Wien (vetmeduni) - Fast jeder zweite Haushund entwickelt ab dem zehnten Lebensjahr eine
Krebserkrankung. Es gibt für Hunde bereits einige Therapien, die aus der Humanmedizin stammen. Eine sehr erfolgreiche
Form der Therapie, in der Antikörper das Tumorwachstum hemmen, stand bisher für Tiere nicht zur Verfügung.
Forschende des interuniversitären Messerli Forschungsinstitutes, der Vetmeduni Vienna, MedUni Wien und Universität
Wien, entwickelten erstmals Antikörper gegen Krebserkrankungen beim Hund. Die Forschungsergebnisse veröffentlichten
die WissenschafterInnen im Journal Molecular Cancer Therapeutics.
Eine Krebserkrankung beim Hund hat genauso wie beim Menschen komplexe Ursachen. Ein Zusammenspiel aus Umwelt, Ernährung
und genetischer Disposition sind die bekanntesten Faktoren. Heute stehen bereits fast alle Methoden der Humanmedizin
prinzipiell auch den krebskranken Hunden zur Verfügung. Die Krebsimmuntherapie bislang jedoch noch nicht.
Die sogenannte Krebsimmuntherapie, so nennt man die Behandlung von Tumorerkrankungen mit Antikörpern, ist
in der Humanmedizin seit etwa 20 Jahren etabliert und sehr erfolgreich. Dabei werden den PatientInnen Antikörper
als Medikament verabreicht. Da Krebszellen an der Oberfläche ganz bestimmte Antigene tragen, binden entsprechende
Antikörper an diese Moleküle und hemmen damit das Tumorwachstum. Der Mechanismus, der in Kraft tritt,
ist ein zerstörerisches Signal, das vom angedockten Antikörper ins Innere der Krebszelle geschickt wird
und dort den Tod der Krebszelle einleitet. Auch das Immunsystem des Menschen zerstört den „markierten“ Tumor
besser.
Angriffspunkt bei Mensch und Hund fast identisch
Josef Singer und Judith Fazekas, beide Erstautoren der Studie, fanden heraus, dass ein Rezeptor, der häufig
auf menschlichen Tumorzellen zu finden ist (Epidermal Growth Factor Receptor, EGFR), mit dem EGF-Rezeptor bei Hunden
zu fast 100 Prozent ident ist. EGFR wird in der Humanmedizin häufig als Angriffspunkt für die Krebsimmuntherapie
verwendet, da vielen Krebszellen diesen Rezeptor an der Oberfläche tragen. Der sogenannte Anti-EGFR-Antikörper
bindet an Krebszellen und löst so die Zerstörung der Zellen aus. „Aufgrund der Ähnlichkeit des Rezeptors
bei Mensch und Hund, müsste diese Art der Therapie auch beim Hund gut funktionieren“, so die Überlegung
der Forschenden. Die Bindungsstelle des Antikörpers an EGFR zwischen Mensch und Hund unterschied sich lediglich
um vier Aminosäuren.
Antikörper auf „Hund“ getrimmt
Damit der Antikörper möglichst gut an Hunde-Krebszellen bindet, musste der humane Antikörper
zuvor im Labor auf „Hund“ getrimmt werden. In der Humanmedizin nennt sich der Vorgang „Humanisierung“ eines Antikörpers.
Der ursprünglich in der Maus produzierte Antikörper muss also der Spezies, in der er verwendet werden
soll, angepasst werden. Singer und Fazekas tauschten die entsprechenden Elemente am humanen Antikörper gegen
Elemente vom Hund aus. In Experimenten an Hundezellen im Labor zeigte sich, dass der neu entwickelte Antikörper
tatsächlich mit hoher Spezifität an Hunde-Krebszellen bindet.
Die Leiterin der Studie, Professorin Erika Jensen-Jarolim, erklärt: „Wir erwarten, dass die Hunde diese Anti-Krebs-Antikörper
gut vertragen. Dies soll bald in klinischen Studien untersucht werden. Damit wird in Zukunft die Therapie, aber
auch die Diagnostik krebskranker Hunde wesentlich verbessert werden.“
Verbesserung von Therapie und Diagnostik
Der neu entwickelte Antikörper bringt noch einen zusätzlichen Vorteil für Hunde. Wie auch in der
Humanmedizin, können Antikörper mit einem Signalmolekül gekoppelt werden. Bindet der Antikörper
an eine Krebszelle im Organismus kann das gekoppelte Molekül, im diesem Fall ein radioaktives Isotop, sichtbar
gemacht werden und so anzeigen, wo sich Tumore und auch Metastasen im Körper befinden. Wenn das ausgewählte
Isotop auch zu einem Untergang der Krebszellen beiträgt, wird der Ansatz als „Theranostics“ (Therapie und
Diagnostik) bezeichnet.
„Die Veterinärmedizinische Universität Wien wird als weltweit erstes Zentrum modernste immunologische
Krebs-Diagnostik für Hunde anbieten können. Besonders interessant für mich als Humanmedizinerin
ist dabei auch, dass wir mit diesem Ansatz gleichzeitig Verbesserungen durchführen können, die wiederum
dem Menschen zugute kommen werden“, so Jensen-Jarolim.
Der erste Anti-EGFR-Antikörper (Cetuximab) für die Krebsbehandlung in der Humanmedizin wurde von der
Firma Merck entwickelt. Beim Menschen wird er vorwiegend für die Behandlung von Darmkrebs eingesetzt. Hauptsächlich
findet die Krebsimmuntherapie in Kombination mit Chemotherapie und Strahlentherapie Anwendung. In der Veterinärmedizin
soll die Immuntherapie zur Behandlung von Milchleistenkrebs beim Hund herangezogen werden. Möglicherweise
auch als Kombinationstherapie.
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der führenden veterinärmedizinischen,
akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Augenmerk gilt der Tiergesundheit und der Lebensmittelsicherheit.
Im Forschungsinteresse stehen die Gesundheit von Tier und Mensch sowie Themen der Tierhaltung und des Tierschutzes.
Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.200 MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus
in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Forschungseinrichtungen.
Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich gehören
ebenfalls zur Vetmeduni Vienna.
Der Artikel „Generation of a Canine Anti-EGFR (ErbB-1) Antibody for
Passive Immunotherapy in Dog Cancer Patients“ von Josef Singer, Judit
Fazekas, Wei Wang, Marlene Weichselbaumer, Miroslawa Matz, Alexander Mader, Willibald Steinfellner, Sarah Meitz,
Diana Mechtcheriakova, Yuri Sobanov, Michael Willmann, Thomas Stockner, Edzard Spillner, Renate Kunert und Erika
Jensen-Jarolim wird am 7.7.2014 i der Printausgabe des Journals Molecular Cancer Therapeutics veröffentlicht.
doi: 10.1158/1535-7163.MCT-13-0288
http://mct.aacrjournals.org/content/early/2014/06/21/1535-7163.MCT-13-0288.long
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