Best Practice: Erneuerbare Energie, Naturschutz und Bürgerbeteiligung
Eisenstadt/Frauenkirchen/Wien (wwf) - Das Burgenland erlebte in den letzten 15 Jahren eine beispiellose
Entwicklung in Bezug auf die Nutzung erneuerbarer Energien, allen voran die Windkraft. Das kleine österreichische
Bundesland hat sich in dieser Zeit vom reinen Energieimporteur zur rechnerisch stromautarken Vorzeigeregion entwickelt
- obwohl diese Region ein ökologisch höchst sensibles als auch touristisch bedeutsames Gebiet ist. Dennoch
konnte der Ausbau der Windkraft im Einklang dieser verschiedenen Interessen stattfinden. Das Modell Burgenland
ist für den WWF ein Vorzeigemodell für den Ausbau erneuerbaren Energien in ganz Österreich, bei
dem auch der Naturschutz mitberücksichtigt wird. Das ist das Resümee der am 16.06.in Frauenkirchen stattfindenden
Tagung, auf der die neue WWF-Studie zu ökologisch verträglicher Windkraft im Burgenland präsentiert
wurde.
Umweltschutz, Transparenz und Partizipation
Entscheidend dafür waren ein klares Bekenntnis der politischen Entscheidungsträger zu erneuerbaren
Energien und zum Naturschutz, ein regionales Rahmenkonzept, die Einbeziehung der Vertreter der Raumordnung und
anderer Akteure sowie die positive Haltung in der Bevölkerung zu Investitionen in Energieversorgung und Naturschutz.
Auch die Nutzung von EU-Fördermechanismen, die Expertise und strategisch gestaltende Rolle der Naturschutzbehörden
des Landes und des Landesumweltanwalts, der Vertreter des Nationalparks und der relevanten Umweltorganisationen
wie Birdlife und WWF trugen zum Erfolg bei.
Erneuerbare Energien und Naturschutz
Schon in den 1990er Jahren begannen Politik, Raumplanung und Naturschutz an längerfristigen Konzepten
für die Windkraftentwicklung zu arbeiten. Das Ökostromgesetz 2002 war ein wichtiger Rückenwind für
diese Entwicklung und im gleichen Jahr wurde das erste regionale Rahmenkonzept für Windenergie vorgestellt.
Das regionale Rahmenkonzept war innovativ und konsensorientiert. Die Eignungszonen für Windkraftanlagen wurden
von Behörden, Raumplanern und Naturschutzorganisationen gemeinsam erarbeitet.
Raumplanung und Vogelschutz
„Ein Rahmenkonzept für die Windenergie war etwas ganz Neues. Dazu gehörte auch eine ornithologische
Untersuchung der Region. Die Abstimmung mit unterschiedlichen Abteilungen der Behörde und mit Akteuren wie
Vertreter der Nationalparks, der Landesumweltanwaltschaft und mit NGOs wie BirdLife Österreich war ausschlaggebend
für den Erfolg“, erklärt Gregori Stanzer vom Österreichischen Institut für Raumplanung (ÖIR).
Für den Naturschutz, den Schutz von Lebensräumen bestimmter Vogelarten und den Schutz des Landschaftsbildes
wurden Ausschlussgebiete für Windkraftanlagen definiert. Auch wurden Natur- und Landschaftsschutzgebiete,
Naturparks und Natura-2000-Gebiete von der Planung ausgenommen. „Durch die Einbeziehung langjähriger vogelkundlicher
Untersuchungen in den Planungsprozess konnten bis 2013 die wichtigsten Brut- und Nahrungsgebiete sensibler und
EU-weit geschützter Vogelarten frei von Windkraftanlagen gehalten werden. Die Beeinträchtigungen für
die Vogelwelt hielten sich so insgesamt in Grenzen. Dennoch ist aus Sicht des Vogelschutzes eine Gesamtevaluierung
und Verbesserung im Zuge der anstehenden Erneuerung der Windparks der ersten Phase dringend erforderlich“, kündigt
Michael Dvorak von der Vogelschutzorganisation BirdLife an.
