Frankfurt (ezb) - Die Europäische Zentralbank (EZB) veröffentlichte am 04.06. heute ihren Konvergenzbericht
2014, in dem die Fortschritte von acht Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Erfüllung ihrer
Verpflichtungen hinsichtlich der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion beurteilt werden.
Im Mittelpunkt des Berichts stehen Bulgarien, die Tschechische Republik, Kroatien (das erstmalig beurteilt wird),
Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Schweden. Dabei wird geprüft, ob ein hohes Maß an dauerhafter
Konvergenz in diesen Ländern erreicht ist (wirtschaftliche Konvergenz) und die rechtlichen Anforderungen eingehalten
werden, die erfüllt sein müssen, damit die entsprechenden nationalen Zentralbanken (NZBen) integraler
Bestandteil des Eurosystems werden können (rechtliche Konvergenz). Bei der Prüfung der Dauerhaftigkeit
der Konvergenz werden auch das neue verbesserte Regelwerk zur wirtschaftspolitischen Steuerung der EU sowie die
Solidität des institutionellen Umfelds im jeweiligen Land (auch im Bereich der Statistik) angemessen berücksichtigt.
Litauen wird im aktuellen Bericht einer etwas eingehenderen Prüfung unterzogen als die übrigen Länder.
Grund hierfür ist, dass die litauischen Behörden die Absicht ihres Landes bekundet haben, den Euro zum
1. Januar 2015 einführen zu wollen.
Im Konvergenzbericht 2014 werden folgende Ergebnisse vorgestellt:
Preisstabilität
Im zwölfmonatigen Referenzzeitraum von Mai 2013 bis April 2014 war die Inflation in der EU moderat. Dies ist
hauptsächlich auf einen niedrigen Druck seitens der Energie- und Nahrungsmittelpreise sowie eine anhaltend
schwache Konjunktur in den meisten Ländern zurückzuführen. Der Referenzwert für das Kriterium
der Preisstabilität betrug 1,7 %. Er wurde berechnet, indem zum ungewichteten arithmetischen Mittel der in
diesem Zeitraum gemessenen HVPI-Inflationsraten von Lettland (0,1%), Portugal (0,3 %) und Irland (0,3 %) 1,5 Prozentpunkte
addiert wurden. Die HVPI-Inflationsraten von Griechenland, Bulgarien und Zypern wurden bei der Berechnung des Referenzwertes
nicht berücksichtigt, da die Preisentwicklung in diesen drei Mitgliedstaaten als Ausnahme betrachtet wurde.
Im Referenzzeitraum lag der Zwölfmonatsdurchschnitt der Inflationsrate in Rumänien über dem Referenzwert,
in den anderen sieben Ländern, die Gegenstand dieses Berichts sind, aber deutlich unter dem Referenzwert.
Öffentliche Finanzen
Was die fiskalpolitischen Kriterien in den untersuchten Ländern betrifft, so liegt zum Berichtszeitpunkt gegen
die Tschechische Republik, Kroatien und Polen ein Beschluss des Rates der EU über das Bestehen eines übermäßigen
Defizits vor. Im Jahr 2013 wiesen mit Ausnahme Kroatiens und Polens alle untersuchten Länder ein Haushaltsdefizit
unterhalb des Referenzwerts von 3 % des BIP aus. Die öffentliche Schuldenquote lag in allen betrachteten Ländern
unter dem Referenzwert von 60 %, ausgenommen in Kroatien und Ungarn.
Wechselkurs
Von den in diesem Bericht untersuchten Ländern ist Litauen das einzige, das am Wechselkursmechanismus (WKM
II) teilnimmt. Der litauische Litas hat vor der Konvergenzprüfung seit mehr als zwei Jahren am WKM II teilgenommen,
und sein Leitkurs wurde im Berichtszeitraum nicht abgewertet.
Langfristiger Zinssatz
Im zwölfmonatigen Referenzzeitraum von Mai 2013 bis April 2014 betrug der Referenzwert für den langfristigen
Zinssatz 6,2 %. Der Referenzwert wurde berechnet, indem zum ungewichteten arithmetischen Mittel der langfristigen
Zinssätze der drei Mitgliedstaaten, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt
haben, 2 Prozentpunkte addiert wurden. Herangezogen wurden somit die Zinssätze von Lettland (3,3 %), Irland
(3,5 %) und Portugal (5,8%).
In allen untersuchten Ländern lagen die langfristigen Zinsen im Referenzzeitraum unter dem Referenzwert, wenn
auch in unterschiedlichem Ausmaß.
