Die meisten Beton-Schalen muss man mit komplizierten Holzkonstruktionen stützen, eine
revolutionäre Bautechnik der TU Wien verwendet stattdessen aufblasbare Luftpolster.
Wien (tu) - Große Schalenbauten aus Beton oder Stein werden heute kaum noch errichtet. Das liegt daran,
dass man für den Bau von Kuppeln normalerweise aufwändige, teure Stützkonstruktionen aus Holz benötigt.
An der TU Wien wurde nun allerdings ein neues Bauverfahren entwickelt, das ganz ohne Holzgerüst auskommt:
Eine Betonplatte wird flach am Boden ausgehärtet, danach bläst man einen Luftpolster unter der Betonplatte
auf, und der Beton krümmt sich in kurzer Zeit zu einer belastbaren, stabilen Schale. Ganze Veranstaltungshallen
kann man in diesem Verfahren bauen. Auf den Aspanggründen in Wien wurde nun ein Kuppelgebäude mit dieser
neuen Technik errichtet.
„Man kann sich das so ähnlich vorstellen wie eine Orangenschale, die man regelmäßig einschneidet,
und dann flach auf dem Tisch ausbreitet“, sagt Prof. Johann Kollegger. „Wir machen es eben umgekehrt, wir beginnen
in der Ebene und stellen daraus eine gekrümmte Schale her.“ Johann Kollegger und Benjamin Kromoser (beide
vom Institut für Tragkonstruktionen, TU Wien) entwickelten die neue Schalenbautechnik, die nun in den Aspanggründen
in Wien mit großem Erfolg getestet wurde.
Die „Pneumatic Wedge Methode“
Zunächst wird mit gewöhnlichem Beton eine ebene Betonfläche gegossen. Dabei muss die geometrische
Form genau stimmen: Die Platte ist in mehrere Segmente unterteilt. Abhängig von der Form, die letztendlich
entstehen soll, müssen bei der Herstellung der Betonfläche genau passende keilförmige Stücke
ausgespart werden.
Wenn die Betonplatte ausgehärtet ist, wird ein darunterliegender Pneu aus zwei miteinander verschweißten
Kunststoffolien aufgepumpt. Gleichzeitig wird ein außen um die Betonplatte verlaufendes Stahlseil zusammengezogen,
sodass der Beton innen gehoben und außen zusammengedrückt wird. Um sicherzustellen, dass sich alle Teile
der Betonplatte gleichmäßig heben, sind die Segmente der Betonplatte mit Metallschienen verbunden. Im
Experiment an der TU Wien war dieser Arbeitsschritt nach etwa zwei Stunden abgeschlossen, die Betonschale hatte
dann eine Innenhöhe von 2.90m.
Während sich der Beton verbiegt, entstehen unzählige kleine Risse – doch für die Stabilität
der Schale ist das kein Problem. „Man kennt das ja von alten Steinbögen“, erklärt Johann Kollegger. „Wenn
die Form stimmt hält jeder Stein den anderen fest und die Konstruktion hält.“ Am Ende wird das Bauwerk
noch verputzt, danach hält es genauso großen Belastungen stand wie eine auf herkömmliche Weise
errichtete Kuppel.
Neue Methode bietet vielfältige architektonische Möglichkeiten
„Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, nicht bloß eine einfache, rotationssymmetrische Halbkugel
zu bauen“, erklärt Benjamin Kromoser. „Unser Bauwerk ist langgezogen, sie lässt sich geometrisch gar
nicht so leicht beschreiben. Damit wollten wir beweisen, dass sich mit unserer Technik auch komplexere Freiformen
herstellen lassen.“ In der Architektur spielen spielerische freie Formen heute eine wichtige Rolle. Durch eine
sorgsame Planung der Betonplatte und des aufblasbaren Pneus ist bei der „Pneumatic Wedge Methode“ eine große
Vielfalt von Formen möglich.
„Kuppeln mit 50 Metern Durchmesser wären auf diese Weise problemlos machbar“, sagt Johann Kollegger. Die wahre
Herausforderung liegt eher bei komplizierten Formen mit engen Krümmungsradien. Im Versuchslabor an der TU
Wien wurde getestet, wie sehr sich Beton im Extremfall mit dieser Methode verformen lässt – lokale Krümmungsradien
von bloß drei Metern lassen sich realisieren.
Das Team hofft, dass sich die neue Betonbaumethode nun bald durchsetzt – mit Unterstützung des Forschungs-
und Transfersupports der TU Wien wurde die Technik bereits patentiert. Wenn für den Schalenbau keine Holzgerüste
mehr notwendig sind, spart das nicht nur viel Zeit und Ressourcen, sondern auch eine Menge Geld: Etwa die Hälfte
der Baukosten können durch die Luftpolstertechnik eingespart werden, schätzt Benjamin Kromoser – bei
besonders großen Bauten sogar noch mehr.
|