Europas Politiker haben viele Möglichkeiten, die Chancen des Demografischen Wandels zu
nutzen
Wien (öaw) - Niedrige Geburtenzahlen, die Alterung der Bevölkerung und die zunehmende Migration
innerhalb der Europäischen Union stellen die Politik vor erhebliche Herausforderungen, so ein Fazit der am
10.06. veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme von acht europäischen nationalen Wissenschaftsakademien.
Die Stellungnahme formuliert unter anderem die Empfehlung, die Vorteile niedriger Geburtenzahlen zu nutzen, um
die Investitionen in die Entwicklung und Bildung jedes einzelnen Bürgers zu erhöhen. Dies sei ein wichtiger
Beitrag, um die Wettbewerbsfähigkeit und den Wohlstand in Europa zu sichern.
Die Menschen in Europa werden heute älter als jemals zuvor, und die Kinderzahl je Frau in den meisten europäischen
Ländern liegt deutlich auf unter zwei Kindern. Die Wissenschaftsakademien fordern ein politisches Konzept,
das den gesamten Lebenslauf der Menschen einbezieht und die Herausforderungen berücksichtigt, die der demografische
Wandel für die Gesundheits-, Bildungs-, Arbeits- und Wohnungspolitik mit sich bringt.
Die Wissenschaftsakademien weisen in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass ein längeres Erwerbsleben neue,
flexiblere Lebensläufe erforderlich macht. Gründe für die Verlängerung des Erwerbslebens sind
neben der wirtschaftlichen Notwendigkeit, die Menschen länger am Arbeitsmarkt zu halten, auch Verbesserungen
der persönlichen Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Es gelte, neue institutionelle Rahmenbedingungen
zu schaffen, die es den Bürgern erlauben, häufiger zwischen Lernen/Bildung, Erwerbstätigkeit und
Freizeit/Familienzeit zu wechseln. Eine weitere Empfehlung der Stellungnahme bezieht sich auf die Einrichtung europäischer
Standards für die Gestaltung von Berufswegen und Berufsbildung, um die psychische und körperliche Entwicklung
bei der Arbeit positiv zu fördern.
Professor Wolfgang Lutz, Vertreter der ÖAW in der Arbeitsgruppe erklärt: „Den vorzeitigen Tod zu vermeiden,
ist einer der größten Träume der Menschheitsgeschichte. Heute gewinnen wir in Österreich in
jedem Kalenderjahr drei Monate an Lebenserwartung hinzu. Diese hocherfreuliche Entwicklung erfordert es aber auch,
dass wir unsere sozialen Sicherungssysteme und unseren Arbeitsmarkt flexibel und zugleich sozial verträglich
an die neuen Bedingungen anpassen. Wenn gleichzeitig die Zahl der Kinder abnimmt, wird es umso wichtiger, in ihre
Fähigkeiten zu investieren.“
Die Stellungnahme wirft die Frage auf, ob das Lebensalter als Hauptindikator für ihre Belastbarkeit oder Leistungsfähigkeit
noch Gültigkeit hat. Sie fordert die Entwicklung weiterer Indikatoren, die auch Veränderungen im Alterungsprozess
verschiedener Generationen erfassen, insbesondere die Steigerung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit
älterer Menschen von einem Geburtsjahrgang zum nächsten.
Professor Günter Stock, Präsident der ALLEA (All European Academies), unterstützt die Aussagen der
gemeinsamen Stellungnahme ad personam: „Die Vorstellungen davon, wie sich Beruf und Familie vereinbaren lassen,
wie das individuelle Potenzial über den gesamten, längeren Lebensverlauf ausgeschöpft werden kann
und wie Einwanderer aufgenommen und in die Gemeinschaft integriert werden sollten, gehen innerhalb Europas deutlich
auseinander. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, betonen die Akademien, dass es weder auf die Anzahl
der Geburten noch die der Einwanderer noch die der Lebensjahre ankommt, sondern darauf, die Lebensqualität
und die Nachhaltigkeit der Lebensbedingungen zu erhöhen. Hier liegt der Weg zur Vereinbarkeit des demografischen
Wandels mit wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und Umweltbedingungen.“
Die vollständige Stellungnahme und die Empfehlungen der Wissenschaftsakademien finden sich in englischer Sprache
unter folgendem Link: http://www.leopoldina.org/en/international-issues/international-statements/
Unterzeichner der gemeinsamen Stellungnahme sind die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die Finnische
Akademie der Wissenschaften, die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Polnische Akademie der Wissenschaften,
die Königlich Dänische Akademie der Wissenschaften, die Royal Society, die Königlich Schwedische
Akademie der Wissenschaften und die Akademien der Wissenschaften Schweiz.
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