Abkehr vom Zertifikate-Handel nur mit zusätzlichen Maßnahmen zur Treibhausgasreduktion
möglich
Wien (pk) - Österreich will seine Klimaschutzziele bis 2020 möglichst ohne weitere Ankäufe
von Emissionszertifikaten erreichen, heißt es im aktuellen Fortschrittsbericht des Bundesministeriums für
Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Ohne vermehrte Anstrengungen zur Reduktion der Treibhausgase
werde dies aber schwer machbar sein. Über die konkreten Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes
in die Atmosphäre um bis zu 1,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent bis 2020 wollen sich Bund und Länder
noch heuer einigen. Das 2011 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz (KSG) legt dabei zulässige Höchstmengen
der Emissionen für einzelne Sektoren fest. Am weitesten entfernt von den sektoralen Zielen der heimischen
Klimastrategie sind dem Ministerium zufolge 2012 die Bereiche Verkehr und Industrie gewesen, übererfüllt
wurden die Ziele dagegen in den Sektoren Raumwärme und Abfallwirtschaft.
Bund und Länder wollen gemeinsam Klimaschutz vorantreiben
Insgesamt sind die heimischen Treibhausgas (THG) - Emissionen seit 2005 mit Ausnahme des Jahres 2010 kontinuierlich
gesunken, hält der Bericht fest, die getroffenen Klimaschutzmaßnahmen hätten also gegriffen. So
sei der Rückgang an Emissionen von 2011 auf 2012 vorrangig der gesteigerten Stromerzeugung aus erneuerbaren
Energieträgern und dem nachlassenden Einsatz fossiler Energieträger zu verdanken. Allerdings hätten
in den Vorjahren inländische Maßnahmen allein nicht für das Einhalten der Emissionsgrenze von 68,8
Mio. Tonnen CO2-Äquivalent jährlich ausgereicht, argumentiert das Ministerium die Inanspruchnahme zusätzlicher
flexibler Instrumente (JI/CDM) im Rahmen der Klimastrategie zur Emissionsminderung im Inland. Tatsächlich
wurden 2012 in Österreich 80,1 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent Treibhausgase emittiert. Gegenüber 2011
sind das zwar um 3,3% weniger, aber immer noch um 2,5% zu viel gemessen an Österreichs Verpflichtungen gemäß
Kyoto-Protokoll. Dementsprechend erhöhte man mit einer Änderung des Umweltförderungsgesetzes 2012
den geplanten Ankauf von Emissionsreduktionseinheiten von 45 auf maximal 80 Tonnen CO2-Äquivalent. Um zukünftig
auf den Erwerb von Zertifikaten zur Erreichung des Kyoto-Ziels verzichten zu können, haben Bund und Länder
ein erstes Maßnahmenpaket für 2013/14 vereinbart, darauf aufbauend soll noch in diesem Jahr die Entscheidung
über weitere akkordierte Schritte zum Klimaschutz von 2015 bis 2020 getroffen werden.
Das "Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von
wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz", kurz Klimaschutzgesetz (KSG), bildet die Grundlage der österreichischen
Klimastrategie und erfasst nationale Emissionen außerhalb des europäischen Emissionshandelssystems.
Verankert darin sind Verfahren, mit denen zwischen Bund und Ländern THG-Höchstmengen für einzelne
Sektoren wie Industrie oder Verkehr festzulegen sind, sowie ein Klimaschutz-Verantwortlichkeitsmechanismus, um
auf etwaige Zielverfehlungen mit verbindlichen Konsequenzen reagieren zu können. Begleitet wird die Umsetzung
des Gesetzes vom Nationalen Klimaschutzkomitee als Lenkungsgremium und dem beratenden Nationalen Klimaschutzbeirat.
Industrie und Energiewirtschaft: hohe Beteiligung am Emissionshandel
Der aktuelle zweite Fortschrittsbericht der Bundesregierung vergleicht die Treibhausgasemissionen in der ersten
Kyoto-Periode (2008-2012) mit den im KSG festgelegten Höchstmengen, wobei seit 2013 in der Sektoreneinteilung
Verursacherbereich und Maßnahmenverantwortlichkeit stärker verknüpft sind. Die wichtigsten Verursacher
von Emissionen waren 2012 laut Bericht die Sektoren Industrie und produzierendes Gewerbe (30,8%), Verkehr (27,1%),
Energieaufbringung (15,5%), Raumwärme und sonstiger Kleinverbrauch (11,9%) sowie Landwirtschaft (9,4%).
Im Sektor Industrie und produzierendes Gewerbe stiegen die THG-Emissionen zwischen 1990 und 2012 um 16,1%, wobei
die Eisen- und Stahlproduktion sowie die mineralverarbeitende Industrie am emissionsintensivsten sind, besonders
in Zeiten steigender Wertschöpfung. Infolgedessen spielt hier der Emissionshandel (EH) eine große Rolle:
2012 deckten Betriebe, die sich am Emissionshandel beteiligten, rund 75% der industriellen Emissionen mit Zertifikaten
ab. Der tatsächliche THG-Ausstoß dieser Betriebe fiel 2012 allerdings niedriger aus als erwartet. Die
überschüssigen CO2-Zertifikate, die von 2008 bis 2012 jährlich im Ausmaß von durchschnittlich
19,5 Mio. Tonnen zugeteilt worden waren, können folglich von den betroffenen Unternehmen verkauft oder später
verwendet werden.
