Leitl verlangt Wachstumsimpulse und lehnt neue Eigentumssteuern vehement ab – ÖAW-Präsident
Zeilinger: Wirklich große Durchbrüche bei Innovationen nicht vorhersehbar – Forderung nach Steuer- und
Strukturreformen
Wien (pwk) - In seinem "Bericht zur Lage der österreichischen Wirtschaft" verwies WKÖ-Präsident
Christoph Leitl vor dem Wirtschaftsparlament der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) am 26.06. auf die
herausragende Bedeutung des Exports für die Volkswirtschaft Österreichs: "Der Export hat Österreichs
Wachstum - plus 0,3 Prozent im Jahr 2013 - zuletzt gerettet, während Konsum und Investitionen rückläufig
waren. Ein Prozent Exportzuwachs entspricht 10.000 Arbeitsplätzen und bringt dem Staat 100 Millionen Euro
an zusätzlichen Staatseinnahmen." In dieser Woche, so Leitl, habe in der WKÖ der Exporttag stattgefunden,
wo 3000 Betriebe die Möglichkeit nutzten, sich von Wirtschaftsdelegierten oder Banken beraten zu lassen. Die
Wirtschaftskammer werde weiterhin alles tun und jede Chance nutzen, den Export weiter zu fördern. So steige
seit 2000 die Zahl der Exportbetriebe von 15000 auf 50.000 im kommenden Jahr. Davon habe ein Drittel weniger als
5 Mitarbeiter und ein Drittel weniger als 20 Beschäftigte. Leitl: "Export wird immer mehr eine Sache
der Klein- und Mittelbetriebe."
Der Wirtschaftskammer-Chef verwies in seiner Rede auch auf einige Erfolge der Interessenvertretung. So sei die
Grunderwerbssteuer in vernünftiger Form neu geregelt, die GmbH Neu erhalten und der Gewinnfreibetrag als Äquivalent
eines 13./14. Bezugs gerettet worden. Die Lohnnebenkosten würden um 200 Millionen Euro gesenkt. Ab 1. Juli
gelte der Handwerkerbonus, der 50.000 Förderfälle ermögliche und legale Arbeit gegenüber Pfusch
stärke. Und in der SVA seien seit 1. Jänner die Selbstbehalte mit 50 Prozent des Einkommens gedeckelt.
Seither gebe es auch eine Überbrückungshilfe für unverschuldet in Not geratene Unternehmen.
Angesichts von Wirtschaftsprognosen, welche ein schwächeres Wachstum voraussagen, brauche Österreich
Wachstumsimpulse, betonte Leitl. Es brauche etwa eine Stärkung der Internationalisierungsoffensive, eine Ankurbelung
des Wohnbaus mittels Ausschöpfung aller vorhandenen Wohnbau-Förderungsmittel und eine Prüfung, ob
der Breitband-Ausbau durch eine Kooperation von privaten Investoren und Staat schneller vorangetrieben werden kann.
Und zur Steigerung des Inlandskonsums könnten zusätzliche Gewinnbeteiligungen für Mitarbeiter nur
mit 25 Prozent besteuert werden. Bei 1000 Euro Gewinnprämie blieben jedem Mitarbeiter 750 Euro. Leitl sprach
sich auch für ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA aus, wobei berechtigte Bedenken natürlich
zu berücksichtigen seien. Als positive Vision bezeichnete er ein Freihandelsabkommen der EU mit Russland,
von "Lissabon bis Wladiwostok".
Vehement sprach sich Leitl gegen die Einführung neuer Steuern, insbesondere von Eigentumssteuern, als Gegenfinanzierung
einer Steuerreform aus: "Der ÖGB bereitet eine große Kampagne für eine Steuerreform und für
Vermögenssteuern vor. Auch wir sagen Ja zu einer Steuerreform, auch wir sagen Ja zu mehr Netto vom Brutto.
Aber wir sagen Nein zu neuen Eigentumssteuern." Stattdessen solle es eine Steuerbegünstigung für
eine Gewinnprämie geben, 2015 eine Senkung von Lohnnebenkosten und bis 2018 eine schrittweise Absenkung des
Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent.
Finanziert werden sollte die Steuerreform aus Sicht der "Erneuerer" durch eine jährliche Ausgabensenkung
von Bund, Ländern und Gemeinden von einem Prozent pro Jahr, was insgesamt 4,5 Mrd. Euro brächte. Die
"Besteuerer" dagegen, so Leitl, verwiesen bloß auf das Zauberwort "Millionärssteuern":
"Schon jetzt zahlen 10 Prozent der Lohn- und Einkommenssteuerpflichtigen 50 Prozent der Steuern, 50 Prozent
zahlen keine Steuern. Zu diesem Ausgleich bekennen wir uns. Wir haben zuletzt einem Solidaritätszuschlag,
der steuerlichen Deckelung von Gehältern, dem Wegfall der Spekulationsfristen und der Vermögenszuwachsbesteuerung
zugestimmt und wir sind auch für eine Finanztransaktionssteuer in der EU. Das war nicht immer leicht. Aber
wir wollen keine weiteren neuen Steuern quasi als Belohnung für weitere Reformunwilligkeit im Staat."