Modell Burgenland für ganz Österreich
Die politische Absicherung durch alle Parteien im Landtag bot eine hohe Planungssicherheit für alle Beteiligten
und alle Interessen konnten integriert werden. „Solche transparenten Prozesse mit klaren Rahmenbedingungen für
Naturschutz und erneuerbare Energie mit Ausschlusszonen wünschen wir uns auch für die Wasserkraft und
grundsätzlich für alle erneuerbaren Energien in ganz Österreich. Denn wir stehen für den Schutz
der Natur die Senkung des Energieverbrauchs und den Ausbau der erneuerbaren Energien“, sieht WWF-Energiereferent
Karl Schellmann die Ausbaufähigkeit des Modells im Burgenland für ganz Österreich. Der Klimawandel
zwingt uns zum Umstieg auf erneuerbare Energien. Dennoch muss auch die Nutzung erneuerbarer Energien gut durchdacht
und geplant werden. In Österreich ist besonders der Ausbau der Wasserkraft bereits zu weit fortgeschritten,
was deren weiteres Ausbaupotenzial stark begrenzt. Der Windkraft und der Sonnenenergie kommt daher eine zentrale
Rolle im Ausbau erneuerbarer Energiequellen zu.
Das Windkraftland Burgenland
Bereits 1997 wurde der erste EU-geförderte Windpark im Burgenland errichtet. 2011 und 2012 wurden die
weltweit leistungsstärksten Windkraftanlagen und der größte Windpark Mitteleuropas errichtet. Mit
Jahresende 2014 wird das Land über 398 Windkraftanlagen verfügen. „Heute deckt das Burgenland mehr als
100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien wie Wind, Sonnenenergie und Biomasse. Wir sind vom Stromimport-
zum Stromexportland geworden. Mit etwas mehr als 1,2 Milliarden Euro ist es uns gelungen, knapp eine Million Tonnen
CO2 einzusparen. Das entspricht fast 100 Millionen Litern Erdöl“, beschreibt Burgenlands Landeshauptmann Hans
Niessl die Vorreiterrolle des östlichsten Bundeslandes.
Windenergie - ein wichtiges Standbein Österreichs für eine nachhaltige Energiezukunft
2013 wurde in Österreich mehr Windkraftleistung gebaut als je zuvor: 113 Windräder mit einer Gesamtleistung
von 308,6 Megawatt wurden errichtet. Für diesen Ausbau waren mehr als 500 Millionen Euro an Investitionen
nötig. 52 Prozent der neuen Anlagen wurden im Burgenland aufgestellt. Ende 2013 brachten es die damals 337
burgenländischen Windräder auf eine Gesamtleistung von 770 Megawatt. Auch für das Jahr 2014 prognostiziert
die IG Windkraft einen neuerlichen Ausbaurekord in Österreich: Rund 170 Windräder mit einer Leistung
von 483 Megawatt sollen errichtet werden, was Investitionen von 630 Millionen Euro mit sich brächte. Laut
Berechnungen der Interessensvertretung IG Windkraft werden dann mehr als 4.600 Menschen in der Windkraftbranche
tätig sein. Der Anteil von Strom am gesamten Endenergie-Verbrauch beträgt heute knapp 20 Prozent. Dieser
Stromverbrauch fließt zu etwa zwei Drittel in die Wirtschaft und zu einem Drittel in die Haushalte. Von 1990
bis 2010 hat der Stromverbrauch um 42 Prozent zugenommen. Damit kam der Ausbau der sauberen Energien nicht nach
und so ist der Anteil von 70 Prozent an den erneuerbaren Energien von 1990 auf 63 Prozent im Jahr 2011 gesunken,
kritisiert der WWF.
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