Einen noch höheren Anteil (79%) der Emissionen wurde von EH-Betrieben im Energiesektor abgedeckt. Die Hauptverursacher
von Emissionen dieses Bereichs sind die öffentliche Strom- und Wärmeproduktion sowie die Raffinerie Schwechat.
Getrieben werden die THG-Emissionen vor allem vom inländischen Stromverbrauch. Dank des Einsatzes von erneuerbaren
Energieträgern sank der Schadstoffausstoß jedoch 2012 im Jahresvergleich erneut um 10% auf 12,4 Mio.
Tonnen CO2-Äquivalent, lag somit 1,4 Tonnen unter dem Niveau von 1990. Nicht zuletzt das Ökostromgesetz
belebte den Ausbau erneuerbarer Energie, wird im Fortschrittsbericht angemerkt. Die Umsetzung der Deponieverordnung
brachte indes einen Anstieg der Abfallverbrennung mit sich, weshalb sich Emissionen aus dem Sektor Abfallwirtschaft
in den Bereich Energieaufbringung verschoben.
Vom Straßenverkehr rühren die meisten Emissionen im Verkehrssektor her, 2012 schlug dabei der Personenverkehr
mit 11,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent den Güterverkehr (9,1 Mio. Tonnen). Als Ursache dafür wird im
Bericht nicht nur das seit 1990 gestiegene Verkehrsaufkommen auf Österreichs Straßen angegeben, sondern
auch die heimische Exportwirtschaft und der Umstand, dass Österreich im Vergleich zu seinen Nachbarstaaten
niedrigere Kraftstoffpreise aufweist. Das führt dazu, dass AutofahrerInnen volltanken, bevor sie Österreich
verlassen. Dessen ungeachtet sind die Verkehrsemissionen 2012 im Vergleich zum Jahr davor um 0,1 Mio. Tonnen (0,5%)
gesunken, neben Preissteigerungen beim Treibstoff und der schleppenden Konjunkturerholung wirkten sich in diesem
Feld Effizienzsteigerungen im Güterverkehr und der Einsatz von Biokraftstoffen aus, so das Umweltministerium.
Die Sektoren Raumwärme und Landwirtschaft haben in den letzten Jahren einen kontinuierlich rückläufigen
Trend bei den Schadstoffemissionen verzeichnet. In privaten Haushalten sowie öffentlichen und privaten Dienstleistungsunternehmen
trugen 2012 unter anderen thermisch-energetische Gebäudesanierungen, der Einsatz effizienterer Heizsysteme
und der Wechsel zu kohlenstoffärmeren Brennstoffen maßgeblich zur Emissionsminderung bei. Dadurch unterschritt
der diesbezügliche THG-Ausstoß das Klimastrategieziel von 11,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent um 2,4
Mio. Tonnen. Dem Bericht zufolge besteht in diesem Bereich weiterhin erhebliches Reduktionspotential. Die Emissionseinsparung
in der Landwirtschaft wird mit dem generellen Rückgang des Viehbestandes und dem reduzierten Einsatz von Mineraldünger
erklärt. In Zahlen bedeutet das eine Reduktion landwirtschaftlicher THG-Emissionen um 12,4% (1,1 Mio. Tonnen
CO2-Äquivalent) von 1990 bis 2012.
Erfolgreicher Klimaschutz verlangt nach zusätzlichen Maßnahmen
Mit dem EU-Klima- und Energiepaket soll in der gesamten Europäischen Union bis zum Jahr 2020 der Treibhausgas-Ausstoß
um 20% im Vergleich zu 1990 gesenkt und der Anteil erneuerbarer Energiequellen am Bruttoendenergieverbrauch auf
20% gesteigert werden. Österreich wird beim unionsweiten "Effort-sharing" zur Aufteilung des Aufwands
die THG-Emissionen (von Quellen außerhalb des Emissionshandels) um 16% gegenüber 2005 zu reduzieren
haben. Außerdem ist der heimische Anteil an erneuerbarer Energie bis 2020 auf 34% zu erhöhen, bei gleichzeitigem
Absenken des Endenergieverbrauchs. Die Vereinten Nationen wiederum legten bei ihrer Klima-Konferenz 2011 in Durban
fest, dass Industriestaaten ihre Emissionen um 25-40% bis 2020 und um 80-95% bis 2050 in Relation zu 1990 zurückfahren
müssen, um die Erderwärmung auf weniger als 2°C zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund will man auf
EU-Ebene bis Jahresende einen rechtsverbindlichen klima- und energiepolitischen Rahmen abstecken, der auf einem
Kommissionsvorschlag vom Jänner 2014 basiert. Demnach würde bis 2030 der THG-Ausstoß um 40% gegenüber
1990 einzudämmen sein, gleichzeitig wären 27% des Bruttoenergieverbrauchs mit Erneuerbarer Energie abzudecken.
Wie eine Analyse des Umweltbundesamts aufzeigt, kann Österreich den EU-Klimazielen im Effort-Sharing-Bereich
bis 2020 nur mit zusätzlichen CO2-mindernden Maßnahmen gerecht werden. Die derzeit bereits bestehenden
Klimaschutzmaßnahmen würden nämlich zu einer Abnahme von lediglich 10,1% anstatt der vorgeschriebenen
16% führen.
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