Ombudsstelle arbeitet mit Justizministerium am Maßnahmenvollzug
Wien (pk) - Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen, Pflegeheimen oder anderen Einrichtungen, wo
Personen die Freiheit entzogen wird, seien letztendlich nur in enger Kooperation von Volksanwaltschaft, Politik
und Zivilgesellschaft zu verhindern. Das verdeutlichte Volksanwalt Günther Kräuter am 03.06. im Volksanwaltschaftsausschuss
des Nationalrats. Wie seine Kollegin Gertrude Brinek betonte er, gerade im Maßnahmenvollzug von Justizanstalten
hätten die präventiven Kontrollkommissionen schon bei ihren ersten Besuchen gravierende Mängel festgestellt.
Allerdings könne die Volksanwaltschaft als Prüforgan nur die Verantwortlichen, im Fall von Strafanstalten
das Justizministerium, zum Handeln bewegen, habe selbst jedoch keine Anordnungsbefugnis. Ähnliches führte
Peter Fichtenbauer zu Missstandsfeststellungen im Polizeibereich aus und verwies auf das Bemühen des Innenministeriums,
die psychische Belastung aller Beteiligten, etwa bei Abschiebungen, so gering wie möglich zu halten.
Die Rolle der Volksanwaltschaft als Nationaler Präventionsmechanismus zum Schutz der Menschenrechte war heute
Hauptthema des Ausschusses, nachdem letzte Woche ihre Aktivitäten bei der nachprüfende Verwaltungskontrolle
zur Debatte standen (siehe PK Nr. 515). Zudem befassten sich die Abgeordneten bei der heutigen Sitzung noch eingehender
als vorige Woche mit der Forderung nach einer ausgeweiteten Prüfberechtigung für die Volksanwaltschaft
auf ausgelagerte Unternehmen der Öffentlichen Hand. Ein dazu diskutierter Antrag der Grünen hatte nämlich
dieses Anliegen der VolksanwältInnen aufgenommen. Gegenständlicher Entschließungsantrag wurde zwar
vorerst vertagt, allerdings deuteten SPÖ und ÖVP an, die Verhandlungen über eine neue Rechtsgrundlage
für ein breiteres Prüfmandat der Ombudsstelle liefen bereits und sollten mit einer fraktionsübergreifenden
Gesetzesinitiative zügig zu Ende gebracht werden.
Präventivprüfung soll Menschenrechte schützen
Unangekündigte Besuche in Einrichtungen, wo Menschen die Freiheit zumindest potentiell entzogen wird, und
die Beobachtung von Polizeieinsätzen sind seit 2012 Aufgaben der Volksanwaltschaft. Österreich trägt
damit den UN-Fakultativprotokollen gegen Folter und andere unmenschliche Behandlungen (OPCAT) sowie der UN-Behindertenrechtskonvention
Rechnung. Volksanwalt Günther Kräuter schilderte eingangs die Funktion dieses Präventionsmechanismus
im Detail, räumte dabei jedoch ein, den hundertprozentigen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen könne
die Volksanwaltschaft angesichts der Fülle an Prüfungen damit nicht gewährleisten. Man arbeite aber
mit Menschenrechtsbeirat, NGOs und auch auf internationaler Ebene intensiv daran, die präventive Kontrollfunktion
der Volksanwaltschaft weiter zu verbessern.
2013 führte die Volksanwaltschaft bzw. die jeweils zuständige Kontrollkommission im Rahmen ihrer präventiven
Tätigkeit 530 Kontrollen durch, geht aus dem Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle hervor, den der Ausschuss
einstimmig annahm. Großteils unangekündigt wurden 89 polizeiliche Dienststellen, 52 Justizanstalten,
84 Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, 67 Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, 106 Alten- und Pflegeheime,
63 psychiatrische Krankenhausabteilungen und 4 Kasernen geprüft. 65 mal beobachtete die Volksanwaltschaft
das Vorgehen der Polizei bei Demonstrationen und Abschiebungen, 61% dieser Beobachtungen waren ebenfalls unangekündigt.
Gemäß OPCAT-Durchführungsgesetz dienen solche Kontrollen der Prävention von Menschenrechtsverletzungen
und der Erarbeitung von Strategien zur Risikominderung. Bei der Überprüfung von Einrichtungen und Programmen
für Menschen mit Behinderungen orientiert sich die Volksanwaltschaft an der UN-Behindertenrechtskonvention,
die bestmögliche Inklusion zum Ziel hat. Beratend steht der Menschenrechtsbeirat aus VertreterInnen von NGOs
und Ministerien der Volksanwaltschaft zur Seite.
