteuerung habe riskante Investitionen heimischer Unternehmen,
insbesondere auch von Banken, in Osteuropa begünstigt und Investitionen in Regionen angereizt, wo Menschenrechte
kaum gelten, Kinderarbeit herrsche und die Umwelt beschädigt werde. Dieser Ansicht trat der Finanzstaatssekretär
entgegen, indem er Osteuropa als eine Zukunftsregion mit sehr viel Potential für die heimische Wirtschaft
bezeichnete. Investitionen in Entwicklungsländern verbesserten dort die Lebensqualität der Menschen und
zählten auch zu den Voraussetzungen für die Verbesserung der Umweltsituation.
In Zeiten der Budgetsanierung sind Steuern besonders sorgfältig einzuheben
Abgeordneter Axel Kassegger (F) hielt es für notwendig, die Bestimmungen des Körperschaftsgesetzes (KÖSt)
sorgfältig umzusetzen, um dem Vorurteil entgegenzutreten, Konzerne könnten es sich Dank Gruppenbesteuerung
richten, während bei den kleinen und mittleren Unternehmen jeder Cent gesucht werde. Die Beschränkung
der Gruppenbesteuerung seit dem 1. März auf EU und EWR und auf Staaten mit umfassender Amtshilfe gehe in die
richtige Richtung. Kassegger kritisierte aber, es gebe nach wie vor Verlustanrechnungen auch für Länder
ohne Amtshilfe und forderte weitere Schritte. Zudem bemängelte der Redner anhand des RH-Berichts fehlende
Transparenz, das nicht vorhandene systematische Konzept, die Nichteinschätzung der Auswirkungen und das Risiko
ungerechtfertigter Zurechnungen von Verlusten sowie die hohen Verwaltungskosten. Kasseger meinte, das Abgabenänderungsgesetz
sei in die richtige Richtung gegangen, aber nicht konsequent genug, weil man die Gruppenbesteuerung auf die EU
und den EWR sowie auf Länder mit Amtshilfeabkommen beschränken sollte.
Mehr Transparenz bei indirekten Förderungen
Abgeordneter Elmar Mayer (S) sah seine Befürchtungen bei der Einführung der Gruppenbesteuerung mehr als
bestätigt und forderte unisono mit dem Rechnungshof einen aussagekräftigeren Förderungsbericht.
"Mehr Transparenz bei den indirekten Förderungen", verlangte Mayer. Der Rechnungshof zeige auf,
dass sich indirekte Förderungen kaum evaluieren und steuern lassen und einen hohen Verwaltungsaufwand nach
sich ziehen. Großbetriebsprüfer kämpften mit unlesbaren Bilanzen aus exotischen Ländern, schilderte
der Abgeordnete und verlangte Wirkungsfolgenabschätzungen und einen besseren Förderungsbericht, damit
man künftig feststellen könne, welche steuerlichen Begünstigungen der Wirtschaft nützen und
welche nicht.
Abgeordneter Werner Kogler (G) schloss sich seinen Vorrednern an und erinnerte daran, dass die Grünen von
Anfang an dafür eingetreten seien, den "steuerschonenden Import von Verlusten" auf den EU/EWR-Raum
zu beschränken. "Die Erfassbarkeit der Gruppenbesteuerung steht auf tönernen Füßen",
sagte Kogler und sprach die Erwartung aus, den Nutzen der Gruppenbesteuerung künftig besser zu belegen. Dazu
gehöre eine Definition von Head-Quarters und aussagekräftigere Förderberichte. Kogler problematisierte
die steuerliche Begünstigung von Risikoinvestitionen, bei denen der Steuerzahler die Ausfallshaftung übernehmen
müsse. Kogler ortete Unwillen bei der Exekution der Gruppenbesteuerung und verlangte, damit aufzuhören,
"Großbetriebsprüfer zu frustrieren". Die Empfehlungen des Rechnungshofes für den Umgang
mit Verlusten und für die organisatorisch-technische Abwicklung der Prüfungen seien umzusetzen, sagte
Kogler.
Abgeordneter Andreas Ottenschläger (V) qualifizierte die Gruppenbesteuerung als sinnvoll, weil sie internationalen
Konzernen einen Anreiz biete, Headquarters in Österreich zu etablieren und hochwertige Arbeitsplätze
ins Land zu bringen. Auch Ottenschläger hielt es aber für richtig, zu überprüfen, ob die Ziele
der Gruppenbesteuerung erreicht wurden und die Rechnungshof-Empfehlungen umzusetzen.
