Jüdisches Museum Wien: Stoffe und Geschichten

 

erstellt am
17. 06. 14
16.00 MEZ

Neue Ausstellung im Extrazimmer von 18. Juni bis 9. November 2014
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, präsentiert in der neuen Ausstellung "Stoffe und Geschichten. Textilien aus den Sammlungen des Jüdischen Museums", ausgewählte Zeremonialobjekte und sakrale Textilien aus dem Bestand des Museums, wie z.B. Tora-Mäntel und Tora-Vorhänge. Diese können aufgrund der fragilen Beschaffenheit nicht ständig gezeigt werden. Die Ausstellung, die ab 18. Juni im Extrazimmer am Standort Dorotheergasse zu sehen ist, widmet sich nun diesen besonderen Objekten.

Frauen als Stifterinnen
Frauen hatten bis zum Auftreten der Reformbewegung in der Synagoge zumeist keine aktive Funktion inne, sie spielten und spielen bis heute jedoch in traditionellen Gemeinden als Stifterinnen von Textilien eine wichtige Rolle. Oft fertigten sie Tora-Vorhänge, Tora-Mäntel oder andere sakrale Textilien in Handarbeit an. Manche arbeiteten sogar ihre Hochzeitrobe zu einem Tora-Mantel um, was als besonders wohltätig galt. Die gestickten hebräischen Inschriften "erzählen" von den Stifterinnen und ihren Familien, von persönlichen und historischen Ereignissen. Die Textilien des Jüdischen Museum Wiens bilden einen der größten Bestände innerhalb der hauseigenen Sammlung. Aus konservatorischen Gründen können diese jedoch nicht ständig gezeigt werden. Daher macht es sich diese Ausstellung nun zur Aufgabe, ausgewählte Stücke des textilen Bestands zu zeigen und ihre Bedeutung für das Museum deutlich zu machen. Die ausgestellten Objekte im Jüdischen Museum Wien geben nicht nur historisches Zeugnis von ihrer Entstehungszeit ab, sondern bergen auch die oft spannenden Geschichten ihrer Stifterinnen.

Objekte mit ganz persönlicher Geschichte
Im jüdischen Kultus dienen Textilien primär zum Verhüllen von Gottes Wort, denn durch sie wird es von allem Profanen getrennt. Die aufwendige dekorative Gestaltung der Stoffe bringt die Verehrung Gottes zum Ausdruck und soll gleichzeitig den Gläubigen an die Erfüllung seiner Pflichten erinnern. Textilien für den kultischen Gebrauch gelangten und gelangen auch heute noch meist als Spende in den Besitz einer Gemeinde, oft treten Privatpersonen, Ehepaare oder ganze Familien als StifterInnen hervor. Die Spende gilt als Ausdruck der Frömmigkeit des Donators und wird häufig aus einem privaten Anlass wie einer Bar Mizwa, eines Jubiläums, aber auch zu Feierlichkeiten innerhalb der Gemeinde angefertigt. Frauen waren und sind oft monate- oder auch jahrelang mit der Herstellung beschäftigt.

Unter den besonderen Textilien, die in der Ausstellung gezeigt werden, ist der Tora-Vorhang, der zur Feier der Vermählung von Kronprinz Rudolf mit Prinzessin Stephanie von Belgien von den Frauen Währings gestiftet wurde, hervorzuheben. Aufgrund der Tragödie von Mayerling war dieser wohl nur wenige Jahre in Verwendung.

Ein weiteres interessantes Objekt ist ein Tora-Vorhang aus der Schiffschul im zweiten Wiener Bezirk, der die Namen von sechs Stifterinnen nennt, von denen man heute kaum noch etwas weiß. Das Bethaus dieser Gemeinde, die nach sehr strengem Ritus lebte, wurde im Zuge des Novemberpogroms 1938 zerstört. Der letzte Rabbiner der Schiffschul überlebte die Schoa versteckt in Wien und konnte die Gemeinde nach der Befreiung wieder aufbauen. Eine Brit Mila Decke (= im Rahmen der Beschneidung in Verwendung) wurde bereits 1824 gestiftet und war schon Teil der Sammlung des alten Jüdischen Museums. Ihre Besonderheit liegt in der eigenhändig seidengestickten figuralen Darstellung von Isaaks Opferung, ein häufiges Motiv in Zusammenhang mit der Beschneidungszeremonie.

Der Brautschleier von Minna Aptowitzer erzählt von einem jüdischen Familienschicksal des 20. Jahrhunderts. Ihre Eltern besaßen im 16. Bezirk ein großes Warenhaus, in dem auch sie gemeinsam mit ihrem Mann arbeitete. Sie bekamen zwei Kinder, im März 1939 gelang ihnen die Flucht. Der Familienbetrieb wurde arisiert, als 1965 die Kinder erstmals wieder nach Wien reisten, stand an dessen Stelle ein Neubau.

Die von Gabriele Kohlbauer-Fritz kuratierte Ausstellung ist von 18. Juni bis 9. November 2014 im Extrazimmer des Jüdischen Museum Wien, einem Museum der Wien Holding, Dorotheergasse 11, 1010 Wien zu sehen.

Vermittlungsangebot zur Ausstellung: Stich für Stich (alle Altersstufen)
Das Programm "Stich für Stich" lädt BesucherInnen aller Altersgruppen ein, sich sämtlichen im Museum ausgestellten Stoffen zu widmen und Schritt für Schritt ihre Geschichten zu ergründen. Ausgehend vom Extrazimmer wird ein Spaziergang durch "Unsere Stadt!" und in die österreichischen Bundesländer unternommen. Kreative Angebote mit Textilien und Schrift für die jüngeren BesucherInnen erlauben eine persönliche künstlerische Auseinandersetzung mit jüdischer Geschichte und dem Museum als Ort von Erinnerung und Zeit, von Gedächtnis und Gegenwart.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.jmw.at

 

 

 

 

 

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