Sinnvoll wäre zur tatsächlichen Durchsetzung von Systemänderungen in Folge von präventiven
Prüfungen ein Rederecht der Volksanwaltschaft in sämtlichen Landtagen, erklärte Kräuter am
Beispiel von Pflegeeinrichtungen und Unterkünften der Jugendwohlfahrt, die landespolitisch gesteuert sind.
Derzeit bestehe eine solche eindeutige Berechtigung lediglich in Wien, auch wenn alle LandessozialreferentInnen
bereits ihren Bedarf an direkten politischen Aussprachen mit der Volksanwaltschaft klargemacht hätten.
Maßnahmenvollzug als Brennpunkt in Justizanstalten
Nach kürzlich bekannt gewordenen massiven Verfehlungen in Justizanstalten richtete der Ausschuss den Fokus
neuerlich auf den Zustand in den heimischen Gefängnissen. Vorbildlich schnell habe die Volksanwaltschaft aufgedeckte
Missstände im Strafvollzug immer an das Justizministerium weitergeleitet, unterstrich Volksanwältin Gertrude
Brinek, besonders wenn sich Mängel nicht im Anschluss an Kommissionenbesuche mit den Verantwortlichen vor
Ort klären ließen. Vor allem im Maßnahmenvollzug, der zur Nachbetreuung psychisch beeinträchtigter
Straftäter dient, hätten die Kommissionen beispielsweise in der Justizanstalt Stein gravierende Mängel
festgestellt. Auf Grund des unzureichenden Bestands an Nachsorgeeinrichtungen würden viele Insassen überlange
angehalten, so Brineks Kritik, weiters gebe es zu wenige GutachterInnen bzw. Qualitätsmängel bei Gutachten.
Sie ortete darüber hinaus zwischen allen Akteuren im Strafvollzug ein großes Kommunikations- und Abstimmungsproblem,
das letztlich den Häftlingen schade. Brinek wies in diesem Zusammenhang wiederum darauf hin, dass die Volksanwaltschaft
nicht berechtigt sei, die Gefängnisleitung direkt zur Verantwortung zu ziehen. Als Reaktion auf die grobe
Vernachlässigung eines Häftlings im Maßnahmenvollzug Stein habe die Volksanwaltschaft jedoch sogleich
ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet, damit alle Versäumnisse bei diesem Fall restlos aufgeklärt
werden.
In ihrem Bericht rät die Volksanwaltschaft, zur Behebung der teils schweren Mängel bei der medizinischen
Versorgung in Justizanstalten sei eine möglichst rasche Einbindung des angekündigten chefärztlichen
Dienstes unumgänglich und, wenn Bedarf besteht, von gerichtlich beeideten DolmetscherInnen. Aufgezeigt wird
außerdem, dass besonders für spezielle Gruppen wie Jugendliche im Strafvollzug nicht genügend Personal
zur Verfügung stehe. Das Beschäftigungsangebot sei aufgrund der Personalknappheit ebenfalls eingeschränkt,
auf Einnahmen ausgerichtete Anstaltsbetriebe müssten deswegen zeitweise schließen. Schon bevor die aktuellen
groben Verfehlungen in einigen Gefängnissen bekannt geworden sind, hätten die Prüfkommissionen der
Volksanwaltschaft bei ihren Besuchen festgestellt, dass häufig Personalmangel zu verlängerten Einschlusszeiten
führe und die Betreuung der InsassInnen erschwere, so Volksanwältin Brinek. Das Personalproblem sei zwar
nur langfristig lösbar, doch arbeite die Volksanwaltschaft derzeit in einer Arbeitsgruppe mit dem Justizministerium
an einer systematischen Verbesserung der Betreuungsqualität im Maßnahmenvollzug, wobei Weiterbildungs-
und Supervisionsangebote für JustizbeamtInnen eine wichtige Rolle spielten.
Jugendwohlfahrt: Gewaltprävention muss Priorität haben
Gewaltprävention und Deeskalation nannte Günther Kräuter als Schwerpunkte bei den Besuchen in Einrichtungen
der Jugendwohlfahrt. An einigen dieser Wohngemeinschaften hätten die Prüfkommissionen nämlich ein
überaus rigides Sanktionssystem durch die Betreuungspersonen vorgefunden, wenn Jugendliche sich nicht an die
Regeln halten. Generell zu überdenken sei das System heiminterner Schulen und Werkstätten, so die Volksanwaltschaft,
weil Minderjährigen dadurch die Integration außerhalb der Einrichtung erschwert werde. Kräuter
zufolge fehlt es jedoch an Datenmaterial über die Anzahl derartiger Heimschulen in Österreich. Eine Anregung
aus dem Ausschuss, auch für über 18-Jährige die Unterbringung in Jugendheimen gesetzlich zu ermöglichen,
griff der Volksanwalt zustimmend auf; seiner Ansicht nach wäre die diesbezügliche "kann-Bestimmung"
in mehreren Bundesländern in eine bundesweite "soll-Regelung" zu ändern.