Und Leitl verwies auch darauf, dass noch ungeklärt sei, ob aus Sicht der "Besteuerer" Betriebsvermögen
von Eigentumssteuern betroffen sein sollen. Wenn nicht, so würde eine Vermögenssteuer nach Berechnungen
des Finanzministeriums nur etwas über 100 Millionen Euro erbringen. Der WKÖ-Chef: "Wenn aber Betriebsvermögen
betroffen ist, dann müsste ein durchschnittlicher Klein- und Mittelbetrieb 5000 Euro an Vermögenssteuer
oder bis zu 150.000 Euro im Erbschaftsfall berappen. Das wollen wir nicht. Wir brauchen Substanz in den Betrieben.
Es besteht Alarmstufe 1 für den Mittelstand. Wer mehr Wachstum, mehr Beschäftigung und mehr Staatseinnahmen
will, muss den Mittelstand unterstützen und motivieren und darf ihn nicht schwächen. Die Wirtschaftskammer
ist entschlossen, das zu tun."
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ÖAW-Präsident Zeilinger: "Wirklich große Durchbrüche bei Innovationen
nicht vorhersehbar"
Wissenschaft und Forschung sollen anwendungsoffen sein - "Wettbewerb belebt auch hier
das Geschäft" - Verstärkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angestrebt
"Wirklich große Durchbrüche sind nicht vorhersehbar", hielt Prof. Anton Zeilinger,
Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), in seinem Festvortrag bei der
Sitzung des Wirtschaftsparlaments der Wirtschaftskammer Österreich zum Thema "Wissenschaft und Forschung
für den Standort Österreich" fest.
So habe es etwa bei der Entdeckung der Lasertechnologie geheißen: "Die Erfindung ist eine tolle Lösung
- aber für welche Probleme?", schilderte Zeilinger. Wissenschaft und Forschung kommen auch und gerade
in Österreich eine hohe Bedeutung zu: "Die Köpfe der jungen Menschen sind eine der wichtigsten Ressourcen
unseres Landes." Es sei aber nicht ausreichend, mit den besten Köpfen eines Landes zu arbeiten. "Wir
müssen mit den besten Köpfen Europas, ja der Welt, kooperieren".
Aus den genannten Gründen sollten Wissenschaft und Forschung nicht anwendungsorientiert - sondern im Gegenteil
anwendungsoffen - , möglich sein und betrieben werden, so der ÖAW-Präsident.
Denn auch in Wissenschaft und Forschung belebt Wettbewerb - "Wer
ist besser, wer schneller?" - das Geschäft, so Zeilinger: "Die Leute kommen einfach auf bessere
Ideen." Wettbewerb in Wissenschaft und Forschung funktioniere nach denselben Prinzipien wie der internationale
Wettbewerb in der Wirtschaft", spannte der ÖAW-Präsident wieder den Bogen zur Wirtschaft.
Der Anspruch sei, im internationalen Wettbewerb auf höchstem
Niveau bestmöglich zu bestehen. Aber es sei sehr wohl beides machbar, nämlich Zusammenarbeit und Wettbewerb:
"Europa - damit auch Österreich - hat gelernt, dass man beides haben kann - Kooperation und Konkurrenz",
hielt Zeilinger fest.
Zwar sei Österreich klein, für manches Forschungsvorhaben zu klein. Gut aufgestellt und geschickt sei
man in unserem Land jedoch beim Heranholen europäischer Mittel aus europäische Projekten und Netzwerken:
Als Wunsch formulierte der Wissenschafter, dass jede Forschung
auch der Begutachtung nach den Gesichtspunkten "Qualität" sowie "Ergebnis" standhalten
müsse.
Und Zeilinger führte vor den Delegierten zum Wirtschaftsparlament auch aus, dass eine verstärkte Zusammenarbeit
zwischen Wissenschaft und Wirtschaft angestrebt wird. Das sei der Wunsch und die Bestrebung beider Seiten und daran
werde aktuell bereits verstärkt gearbeitet.
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Forderung nach Steuer- und Strukturreformen
Auf Schwächen in der Inlandsnachfrage und bei der Investitionsbereitschaft machte heute Christoph Matznetter,
sozialdemokratischer Wirtschaftsverband und Vize-Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ),
im Wirtschaftsparlament aufmerksam. "Es krankt in Österreich, daher sind dringend Maßnahmen notwendig."