Abgeordnete Martina Schenk (T) drängte auf die Veröffentlichung einer Studie des Instituts für Höhere
Studien über die Gruppenbesteuerung und schlug vor, das durch 60 Novellen unlesbar gewordene Körperschaftssteuergesetz
zu durchforsten.
Abgeordneter Rainer Hable (N) befasste sich mit dem hohen Verwaltungsaufwand infolge der vielen Begünstigungen
im Körperschaftssteuerrecht und mahnte die Grundsätze der Wirkungsfolgenabschätzung und Wirkungsorientierung
bei den KÖSt- Begünstigungen ein. Die Nachversteuerungsfrist von drei Jahren bei der Gruppenbesteuerung
sollte auf sieben Jahre verlängert werden, meinte Hable.
Danninger kündigt Durchforstung des Körperschaftssteuerrechts an
Finanzstaatssekretär Jochen Danninger bekannte sich zur Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofs und berichtete
vom Bemühen des Ressorts, das durch 60 Novellen, nicht zuletzt auf Grund von EU-Vorgaben unübersichtlich
gewordene Körperschaftssteuerrecht verständlicher zu gestalten. Ob dies schon im Rahmen der nächsten
Steuerreform gelingen werde, sei derzeit aber nicht abschätzbar. Die Transparenz bei der Einhebung der Körperschaftssteuer
konnte bereits verbessert werden, an weiteren Fortschritten werde gearbeitet, teilte Danninger mit. Mit dem Abgabenänderungsgesetz
2014 wurde den Rechnungshofempfehlungen entsprochen und auch die Datenbank zur Gruppenbesteuerung umfassend verbessert.
Die Aussage des Rechnungshofs, es habe im Bereich der Gruppenbesteuerung keine Amtshilfe gegeben, wies der Staatssekretär
zurück und fügte hinzu, die Bundesregierung sei bemüht, das weltweite Netz der Amtshilfeabkommen
zu vergrößern.
Die immer wieder gestellte Frage, wie sich die KÖSt-Einnahmen ohne Begünstigung durch die Gruppenbesteuerung
entwickelt hätten, sei deshalb nicht seriös beantwortbar, weil die Unternehmen sich auf die Gruppenbesteuerung
eingestellt haben. Eine bloße Addition der Verluste bei Unternehmen, die Gruppen angehören, sei nicht
aussagekräftig und nicht seriös, hielt Danninger fest. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Verluste
nur teilweise und überdies in verschiedener Form geltend gemacht werden, erfuhren die Ausschussmitglieder.
Gegenüber Abgeordnetem Kogler bekannte sich Danninger zu Investitionen in Osteuropa und in den Entwicklungsländern
und stellte beim Thema Kampf gegen Steuerbetrug fest, dass sich das Finanzressort bewusst sei, wie groß seine
Verantwortung gegenüber den SteuerzahlerInnen beim Thema Steuergerechtigkeit in Zeiten der Budgetkonsolidierung
ist.
Moser: Steuerbegünstigungen befristen und erst nach Evaluierung verlängern
Rechnungshofpräsident Josef Moser hielt fest, dass es nicht möglich sei, die Auswirkungen der Begünstigungen
im Körperschaftssteuerrecht zu überprüfen und zu beurteilen. Da es aber notwendig sei, solche Auswirkungen
zu kennen, um die Steuerungsfunktion des Abgabensystems richtig nutzen zu können, empfahl Moser, im Förderungsbericht
zumindest die Auswirkungen der einzelnen gesetzlichen Bestimmungen für indirekte Förderungen auszuweisen.
Bei der Gruppenbesteuerung unterstrich Moser die Notwendigkeit, "Head-Quarter" zu definieren. Kritik
übte der Rechnungshofpräsident auch an der Reduktion der Zahl der Großbetriebsprüfer seit
2008 von 642 auf 496 und hielt es für problematisch, dass im Berichtszeitraum keine Amtshilfeverfahren durchgeführt
wurden. Moser plädierte dafür, Steuerbegünstigungen nur befristet zu beschließen und nur nach
einer positiven Evaluierung zu verlängern.