Rechtliche Konvergenz
Litauen ist das einzige Land, dessen Gesetzgebung alle Anforderungen hjnsichtlich der Einführung des Euro
gemäß den Verträgen und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB
erfüllt. In keinem der anderen sieben untersuchten Länder wird der Rechtsrahmen allen Anforderungen bezüglich
der Einführung des Euro gerecht. In diesen sieben Ländern bestehen Unvereinbarkeiten fort, was die Unabhängigkeit
ihrer Zentralbanken anbelangt. Dies trifft insbesondere auf die institutionelle und finanzielle Unabhängigkeit
der Zentralbanken und auf die persönliche Unabhängigkeit zu. Darüber hinaus erfüllt keines
der untersuchten Länder – mit Ausnahme Litauens und Kroatiens – die Anforderungen im Zusammenhang mit dem
Verbot der monetären Finanzierung und der rechtlichen Integration der jeweiligen Zentralbank in das Eurosystem.
Litauen
Im Referenzzeitraum betrug der Zwölfmonatsdurchschnitt der am HVPI gemessenen Inflationsrate in Litauen 0,6
% und lag somit deutlich unterhalb des Referenzwerts für das Preisstabilitätskriterium. Die aktuell niedrige
Inflationsrate in Litauen ist hauptsächlich auf temporäre Faktoren zurückzuführen, unter anderem
auf weltweit rückläufige Rohstoffpreise und den damit verbundenen geringeren Anstieg bei Energiepreisen
und administrierten Preisen. Was die Zukunft angeht, so wird es mittelfristig eine Herausforderung sein, die Teuerungsraten
in Litauen nachhaltig niedrig zu halten, da es nicht einfach sein dürfte, den inländischen Preisdruck
zu kontrollieren und eine wirtschaftliche Überhitzung in einem Umfeld fester Wechselkurse zu vermeiden. Der
Aufholprozess dürfte den Inflationsunterschied zwischen Litauen und dem Eurogebiet mittelfristig verstärken,
da das Pro-Kopf-BIP und das Preisniveau in Litauen nach wie vor niedriger sind als im Euroraum. Es bestehen deshalb
insgesamt Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Inflationskonvergenz in Litauen.
Es liegt kein Beschluss des Rates vor, wonach in Litauen ein übermäßiges Defizit besteht. Im Referenzjahr
2013 belief sich das Haushaltsdefizit auf 2,1 % des BIP und blieb damit unter dem Referenzwert von 3 % des BIP.
Die öffentliche Schuldenquote betrug 39,4 % und lag somit deutlich unter dem Referenzwert von 60 %.
Vor der Konvergenzprüfung hat der litauische Litas über zwei Jahre am WKM II teilgenommen. Litauen trat
dem Wechselkursmechanismus mit seiner bisherigen Currency-Board-Regelung im Rahmen einer einseitigen Bindung bei.
Der litauische Litas war während des gesamten Berichtszeitraums stabil, zeigte keine Abweichung von seinem
Leitkurs gegenüber dem Euro, und der Leitkurs wurde gegenüber dem Euro auch nicht abgewertet.
Die langfristigen Zinsen lagen im Referenzzeitraum bei durchschnittlich 3,6 % und damit deutlich unterhalb des
Referenzwerts für das Zinskriterium von 6,2 %.
Um in Litauen ein der nachhaltigen Konvergenz förderliches Umfeld zu schaffen, bedarf es unter anderem der
Durchführung einer auf die Gewährleistung dauerhafter gesamtwirtschaftlicher Stabilität – einschließlich
Preisstabilität – ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Was makroökonomische Ungleichgewichte anbelangt,
so wählte die Europäische Kommission in ihrem Warnmechanismus-Bericht 2014 das Land nicht für eine
eingehende Überprüfung aus. Angesichts des durch die fehlende nominale Wechselkursflexibilität begrenzten
Handlungsspielraums sind auch andere Politikbereiche gefordert, die Volkswirtschaft mit den notwendigen Mitteln
auszustatten, um länderspezifische Schocks bewältigen und so ein Wiederauftreten gesamtwirtschaftlicher
Ungleichgewichte verhindern zu können.
Wie bereits erwähnt, ist das litauische Recht mit den Verträgen und der ESZB-Satzung vereinbar.
Mit der Vorlage dieses Berichts erfüllt die EZB die Vorgaben von Artikel 140 des Vertrags, wonach sie dem
Rat der EU mindestens einmal alle zwei Jahre oder auf Antrag eines EU-Mitgliedstaats, für den eine Ausnahmeregelung
gilt, zu berichten hat, „inwieweit die Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt, bei der Verwirklichung
der Wirtschafts- und Währungsunion ihren Verpflichtungen bereits nachgekommen sind“.
Derzeit nehmen zehn Mitgliedstaaten der EU nicht voll an der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) teil. Zwei
dieser Länder, nämlich Dänemark und das Vereinigte Königreich, haben im Einklang mit den Bedingungen
der entsprechenden Protokolle, die dem Vertrag beigefügt sind, einen Sonderstatus. Infolgedessen müssen
für diese beiden Länder Konvergenzberichte nur auf deren Antrag vorgelegt werden.
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