Die Steuer- und Abgabenquote liegt bei rund 43 Prozent, die Regierung hat versprochen, diese Quote auf 40 Prozent
zu senken. "Unser Steuersystem befindet sich in absoluter Schieflage. Die Belastungen für Betriebe betragen
bis zu 70 Prozent".
Seine Forderung: eine gleichmäßige Verteilung bei Steuern und Abgaben sowie eine rasche Steuerstrukturreform,
um einen dringend notwendigen Ausgleich im Steuersystem herzustellen. Die Besteuerung des Faktors Arbeit müsse
sinken. Es müssten dort Steuern eingehoben werden, wo zur Wertschöpfung des Landes beigetragen wird,
das betreffe Landwirte ebenso wie Aktiengesellschaften. Die Mehrheit der Betriebe zahle ordnungsgemäß
ihre Steuern - wichtig sei es, gleiche Verhältnisse zu schaffen und nicht schwarze Schafe zu verteidigen.
"Reformen im Steuersystem könnten vielleicht schon 2015 möglich werden und sollten nicht auf irgendwann
verschoben werden. Ziel muss es sein, die Finanzen der Betriebe zu verbessern, etwa durch Senkung der Lohnkosten
und Lohnnebenkosten", so Matznetter.
Im Sozialversicherungsbereich sei schon einiges gelungen,
allerdings dürfe es keine Besteuerung von Kranksein geben. Die Versicherten sollten unterstützt und nicht
abgehalten werden, bestimmte Leistungen in Anspruch zu nehmen, sprach sich Matznetter für die Abschaffung
des Selbstbehalts in der SVA aus.
Deutliche Zeichen setzen
Für Siegfried Menz, Bundesspartenobmann Industrie der WKÖ, ist die Sache klar: Alle reden von Reformen,
alle wollen Reformen, selbst Kanzler und Vizekanzler. Allerdings handele es sich um ein "absurdum Austriacum",
das heißt, jeder will sie, aber es kommt zu keinen Reformen, weil unter anderem "kleinkarierte Einzelinteressen
dies verhindern". Dabei vergleicht Menz den stark bekundeten Willen fußballerisch ausgedrückt mit
einem "aufgelegten Elfmeter ohne Tormann".
Er fordert eine Entfesselung der Wirtschaft, so wie es die Wirtschaftskammer vorlebt: modern, liberal und weltoffen.
"Es geht darum, Offenheit, Flexibilität und Reformwille nicht nur von anderen zu fordern, sondern mit
gutem Beispiel voran zu gehen." Dazu zählt, deutliche Zeichen zu setzen, etwa indem die Steuer- und Sozialabgaben
gesenkt werden und die Arbeit weniger belastet wird. Derzeit zählt Österreich mit 51 % wie Italien und
Belgien zu den Top-Negativbeispielen in der EU. Statt Stillstand müssen wirksame Fortschritte erzielt werden.
Mittelstand entlasten
Alexander Klacska vom österreichischen Wirtschaftsbund entgegnete in seiner Fraktionserklärung der Kritik
der Grünen Wirtschaft an der Wahlordnung, diese sei transparent, öffentlich und gesetzeskonform. Der
Grüne Vorschlag dazu würde bedeuten, dass große Bundesländer unterrepräsentiert wären
und dass kleine Fachorganisationen an Bedeutung verlieren würden. Klacska in Richtung Plass: "Sie stehen
immer für EPU ein. Stehen Sie doch auch für kleine Fachorganisationen ein. Wir müssen für Unternehmen
aller Größen da sein und dürfen Groß und Klein nicht auseinander dividieren."
Die Wirtschaftskammerorganisation habe für die heimischen Unternehmen in der letzten Zeit vieles erreicht,
so Klacska mit Verweis auf die Erhaltung der GmbH Light und des Gewinnfreibetrages. Die Lohnnebenkosten, die "gefühlt
seit der Steinzeit das erste Mal zurückgenommen werden", gingen in die richtige Richtung und setzten
ein Signal für die Zukunft.
Als Wirtschaftsstandort habe Österreich seinen Erfolgspfad in den letzten Jahren verlassen und an Wettbewerbsfähigkeit
eingebüßt, was auch auf den hohen Schuldenstand und die hohe Steuer- und Abgabenquote zurück zu
führen sei. Daher gelte es jetzt, den Mittelstand als Rückgrat der heimischen Wirtschaft weiter zu stärken,
die Lohnnebenkosten weiter zu senken und eine Offensive für den Industriestandort Österreich zu starten.
Eigentumssteuern seien nicht zu diskutieren. "Diese werden immer
in schönes Geschenkpapier verpackt. Doch wenn man es öffnet, sind Mittelstandssteuern drinnen",
so Klacska. Diese würden im Endeffekt Kaufkraft entziehen und die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs
weiter beeinträchtigen.
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