Finanzstaatssekretär Jochen Danninger führte gegen befristete Begünstigungen den erhöhten Verwaltungsaufwand
und das Argument der Planungssicherheit für die Unternehmen ins Treffen. Von Abgeordnetem Werner Kogler (G)
auf Nachschärfungen bei der Steuereinhebung angesprochen, informierte Danninger über umfassende Schulungen
und Informationen für die MitarbeiterInnen in den Finanzämtern. Dabei gehe es auch um das Instrument
der Amtshilfe. - Angesichts des enormen Schulungsbedarfs bei der Umsetzung der überaus komplexen Steuergesetze
begrüßte Rechnungshofpräsident Josef Moser abschließend ausdrücklich das Bemühen
des Finanzressorts um Vereinfachungen im Steuerrecht.
Moser rügt uneinheitliches Vorgehen der Finanzämter bei UID-Nummern
In seinem Bericht über die Neuaufnahmen, Vergabe und Löschung von Steuernummern und Umsatzsteuer-Identifikationsnummern
(UID) attestiert der Rechnungshof dem Finanzministerium korrektes Vorgehen in Bezug auf die entsprechenden EU-Vorgaben,
stellt allerdings kritisch fest, die überprüften Finanzämter seien uneinheitlich vorgegangen. Eine
unterschiedliche Anzahl von Prüfungen bei einzelnen Finanzämtern führte bei Neuunternehmern zu einer
verschiedenen Wahrscheinlichkeit, überprüft zu werden. Auch die Begrenzung von für die Teilnahme
am innergemeinschaftlichen Umsatzsteuer-System im EU-Binnenmarkt notwendige UID und die Qualitätssicherungsmaßnahmen
seien nicht einheitlich erfolgt. Die durchschnittlichen Erledigungszahlen je Vollbeschäftigungsäquivalent
wiederum schwankten nach Angaben des Berichts im Jahr 2011 zwischen 416 und 1.006, dies ohne für den Rechnungshof
ersichtliche Gründe. Weiters gibt der Bericht zu bedenken, dass eine wirksame Risikoanalyse zur Bekämpfung
von Steuerbetrug eine breite Basis von auswertbaren Daten erfordert. Unterschiedliche Umsatzsteuervoranmeldungszeiträume
erschwerten eine wirksame und zeitnahe Überprüfung, heißt es darüber hinaus.
Der Rechnungshof empfiehlt nun u.a. die Durchführung von Überprüfungen (Present Observations) ohne
vorherige Antrittsbesuche, die Verankerung klarer Vorgaben für die Begrenzung von UID-Nummern sowie die Festsetzung
eines einheitlichen Voranmeldungszeitraums von einem Monat für alle Unternehmer, die zur Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung
verpflichtet sind. UID-Nummern sollten jedenfalls begrenzt werden, wenn keine wirtschaftliche Tätigkeit mehr
ausgeführt wird, bei Insolvenzen und bei Todesfall. Bei Neuaufnahmen drängte der Rechnungshof auf eine
bundesweit einheitliche verstärkte Überprüfung im Rahmen von nachgängigen Kontrollen.
Neun der 27 Empfehlungen des Rechnungshofs seien bereits umgesetzt worden, bestätigte Staatssekretär
Jochen Danninger den Abgeordneten Elmar Mayer (S), Werner Kogler (G) Josef Lettenbichler (V) und Martina Schenk
(T) gegenüber. Bei zwölf weiteren Empfehlungen sei eine Umsetzung geplant. So arbeite das Finanzministerium
etwa an der Erstellung eines Leitfadens für die Antrittsbesuche. Mit der Begrenzung der UID-Nummern wiederum
befasst sich eine Arbeitsgruppe, die hinsichtlich eines entsprechenden Leitfadens die nationale und internationale
Vorgehensweise prüft und dabei auch die restriktive Rechtsprechung des EuGH berücksichtigt. Bei sechs
Empfehlungen des Rechnungshofs sieht das BMF hingegen keinen Umsetzungsbedarf. Ablehnend steht das Ressort u.a.
einer automatisierten Begrenzung der UID-Nummer bei Todesfall oder Konkurs gegenüber, zumal dies, wie Danninger
zu bedenken gab, Probleme bei der Weiterführung des Unternehmens auslösen würde.
Die Mehrzahl der Empfehlungen sei bereits umgesetzt worden, hob auch Rechnungshofpräsident Josef Moser lobend
hervor, der allerdings auf die noch ausständige Bedarfsermittlung und die Erhöhung der Personalressourcen
sowie die Einrichtung eines Risikomanagements pochte.
Der Bericht wurde im Anschluss an die Debatte einstimmig vertagt.
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