Graz (vetmeduni) - Allein in Österreich sind rund 400.000 Menschen von einer Birkenpollen-Allergie und
den damit verbundenen Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten betroffen. Warum so viele Menschen allergisch auf
Birkenpollen reagieren, ist bis heute nicht vollkommen geklärt. Bekannt ist, dass ein bestimmtes Birkenpollen-Protein
für eine Überreaktion des Immunsystems sorgt. Was dieses Protein zum Allergen, also zum Allergie-Auslöser,
macht, haben nun ForscherInnen des Messerli Forschungsinstituts, einer gemeinsamen Einrichtung der Vetmeduni Vienna,
der MedUni Wien und der Universität Wien, herausgefunden.
Das zentrale Ergebnis der Studie, die im Top-Magazin „Journal of Biological Chemistry“ publiziert wurde: Das Pollenprotein
kann Eisen an sich binden. Bleibt das Protein ohne Eisen-Beladung, wird es zum Allergen. Umwelteinflüsse sind
möglicherweise der Grund für diese zu geringe Beladung. Die steigende Zahl von AllergikerInnen könnte
so erklärt werden.
Einzelnes Birkenpollenprotein für Allergien verantwortlich
Eines der bekanntesten Allergene ist das sogenannte „Bet v 1“ aus Birkenpollen (Betula verrucosa). Das Protein
wurde vor 25 Jahren erstmals in Wien künstlich im Labor hergestellt und wird seither weltweit als Allergen-Modell
für die Forschung verwendet. „Bet v 1“ ist das Hauptallergen unter hunderten weiteren Proteinen der Birkenpollen.
Es macht das Immunsystem überempfindlich und führt bei 95 Prozent der Birkenpollen-AllergikerInnen zur
Bildung krankmachender Antikörper, den IgE Immunglobulinen.
Bisher war nicht bekannt, warum harmlose Moleküle überhaupt Allergien auslösen. Die Forscherin Franziska
Roth-Walter und KollegInnen haben nun die mögliche Ursache gefunden.
Das Birkenpollenprotein „Bet v 1“ ist dem menschlichen Protein, Lipocalin 2, das sich vor allem in der Lunge befindet,
strukturell sehr ähnlich. Lipocalin 2 und „Bet v 1“ besitzen sogenannte molekulare Taschen, mit der sie Eisen
stark an sich binden können. Bleiben diese Taschen leer, wird das Birkenpollenprotein zum Allergen und kann
bei Mensch und Tier allergische Reaktionen hervorrufen. Das Protein manipuliert dann die T-Helfer2-Zellen (Th2-Zellen),
das sind Zellen des Immunsystems, in Richtung Allergie.
Bei AllergikerInnen sowie bei allergischen Säugetieren sind die Th2-Zellen im Gegensatz zu Th1-Zellen vorherrschend.
Th2-Zellen spielen bei allergischen Reaktionen und der Bekämpfung von Parasiten eine wichtige Rolle. Th1-Zellen
dienen der Abwehr bakterieller und viraler Infekte. „Typisch für Allergien ist eine gestörte Balance
zwischen Th1- und Th2-Immunantwort“, erklärt Erika Jensen-Jarolim, Leiterin der Abteilung für Komparative
Medizin am Messerli Forschungsinstitut. „Derzeit laufende Arbeiten deuten darauf hin, dass wir das Prinzip des
Birkenpollenallergens auf andere Allergene mit ähnlicher molekularer Struktur direkt umlegen können.
Somit beginnen wir erstmalig zu verstehen, warum Allergien gegen Pollen, Nahrungsmittel und Pilzsporen eigentlich
ursprünglich entstehen. Die Erkenntnisse werden auch der Erforschung von Allergien bei Tieren, die ebenfalls
stetig zunehmen, wesentlich zugute kommen.“
Direkter Zusammenhang zwischen Umwelt und steigenden Allergiezahlen
Derzeit untersuchen die WissenschafterInnen, welche Mechanismen zu einer verringerten Eisen-Beladung des „Bet v
1“ beitragen könnten. „Die Eisen-Beladung des Birkenproteins könnte mit verschärften Umweltbedingungen,
denen die Pflanzen ausgesetzt sind, zusammenhängen“, so Jensen-Jarolim, „Es gibt möglicherweise sogar
einen direkten Zusammenhang zwischen Umweltbelastung und steigenden Allergiezahlen. In Zukunft wird es Sinn machen,
allergene Moleküle vom Typ „Bet v 1“ gezielt mit Eisen zu beladen, wenn sie für die Immuntherapie bei
AllergikerInnen eingesetzt werden. Damit könnte man diese Therapie, die heute noch zwei bis vier Jahre dauert,
wesentlich verkürzen und ihre Effizienz erhöhen.“
Der Artikel „ Bet v 1 from Birch Pollen is a Lipocalin-like Protein acting as Allergen only when devoid of Iron
by promoting Th2 lymphocytes“ von Franziska Roth-Walter, Cristina Gomez-Casado, Luis F. Pacios, Nadine Mothes-Lucksch,
Georg A. Roth, Josef Singer, Araceli Diaz-Perales und Erika Jensen-Jarolim wurde kürzlich im Journal of Biological
Chemistry veröffentlicht. doi: 10.1074/jbc.M114.567875
http://www.jbc.org/content/early/2014/05/07/jbc.M114.567875.long
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