Mängelerhebung von Pflegeheimen bis Polizeidienst
Angesprochen auf die Nutzung von Netzbetten zur Fixierung von PatientInnen in psychiatrischen Krankenhäusern
bzw. psychiatrischen Abteilungen in Krankenanstalten hielt Kräuter fest, von den Vereinten Nationen bis zum
Europarat kritisierten auch internationale Organisationen diese Art des Freiheitsentzugs massiv. Ohne die oftmals
exzellente Arbeit des Pflegepersonals in Kranken- und Altenheimen in Abrede stellen zu wollen, verwies Kräuter
auf eine einstimmig gefasste Stellungnahme des Menschenrechtsbeirats, der darin auf die flächendeckende Abschaffung
von Netzbetten in Österreich drängt. Die Anwendung von Psychopharmaka zur Ruhigstellung in Heimen hierzulande
sei ebenso noch eingehend zu erheben. Dezidiert sprach sich der Volksanwalt überdies gegen den Einsatz privater
Sicherheitsleute bei der Betreuung von Personen in Krankenanstalten und Psychiatrien aus. In mehreren Spitälern
sei nämlich offensichtlich geworden, dass private Sicherheitsdienste aktiv bei der Fixierung von Menschen
mitwirkten.
Auf keinen Fall zu privatisieren sei auch das staatliche Gewaltmonopol, spann Volksanwalt Fichtenbauer den Faden
weiter, nicht einmal auf Grund von Sparvorgaben. Bezugnehmend auf das hierbei thematisierte Schubhaftzentrum Vordernberg
und den dort eingesetzten privaten Sicherheitsdienst meinte er allerdings, die mit nicht mehr als 20 Personen relativ
geringe Zahl an Schubhäftlingen in dem Zentrum und dessen bauliche Ausgestaltung machten es zu einem Vorzeigemodell.
Die Volksanwaltschaft hätte sich persönlich davon überzeugt. Insgesamt äußerte sich der
Volksanwalt positiv über die Zusammenarbeit mit Polizeianhaltezentren und Polizeidienststellen, wo etwaige
Problemfelder in eingehenden Gesprächen mit den Prüfkommissionen erörtert würden.
Über das Faktum der vermehrten Dienstbelastung von PolizistInnen, beispielsweise wegen überlanger Mehrdienstleistungen
oder baulicher Mängel an den Dienststellen, bestehe im Innenministerium durchaus Bewusstsein, so Fichtenbauer.
Für eine adäquate Einsatzgestaltung älterer ExekutivbeamtInnen habe das Ministerium deswegen bereits
mit der Aktion 50+ Schritte gesetzt. Dessen ungeachtet merkte er an, komme der Volksanwaltschaft die bedeutende
Aufgabe zu, Problemfelder beständig aufzuzeigen. So fehle es derzeit im gesamten polizeilichen Bereich, nicht
nur in den Justizanstalten, an ausreichender psychologischer Betreuung, beanstandete Fichtenbauer.
Erweiterte Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft in Aussicht
Bis auf das Team Stronach erklärten sich heute alle Fraktionen im Ausschuss einverstanden mit der Vertagung
des Grünen-Antrags auf erweiterte Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft. Bereits mehrmals haben die VolksanwältInnen
gefordert, zur vollständigen Erfüllung des Kontrollauftrags im Sinne der Bevölkerung sei das Prüfmandat
der Ombudsstelle auf ausgegliederte Rechtsträger, an denen Bund, Länder oder Gemeinden beteiligt sind,
auszuweiten. Volksanwalt Peter Fichtenbauer pflichtete heute Abgeordneter Maria Fekter (V) bei, die monierte, obwohl
sowohl Volksanwaltschaft als auch Rechnungshof Hilfsorgane des Nationalrats seien, verfüge Letzterer über
weit mehr Kontrollbefugnisse. Wolfgang Zinggl (G) unterstützte die VolksanwältInnen in ihrem Anliegen
mit einem eigenen Antrag , für den SPÖ-Mandatar Johann Hell vorerst die Vertagung beantragte, da die
Gespräche über einen entsprechenden Gesetzestext bereits im Gange seien. Außerdem falle die Neuordnung
des Volksanwaltschaftsmandats in den Zuständigkeitsbereich des Verfassungsausschusses.
|