Wien (tu) - Ein System aus gekoppelten Lasern wurde an der TU Wien hergestellt, das sich völlig paradox
verhält: Bei verstärkter Energiezufuhr schaltet sich das Laserlicht aus und bei weniger Energie schaltet
es sich ein.
Schallwellen verhallen, Wasserwellen verebben, ein Lichtstrahl wird von einer Wand verschluckt. Dass Wellen absorbiert
werden ist ein ganz alltägliches Phänomen. Trotzdem erkannte die Physik erst in den letzten Jahren, welche
neuen Möglichkeiten sich ergeben, wenn man diesen Verlust von Energie nicht als lästiges Ärgernis,
sondern als erwünschten Effekt betrachtet. An der TU Wien wurde nun ein System aus zwei gekoppelten Lasern
hergestellt, bei dem die Balance aus Energiezufuhr und Verlust zu einem paradoxen Verhalten führt: Zusätzliche
Energie kann den Laser ausschalten, oder eine Reduktion der Energie den Laser einschalten. Auf diese Weise könnte
man logische Schaltungen bauen, die mit Licht funktionieren. Im Fachjournal „Nature Communications“ wurde das entsprechende
Experiment nun präsentiert.
Gewöhnliche Laser und paradoxe Laser
„Normalerweise hängt die Lichtintensität eines Lasers auf recht einfache Weise von der Energie ab, die
man hineinsteckt“, sagt Prof. Stefan Rotter vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. „Führt
man zu wenig Energie zu, geschieht gar nichts. Überschreitet man eine kritische Schwelle, beginnt der Laser
zu leuchten, und je mehr Energie man zuführt, umso stärker leuchtet er.“
Doch es geht auch anders. Zwei mikroskopisch kleine kreisförmige Laser wurden an der TU Wien miteinander gekoppelt,
sodass ein Gesamtsystem entsteht, in dem die komplizierte Balance von Energiezufuhr und Energieverlust erstaunliche
physikalische Effekte hervorruft: Zwei Laser, die sonst leuchten würden, schalten sich gegenseitig aus, wenn
man sie koppelt. Mehr Energie führt dann nicht zu mehr Licht, sondern zu völliger Dunkelheit. Umgekehrt
kann auch eine Reduktion der Energiezufuhr dazu führen, dass plötzlich das Licht angeht.
„Zunächst stießen wir in einer Computersimulation auf diesen Effekt, und waren ziemlich verblüfft
von unseren Ergebnissen“, erzählt Stefan Rotter. Nun ist es gelungen, das vor zwei Jahren vorhergesagte Phänomen
experimentell zu bestätigen – in einem Gemeinschaftsprojekt zwischen den Fachrichtungen Physik, Elektrotechnik
und Mathematik der TU-Wien und der Universität Princeton (USA). Für das Experiment wurden sogenannte
Terahertz-Quantenkaskadenlaser mit einem Durchmesser von weniger als einem Zehntelmillimeter verwendet. „Diese
Mikro-Laser sind für solche Experimente besonders gut geeignet, weil ihre optischen Eigenschaften genau angepasst
werden können und ihre Wellenlänge recht groß ist“, sagt Martin Brandstetter vom Institut für
Photonik der TU-Wien. Dadurch gelangt die Lichtwelle leicht von einem Laser in den anderen.
Gewünschte Imperfektion
Die Absorption von Wellen wird in der Physik meist als unerwünschter Nebeneffekt betrachtet. „Man geht bei
theoretischen Berechnungen meist vom perfekten Fall aus, in dem es keine Dissipation gibt“, erklärt Rotter.
Es rechnet sich einfach leichter mit Spiegeln, die 100% des Lichtes reflektieren, mit Lichtleitungen, die 100%
des Lichts leiten, oder mit Schallwellen, die bei ihrer Ausbreitung keine Energie verlieren. Doch Perfektion ist
manchmal einfach langweilig – die interessanten Kopplungseffekte der beiden Laser werden nur sichtbar, wenn man
auf ihnen eine speziell absorbierende Metallschicht anbringt, die einen Teil des Lichts absorbiert. Für das
paradoxe Verhalten der Laser ist ein kompliziertes mathematisches Phänomen verantwortlich: Das Auftreten sogenannter
„Ausnahmepunkte“ – spezielle Schnittpunkte von Flächen in komplexen Räumen, die bei der Berechnung der
Zustände des Laser-Systems auftreten. Immer wenn die mathematischen Gleichungen solche Ausnahmepunkte hervorbringen,
treten physikalisch recht merkwürdige Phänomene auf.
Solche Kopplungen von Lasern könnten zu neuen elektro-optischen Schaltungen führen. Ähnlich wie
heute elektronische Bauteile Input-Signale zu einem Output-Signal verarbeiten, könnte man das auch mit optischen
Bauteilen tun. Gekoppelte Mikro-Laser wären dafür ideal: Sie sind leicht auf einem kleinen Chip unterzubringen,
und wie sich nun zeigt, bieten sie ein breites Repertoire an nicht-trivialen Schaltungsmöglichkeiten.
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